Sonntag, 6. Oktober 2013

Bielsko-Biała

5.10.2013

In der südpolnischen Stadt Bielsko-Biała (deutsch Bielitz-Biala) leben rund 174.000 Menschen. Nachmittags und abends wurden Fußballspiele besucht und dazwischen die Stadt besichtigt.
Die Doppelstadt Bielsko-Biała entstand erstmals 1941, als unter der nazideutschen Besatzung die östlich des Flusses Bialka (Biała) gelegene Stadt Biala mit dem am Westufer liegenden Bielitz (Bielsko) zusammengelegt wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde dies rückgängig gemacht, aber bereits 1951 wurden Bielsko und Biała erneut zu Bielsko-Biała vereinigt.

Der schön renovierte Bahnhof wurde 1890 als Bielitz Hauptbahnhof eröffnet. Bis 1918 gehörte die Stadt zum Habsburgerreich, davon zeugt die Aufschrift k.k. privilegirte Kais. Ferd.-Nordbahn. Bis zum Zweiten Weltkrieg war hier 600 Jahre lang eine deutsche Sprachinsel. In Bielitz, Biala und einigen Dörfern war die Bevölkerung 1910 zu 80% deutschsprachig und im Umland polnisch. Auch nach 1918 und der Wiedergründung des polnischen Staates blieb die Abwanderung geringer als anderswo. 1921 zählte man 62% deutschen und 23% polnischen Anteil in der Stadt Bielitz.



Gedenkstein für einen von deutschen Soldaten hier 1939 umgebrachten 16-jährigen Polen.


Hier stand von 1881 bis 1939 die Bielitzer Hauptsynagoge. In der Zwischenkriegszeit war etwa 20% der Bevölkerung jüdisch, die meisten davon deutschsprachig. 1939 waren es etwa 5.000 Menschen in Bielsko. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem deutschen Überfall auf Polen führte zu einer Massenflucht, doch mußten die Flüchtenden bald wieder zurückkehren, da alle Fluchtwege abgeschnitten waren. Noch im September 1939 brannten die Besatzer die zwei Synagogen von Bielsko und das Kulturzentrum sowie die zwei Synagogen in Biała nieder. Die Jüdinnen und Juden wurden in ein Ghetto in Biała gesperrt und von dort 1942 nach Auschwitz deportiert, wo fast alle umgebracht wurden.




Das Sułkowski-Schloß inmitten der Altstadt. Die ältesten Teile stammen aus der zweiten Hälfte des 14.Jh. Als Stadtschloß war es zugleich Herrschaftssitz und Teil der Stadtbefestigung. Das heutige Aussehen des Schlosses stammt aus dem Umbau zur Mitte des 19.Jh. Von Mitte des 18.Jh. bis 1945 herrschte (bis 1848) und residierte hier die Fürstenfamilie Sułkowski. Dann waren verschiedene Institutionen im Schloß untergebracht, seit 1983 dient es als Museum.


Eine Besonderheit ist, daß sich im 16./17.Jh. die Reformation in Bielitz schnell durchsetzte. Die 1628 und 1654 durchgeführten Rekatholisierungen blieben erfolglos. Die Kirchen wurden zwar wieder katholisch, blieben aber leer, da mit Unterstützung der ebenfalls protestantischen Herrschaft dann Gottesdienste in den Wäldern abgehalten wurden. Nach dem Toleranzpatent von 1781 war der evangelische Glauben erlaubt und es entstand hier der sogenannte Bielitzer Zion (polnisch Bielski Syjon), ein eigenes Viertel rund um den Martin-Luther-Platz mit verschiedenen evangelischen Einrichtungen (Schulen, Waisenhaus etc.) und der 1782 bis 1790 errichtete evangelische Erlöserkirche (im 19.Jh. umgebaut).



Die katholische Nikolaus-Kathedrale (Kościół katedralny św. Mikołaja) wurde ursprünglich zwischen 1443 und 1447 als gotische Kathedrale errichtet und im 18.Jh. barock umgebaut. Davon ist heute praktisch nichts mehr zu sehen. Zwischen 1909 und 1912 erfolgte ein bemerkenswerter kompletter Umbau. Das Kirchenschiff wurde verlängert und über einem neugebauten neoromanischen Portal ein 61 Meter hoher Turm in modernistischen Stil erbaut, der an New Yorker Wolkenkratzer des Anfangs des 20.Jh. erinnert.


Der Bielitzer jüdische Friedhof wurde 1849 eröffnet. 1885 wurde die große Leichenhalle in neoromanischem Stil errichtet. Sie ist der letzte verbliebene jüdische Sakralbau in der Stadt. Während der nazideutschen Besatzung wurde der Friedhof verwüstet und mehr als die Hälfte der Grabsteine abtransportiert oder zerstört. Verblieben sind 1.200 Grabsteine bei etwa 3.000 Gräbern. Nachdem 1966 von der Stadtregierung trotz Protesten der jüdischen Gemeinde die Auflassung des jüdischen Friedhofs von Biała beschlossen worden war wurde noch etwa ein Zehntel der Gräber (170 von 1.700) zwischen 1966 und 1967 hierher nach Bielsko umgebettet werden. Nach dem Holocaust waren wenige hundert Jüdinnen und Juden nach Bielsko-Biała zurückgekehrt, die aber dann nach einer antisemtischen Kampagne der kommunistischen Regierung infolge des Nahostkonflikts 1967 das Land verließen.


Am Marktplatz (Rynek) in Bielsko.



Das heute als Rathaus von ganz Bielsko-Biała dienende historistische Rathaus in Biała.


Von 1949 bis 1990 stand hier neben dem Rathaus ein Denkmal für die Zugehörigkeit Polens zum sowjetischen Machtbereich. 2002 wurde hier ein Denkmal für die Konförderation von Bar aufgestellt, die 1769−70 und 1771 in Bielsko residierte und laut Text der erklärenden Tafel als Beginn der polnischen Freiheitsbestrebungen gilt. In der Konföderation stellten sich Adelige in einem Aufstand gegen den polnischen König, da sie für eine selbständigere Politik gegen Rußland eintraten.

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