Samstag, 11. April 2015

Deutschkreutz

10.4.2015

Im mittelburgenländischen Deutschkeutz wurde ein Fußballspiel besucht. Rund 3.100 Menschen leben hier.

Seit 1340 ist Deutschkreutz eine Marktgemeinde. 1619 wird der Ortsname erstmals als Nemeth Kereztur genannt. Die wortwörtliche ungarische Entsprechung des Namens Deutschkreutz Németkeresztúr wurde 1899 im Zuge der staatlichen Magyarisierungspolitik in Sopronkeresztúr geändert. Deutschkreutz war bis 1921 ein westungarischer Vorort der Stadt Sopron, seither verläuft die Staatsgrenze bald hinter dem Ortsrand.


Die katholische Pfarrkirche wurde 1419 erstmals erwähnt. Der heutige Bau stammt aus dem 18.Jh. und wurde 1928 sowie 1973/74 erweitert und umgebaut.


Das Elisabeth-Denkmal wurde 1901 errichtet. Es ist ein Zeugnis der damaligen Verehrung der ungarischen Königin und österreichischen Kaiserin Elisabeth in Ungarn. Franz Joseph selbst konnte man aufgrund seiner militärischen Unterdrückung der Revolution von 1848/49 in einem blutigen Krieg nicht so gut verehren. Die Inschriften sind obligatorisch ungarisch.


Storchennest


Eine Gedenktafel am Pfarrheim erinnert an die vielen Flüchtlinge des Wendejahres 1989, als die kommunistischen Regimes zusammenbrachen.


Das Schloss Deutschkreutz wurde 1492 als mittelalterliche Burg erwähnt, 1560 wurde es im Renaissancestil umgebaut. Die heutige Ansicht stammt im wesentlichen aus dem Umbau von 1625. Burg und Schloss waren Besitz der hier über Land und Menschen herrschenden Nádasdy. Nach der Hinrichtung Franz III. Nádasdy als Gegner des Habsburgerkönigs fiel die Herrschaft an die Esterházy. Das Schloss Deutschkreutz wurde zum landwirtschaftlichen Gutshof. Von 1945 bis 1955 nutze die sowjetische Armee das Schloss als Kaserne, wobei die alte Inneneinrichtung zerstört wurde. Nachdem die Gemeinde das Gebäude 1957 erworben hatte, ist es seit 1966 in Privatbesitz. Zugänglich ist es nur von Mai bis September.


1938 lebten hier 430 Jüdinnen und Juden. Von ihnen wurde Deutschkreutz Zelem genannt. Nach der Nazi-Machtübernahme am 12. März 1938 wurden angesehene Gemeindemitglieder verhaftet und in Oberpullendorf eingesperrt, Jüdinnen und Juden misshandelt und ihr Besitz geraubt. Anfang Mai 1938 hatten alle ihren Heimatort nach Wien zu verlassen. Manche wurden mit Lkws weggebracht. 81 Menschen wurden nachweislich in einem KZ ermordet. 154 konnten sich durch Flucht in andere Länder retten. Vom großen Rest weiß man nicht, wo sie geblieben sind.


Vor einem der letzten noch bestehenden einstigen jüdischen Häuser, dem Geburtshaus des Komponisten Karl Goldmark in der ehemaligen Judengasse, der heutigen Hauptstraße, wurde als einzige öffentliche Erinnerung an das jahrhundertelange jüdische Leben in Deutschkreutz erst 2012 und auf eine Privatinitiative von Michael Feyer aus Wien hin ein Denkmal errichtet.


Nach ihrer Vertreibung aus der Steiermark und Kärnten sowie aus Ödenburg/Sopron (1496 und 1526) ließen sich Jüdinnen und Juden in verschiedenen Ortschaften Westungarns nieder. Als 1670 Kaiser Leopold I. die Jüdinnen und Juden aus Wien, Niederösterreich und den ungarischen Grenzgebieten vertreiben ließ, wurde diesen vom Fürsten Esterházy gestattet, sich in seinen westungarischen Gebieten niederzulassen. Ziel war, die von jahrzehntelangen Kriegseinwirkungen verwüsteten Landstriche wiederzubeleben. Es entstanden die jüdischen Sieben Gemeinden (Schewa Kehillot) Eisenstadt, Mattersdorf, Lackenbach, Deutschkreutz, Kobersdorf, Frauenkirchen und Kittsee. Am Höhepunkt 1857 lebten 1.244 Jüdinnen und Juden in Deutschkreutz, 38% der Ortsbevölkerung. Ab 1860 durften sich Jüdinnen und Juden in Städten niederlassen und 1867 wurden alle gesetzlichen Diskriminierungen aufgehoben, sodass es zu einer Abwanderungsbewegung kam.


Das jüdische Viertel wurde von den Nazis systematisch abgetragen. Die 1834 errichtete Synagoge wurde 1941 gesprengt. Der massive Bau wurde mit 140 Sprenglöchern, dem Doppelten des Erlaubten, geladen, sodass der Tempel hoch in die Luft geschleudert wurde, bevor er zusammenbrach. Von einem durch die Luft geschleuderten Ziegelbruchstück wurde in der Gruppe der Schaulustigen eine 17-jährige Zuschauerin tödlich getroffen. Die Israelitische Kultusgemeinde bekam das Grundstück nach 1945 zurück, musste es aber in den 1950er Jahren verkaufen. Es entstand hier ein Konsum-Supermarkt, den es nunmehr aber auch nicht mehr gibt.


Der jüdische Friedhof wurde 1842 eröffnet. Gegen Kriegsende 1944/45 wurden die meisten Grabsteine entfernt und hauptsächlich zur Errichtung des sogenannten Ostwalls verwendet.


38 Grabsteine, die auf dem Wiener Zentralfriedhof zwischengelagert gewesen waren, wurden wieder aufgestellt. Zahlreiche Bruchstücke, die im Nikitscher Schlossgarten gefunden wurde, brachte man mosaikartig an der westlichen Friedhofsmauer an.


Die Gedenktafel erinnert an ein Massengrab von 284 Budapester Jüdinnen und Juden, die 1944/45 innerhalb von fünf Wochen in ihrem Lager am Areal des Schlosses Deutschkreutz an Erschöpfung und Krankheiten gestorben waren. Die Nazis hatten sie zum Bau des militärisch sinnlosen Ostwalls hierher verschleppt. Selbst wenn er fertiggebaut worden wäre, hätte er die sowjetischen Truppen nicht aufgehalten. Bei Deutschkreutz sollte ein Netz von Panzer- und Laufgräben entstehen. Hier wurden 5.000 Zwangsarbeiter aus dem Osten, 2000 ungarische Jüdinnen und Juden, Polen, Ukrainer und 30 französische Gefangene eingesetzt. Die ausgemergelten Menschen litten Hunger, hatten keine medizinische Versorgung und keinerlei Arbeitsschutz. Dazu wurden sie von ihren Wachmannschaften geprügelt und willkürlich umgebracht. Insgesamt kamen in und um Deutschkreutz 650 deportierte Jüdinnen und Juden ums Leben.

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