Montag, 28. Oktober 2013

Gent

25.10.2013

Nach Gent in Flandern führte ein abendliches Fußballspiel. Rund 248.000 Menschen leben in der belgischen Stadt.

Drei Türme („de drie torens“) prägen seit dem Mittelalter die Altstadtsilhouette von Gent. Dieser Turm ist derjenige der zwischen 1300 und 1538 gebauten katholischen St.-Bavo-Kathedrale (niederländisch Sint-Baafskathedraal). Ursprünglich war hier seit dem 7.Jh. das Kloster Sankt Bavo. Die einstmals wichtige Abtei wurde nach dem blutig niedergeschlagenen Genter Aufstand gegen Kaiser Karl V. 1539 aber aufgelöst.


Daneben steht als nächster Turm der städtische Belfried aus dem 14. Jahrhundert, Ausdruck der Macht des Genter Bürgertums. Der Turm diente als Festungs- und Brandschutzturm und beherbergte das Archiv. Neben dem Belfried steht am zentralen Ort die Tuchhalle aus dem Jahr 1425. Im 11. Jahrhundert wurde Gent zu einer Metropole der Textilproduktion, wirtschaftlich reich und politisch mächtig. Bis etwa 1550 war Gent die größte Stadt der Niederlande. Außerhalb Italiens war am europäischen Kontinent nur Paris noch größer.


Der dritte Turm ist derjenige der St. Nikolaus-Kirche (Sint-Niklaaskerk) aus dem 13./14.Jh.


Das Rathaus (Stadhuis) bietet gleich zwei Fassadenseiten, links eine in eher schlichtem Renaissancestil und rechts in ausladender Gotik. Um 1100 mußte der Graf von Flandern der Stadt Gent eigene Institutionen zugestehen. Immer wieder bekriegte sich die Stadt in den folgenden Jahrhunderten mit den jeweiligen Fürsten und verfolgte eigene Politiken zwischen den Großmächten. Der Adel verlor den meisten Teil seiner Macht an die durch den Tuchhandel reich gewordenen Kaufmannsfamilien.


Die Gildenhäuser an der Gracht des alten Hafens, der Graslei und der Korenlei, erzählen von mittelalterlichem und frühneuzeitlichen Reichtum und der Macht des städtischen Bürgertums. Flandern wie aus dem Bilderbuch.




Die St.-Michael-Kirche (Sint-Michielskerk) wurde zwischen 1440 und 1530 errichtet. Der Turm wuchs bis 1566 auf die heutige Größe. Der Weiterbau wurde aber aufgrund von Kriegen unterbrochen und nicht wieder aufgenommen, sodaß er abgeschnitten aussieht.


Im Zentrum des Freitagsmarkts (Vrijdagsmarkt) steht das Standbild des Jacob von Artevelde, ein reicher Tuchhändler, der im 14.Jh. einen Aufstand gegen den Fürsten Ludwig von Nevers anführte. Dieser stand im Hundertjährigen Krieg auf französischer Seite, während die Genter Bürger sich aus wirtschaftlichen Gründen mit England verbündeten. 1340 empfing Jacob van Artevelde als Stadthauptmann hier auf diesem Platz den englischen König auf Besuch in Gent. 1345 brach ein Aufstand der Tuchwalker gegen die Herrschaft der Weber unter Artevelde aus, wobei der Freitagsmarkt zum Schauplatz blutiger Gefechte wurde. Artevelde wurde schließlich ermordet.


Gegen Ende des 18.Jh. wurde Gent zu einer der ersten industrialisierten Städte auf dem europäischen Festland. So entstand hier auch bereits früh die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung, deren Geschichte sich in Gent in zwei stolzen Gebäuden am Vrijdagsmarkt zeigt. Links das Hauptquartier Ons Huis („unser Haus“) aus dem Jahr 1902, das auch heute noch Sitz der Gewerkschaft ist, sowie rechts das Haus der genossenschaftlichen Sozialversicherung Bond Moyson aus dem Jahr 1899.



Die Burg Gravensteen („Grafenstein“) liegt am Zusammenfluß der Flüsse Lieve und Leie. Die erste Burg wurde hier um 807 errichtetet. 1128 wurde die Burg bei einer Belagerung zerstört, aber von 1180 bis 1200 wiederaufgebaut. Zweck der Burg war nicht nur die Verteidigung nach außen, sondern auch die Sicherung der Herrschaft der Grafen von Flandern über die oft widerständige und eigenständig agierende Stadt Gent. 1301 belagerten die Genter erfolgreich die Burg des Grafen.


Der stadtseitige Eingang der Burg. Bevor die Stadt Gent die Burg 1887 kaufte und in den folgenden Jahrzehnten Erhaltungsarbeiten durchführte, diente der einstige Herrschaftssitz als Gefängnis, Fabrik und Arbeiterwohnstätte. Die Mauern waren von Wohnhäusern zugebaut. Den heutigen Zustand verdankt Gravensteen der in den 1980er Jahren durchgeführten Restaurierung.


In der Mitte der Burgmauern steht ein 30 Meter hoher Donjon (Hauptturm).


Die Räume der Burg Gravensteen sind restauriert, wenn auch kahl, und beherbergen eine Ausstellung, die sich der Geschichte der Anlage widmet.


Von 1407 bis 1708 diente die Burg als Gerichtssitz. Auch der Rat der Stadt Gent tagte hier. Es wurde ein Kerker und eine Folterkammer eingerichtet. Ein Ausstellungsraum widmet sich den grausamen Arten, die sich Menschen einfallen ließen, um andere Menschen zu foltern und möglichst schmerzhaft umzubringen.


Herrlicher Ausblick von der Burg Gravensteen über die Altstadt. Die drei Türme sind schön zu sehen.


1780 wurde die Burg verkauft und zu einer Textilfabrik und später einer Baumwollspinnerei umgewandelt. In den heruntergekommenen Gemäuern wurden Arbeiterwohnungen eingerichtet. Hier im ehemaligen Audienzssaal der Grafen von Flandern befand sich der Maschinenraum der Fabrik.


Auch die einstige Burgkapelle diente nach dem Mittelalter als Kerkerraum.


Im 1235 gegründeten Kleinen Beginenhof, dessen Gebäude und Straßen eine barocke Kirche umschließen. Die flämischen Beginenhöfe entstanden im Mittelalter in der Zeit der Kreuzzüge, wovon viele Männer nicht zurückkamen. Da Frauen nicht allein leben durften, sie nur Männer ihres jeweiligen Standes heiraten konnten und Klöster meist nur reiche oder adelige Frauen aufnahmen, entstanden die Beginenhöfe als frühe Wohngemeinschaften. Sie waren religiös geprägt, aber die Frauen waren keine Nonnen, legten kein Gelübde ab und konnten auch wieder ausziehen.


Der Bahnhof Sint Pietersstation wurde zur Weltausstellung in Gent 1913 prachtvoll errichtet. Charakteristisch sind der Uhrturm außen und die marmorverkleidete Halle mit Darstellungen belgischer Städte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen