Sonntag, 28. Juni 2015

Brünn

27.6.2015

Im mährischen Brünn (Brno), der zweitgrößten Stadt Tschechiens, wurde ein Fußballspiel besucht. 377.000 Menschen leben hier. Die Hauptsehenswürdigkeiten wie u.a. die Burg Špilberk waren hier bereits beim letzten Besuch besichtigt worden, sodass diesmal ein vertiefendes Programm absolviert wurde.

Der Brünner Hauptbahnhof (Brno hlavní nádraží). Die erste Dampfeisenbahnlinie der Habsburgermonarchie führte ab 1839 von Wien nach Brünn. Der erste Bahnhof wurde als Bahnhof der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn (Nádraží Severní dráhy císaře Ferdinandovy) bereits 1838 zwischen Graben und Stadtmauer angelegt. Das heutige 1902 bis 1905 im Jugendstil errichtete Hauptgebäude befindet sich fast genau an der gleichen Stelle. An der Hauptfassade rechts und links des Hauptportals befanden sich ursprünglich zwei Uhrtürme, von denen jedoch der rechte bei einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg 1944 zerstört und nicht wieder errichtet wurde. Gedenktafeln neben dem Haupteingang erinnern an von den deutschen Besatzern umgebrachte Eisenbahner.


Straßenszenen der schönen Altstadt. Seit dem Mittelalter lebte eine große deutschsprachige Gemeinde in Brünn. Nach dem Ende der Habsburgermonarchie waren es in der Zwischenkriegszeit etwa 55.000 deutschprachige Einwohnerinnen und Einwohner, davon etwa 12.000 Jüdinnen und Juden. Letztere wurden von den Nazis deportiert und umgebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in pauschaler Rache für die unzähligen Nazi-Verbrechen bei der Unterdrückung der Tschechinnen und Tschechen die deutschsprachige Bevölkerung vertrieben. Im sogenannten Brünner Todesmarsch wurden ab 31. Mai 1945 etwa 27.000 Menschen, vor allem Frauen, Alte und Jugendliche, da die Männer zumeist noch in Kriegsgefangenschaft waren, zu Fuß zur 60 km entfernten österreichischen Grenze getrieben. Dabei kam es zu Verbrechen an ihnen. Amtlich belegt sind 2.000 Tote, nach anderen Angaben wären es 5.200 gewesen. Zum 70. Jahrestag bedauerte die Brünner Stadtverwaltung 2015 offiziell die Vertreibung und lud Vertriebenenvereine zu gemeinsamem Gedenken ein.


Nach der Nazi-Machtübernahme in Deutschland 1933 und der austrofaschistischen Diktatur nach dem Februar 1934 in Österreich flüchteten viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in die demokratische Tschechoslowakei. In Brünn entstand das Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS), das von 1934 bis 1938 unter der Leitung von Otto Bauer als Sitz der Leitung der emigrierten Sozialdemokratie und Auslandsstützpunkt der illegalen Bewegung in Österreich fungierte. Die Arbeiter-Zeitung wurde in Brünn produziert und nach Österreich geschmuggelt. Die Tschechoslowakei gewährte vielen vor dem Faschismus geflohenen Asyl. Sowohl die Nazi-Bewegung der deutschsprachigen Minderheit als auch tschechische Nationalisten hetzten aber gegen sie. Ab 1937 gab man offiziell Paris als Erscheinungsort der AZ an. Eine Gedenktafel am Kino Scala erinnert an die Emigration: „Hier, im später durch Bomben zerstörten Dopz-Gebäude und im Café Biber war der kulturelle Treffpunkt der Künstler, Schriftsteller, Publizisten und Politiker aus Deutschland und Österreich, die in den Jahren 1933-1939 in Brünn im Exil lebten.“


Denkmal der Sowjetarmee für die Befreiung Brünns am 26. April 1945.


Das Denkmal der drei Widerstandsbewegungen wurde 2006 errichtet und erinnert an Tschechinnen und Tschechen, die Leben, Freiheit oder Gesundheit im Kampf um einen Nationalstaat verloren haben, während der habsburgischen Kriegsdiktatur im Ersten Weltkrieg, der Nazi-Besatzung im Zweiten Weltkrieg oder während des Kommunismus 1948-1989. Im Sinne dieser Konzeption besteht das Denkmal aus einer Pyramide, die auf drei Pyramiden steht, die jeweils eine dieser Widerstandsbewegungen repräsentieren sollen.


Das Holocaust-Mahnmal (Památník obetí holocaustu) in Form eines schwarzen Granitblocks erinnert an die ermordeten Jüdinnen und Juden. Da allerdings keine ersichtliche Beschriftung oder Tafel die Bedeutung des wasserumspülten Steins erklärt, erfüllt dieser seine Funktion als Mahnmal nicht. Mit der deutschen Besetzung und der Nazi-Machtübernahme begann im September 1939 die systematische Verfolgung der Jüdinnen und Juden. Bis 1945 wurden aus Brünn 9.064 jüdische Einwohnerinnen und Einwohner in verschiedene Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Nur 700 von ihnen überlebten.


Die Synagoge Agudas Achim (Synagoga Agudas achim) wurde 1934 bis 1936 in funktionalistischem Stil errichtet. Der Stahlbetonbau war die jüngste von den einst vor 1939 vier Synagogen in Brünn und ist heute die einzige in Mähren, die noch zu religiösen Zwecken genutzt wird. Derzeit allerdings wegen Renovierung geschlossen.

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