Sonntag, 12. Juli 2020

Valtice

12.7.2020

In der tschechischen Stadt Valtice (deutsch früher Feldsberg) in Südmähren wurde ein Fußballspiel besucht. 3.600 Menschen leben hier.

1391 bis 1945 beherrschten die Hochadeligen von Liechtenstein fünfeinhalb Jahrhunderte das Leben der Menschen hier. 1391 erwarben sie Grundherrschaft über das Land mit der auf ihm lebenden Bevölkerung. Sie ließen sich neben der 1744/45 schließlich abgerissenen mittelalterlichen Burg das Schloss als Hauptresidenz der Liechtenstein (ab 1560) bauen, von dem sie bis zum Ende der Habsburgermonarchie 1918 aus ihre riesigen Besitzungen und Ländereien verwalteten. Mit dem Ende der Monarchie verlegten die Liechtenstein ihre Residenz in ihren nahe der Hofburg stehenden Palast nach Wien. Diesen verließen sie aber mit der Machtübernahme der Nazis 1938 und verlegten ihre Herrschaftsresidenz dann zum ersten Mal nach Jahrhunderten nach Vaduz. Ihre Schlösser und ihr Großgrundbesitz (60% verloren sie durch eine tschechoslowakische Bodenreform, die Großgrundbesitz an kleine Bauernfamilien verteilte) gehörten den Liechtenstein noch bis 1945. In der wiedergegründeten Tschechoslowakei wurde das als deutsches Eigentum verstaatlicht (auch wenn die Liechtensteiner formal Liechtensteiner und keine Deutschen waren).


Die Größe und Pracht des Schlosses repräsentierte die Macht der Liechtenstein, die zu den reichsten und mächtigsten Fürsten der Habsburgermonarchie gehörten. Unter anderem durch die Weingüter war die Grundherrschaft für sie sehr lukrativ. Um dies nicht zu gefährden, betrieben die Fürsten eine strategische Politik, ihre Untertanen durch aktive Verhinderung von Schulbesuch und Bildung möglichst klein zu halten. Fürst Karl Eusebius, der Chef des Hauses Liechtenstein und Auftraggeber des Schlossbaues hier, hielt in seinem 1680 verfassten Politischen Testament an seine Nachkommen fest: „Zu keinen Handwerck noch zur Schreiberey und Studiren soll nie ein Bauernkind zugelassen seyn.“


Der Name Liechtenstein kam von der Burg Liechtenstein in Maria Enzersdorf. 1699 und 1712 kauften sie auf Basis ihres in den niederösterreichischen und mährischen Ländern angehäuften Vermögens die Besitzungen Schellenberg und Vaduz, das heute unter dem ihm gegebenen Namen Liechtenstein bekannte Stück Land in den Bergen. Damit wurden sie zu Landesherren eines eigenen Territoriums und unterstanden den Habsburger damit nur mehr in deren Eigenschaft als Kaiser und nicht mehr auch als Landesherr, da sie mit anderen Landesfürsten des Reiches gleichrangig waren.


Bis zum Ende der Habsburgermonarchie 1918 gehörte Felsberg/Valtice seit dem Mittelalter zu Niederösterreich. Nach dem Zerfall der Monarchie besetzten den Ort tschechoslowakische Soldaten, da er vor allem aus verkehrsstrategischen Gründen wichtig – durch das Gemeindegebiet verläuft die Bahnlinie Mikulov/NikolsburgBřeclav/Lundenburg. Die neugegründete Republik Deutschösterreich reklamierte das Gebiet wie andere deutschsprachige Gebiete in der neugegründeten Tschechoslowakei zwar für sich, im Friedensvertrag von 1919 wurde aber alles der Tschechoslowakei zugesprochen. 97% der Bevölkerung von Valtice/Felsberg war damals deutschsprachig. Durch den staatllich geförderten tschechischen Zuzug v.a. von Verwaltungsbeamten etc. entstand in der Zwischenkriegszeit eine bedeutende tschechische Minderheit (1930 nur mehr 57% der Bevölkerung deutschsprachig). Die Nazis übernahmen 1938 die Macht und begannen ihre Verbrechen. Nach der Befreiung 1945 wurde die deutschsprachige Bevölkerung zum Ziel der tschechischen Racheaktionen für die NS-Verbrechen. Es gab Gewaltaktionen und einige Morde, um sie zur Flucht zu bringen und 1946 wurden dann die letzten Deutschsprachige staatlich organisiert vertrieben. Die Folge der Verbrechenspolitik der Nazis war das Ende von sieben Jahrhunderten deutschsprachiger Geschichte hier.


Die katholische Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt (Kostel Nanebevzeti Panny Marie) wurde 1631 bis 1671 als barocker Neubau anstelle einer zu klein gewordenen und dafür abgerissenen mittelalterlichen Kirche errichtet.


In der Zeit der Reformation bekannte sich die Bevölkerung des Orts in der Mitte des 16.Jh. zum evangelischen Glauben. Das wollten weder die streng religiös katholischen Habsburger-Landesherrn noch die Liechtenstein-Grundherren tolerieren. So riefen die Liechtenstein den katholischen Orden der Barmherzigen Brüder hierher und ließen ihnen 1605 hier ihr Kloster gründen, um die Menschen wieder herrschaftstreu-untertänig katholisch zu machen. Der Klosterbau wurde 1662 bis 1668 in seiner heutigen Form errichtet. 1673 wurden die beiden Kirchtürme hinzugefügt. Der Baukomplex bestand auch einem Kloster und einem Spital. Da die Mönche Tschechen waren, wurden sie in der Zwischenkriegszeit von den örtlichen Nazis oft angegriffen. Nach dem Einrücken der deutschen Wehrmacht 1938 flüchteten die Brüder mit dem Großteil der tschechischen Bevölkerung in das noch ein halbes Jahr freie Landesinnere der Tschechoslowakei. Mönche, die Widerstand leisten, wurden von der deutschen Gestapo verhaftet und mehrere in KZ getötete. Das Kloster wurde von der deutschen Besatzung geschlossen. Nach der Wiederaufnahme des Betriebs nach der Befreiung 1945 standen sie aber der antireligiösen Politik des kommunistischen Regimes ab 1948 im Weg. 1949 wurde das Spital verstaatlicht und 1960 das Kloster erneut und diesmal endgültig vom Staat aufgelöst. Das Krankenhaus gibt es auch heute noch hier.


Als eines der prächtigsten Barockschlösser Tschechien wurde das Schloss von Valtice 1996 gemeinsam mit dem benachbarten Liechtenstein-Schloss Lednice (deutsch früher Eisgrub) als Teil der Kulturlandschaft Lednice-Valtice (tschechisch Lednicko-valtický areál / LVA) zu einem UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Der ehemalige Liechtenstein-Landschaftspark hier in Südmähren ist mit 283,9 km² größer als das heutige Fürstentum Liechtenstein mit seinen 160,5 km².


Die Reistenkolonnade (tschechisch Kolonáda Reistna) ist nach der Anhöhe, dem Reistna, benannt. Mit den architektonischen Elementen eines Triumphbogens und von Kolonnaden seitlich davon wurde das klassizistische Bauwerk 1810 bis 1823 im Liechtenstein-Schlosspark errichtet. In den Eckbauten führen Wendeltreppen auf die Dachterrasse. Es ist eines von mehreren Bauwerken, die zur Ausschmückung der zusammenhängenden Parklandschaft gehörten (neben diversen kleiner und größen Schlössern gibt es eine künstliche Burgruine, ein Minarett, einen Oblisk, Tempel etc.). Als in der Nachkriegszeit der Eiserne Vorhang hier verlief, wurde das Bauwerk von den tschechoslowakischen Grenzsoldaten als Wachposten benutzt.


Ausblick


Spätestens ab 1955, als die sowjetische Armee aus Niederösterreich abzog, wurde mit dem militärisch bewachten und stetig ausgebautem Eiserne Vorhang direkt an der Südgrenze von Valtice Fluchtversuche aus der Tschechoslowakei nach Österreich zu verhindern versucht. Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft wurden die Grenzsperren wurden 1990 abgebaut. 2011 wurde im Gebäude des ehemaligen tschechischen Grenzpostens an der Straße zum niederösterreichischen Schrattenberg das Muzeum Železné Opony („Museum des Eisernen Vorhangs“) eingerichtet, in dem daran erinnert wird. Neben Waffen, Uniformen und nachgestellten Wachposten findet man auch eine Liste von Todesopfern, die beim versuchten illegalen Grenzübertritt von tschechischen Organen (teilweise auch auf österreichischem Boden) erschossen wurden.


Die Ausstellung beginnt mit der Geschichte der Grenzziehung hier 1918 und beleuchtet mit Objekten das Jahr 1938, als hier die Tschechoslowakei nach der Nazi-Machtübernahme in Österreich im März 1938 zunächst noch bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht hier im Herbst 1938 Grenzbefestigungen errichtete.


Es gibt mehrsprachige Erklärungstexte, allerdings ist der Charakter des Hauses eher jener einer Sammlung und Präsentation von zahlreichen Ojekten als eines didaktisch geführten Museums.


Beachtlich ist jedenfalls die Fülle an Schaustücken.


20.000 tschechoslowakische Grenzsoldaten versuchten im Rahmen der Abriegelung des Ostblocks die Flucht aus dem kommunistischen Regime zu verhindern. 280 Menschen wurden an der tschechoslowakischen Grenze als Flüchtlinge getötet (davon wurden u.a. 143 erschossen und 95 durch den elektisch geladenen Zaun getötet). Es kamen in den vier Jahrzehnten aber auch 648 Soldaten am Eisernen Vorhang ums Leben, hauptsächlich durch die verlegten Minen oder durch Selbstmord.


Sammlungsschwerpunkt sind Ausrüstungsgegenstände und Rekonstruktion von Büros und Räumen der Grenzsoldaten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen