Freitag, 8. Oktober 2021

Kittsee

8.10.2021

Im burgenländischen Kittsee wurde ein Fußballspiel besucht. 3.400 Menschen leben hier.

Kittsee, damals ungarisch Köpcsény, war bis 1918 Teil der ungarischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie. Mit deren Zerfall wurde die Tschechoslowakei gegründet und mit der Grenzziehung dieses neuen Staats gegenüber Ungarn im Jahr 1919 der östliche Teil des Gemeindegebiets abgetrennt. Dieser kam zur Tschechoslowakei und ist heute als slowakisch Kopčany Teil des fünften Bezirks von Bratislava, Petržalka. 1921 kam Kittsee als Teil des neugeschaffenen Burgenlands von Ungarn nach Österreich. Es gibt hier heute zwei Grenzübergänge (Autobahn und Bundesstraße) nach Jarovce.


Aus dem Jahr 1924 ist der großflächige Anbau von Marillenbäumen in Kittsee erstmals dokumentiert. Heute gibt es in Kittsee 35.000 Marillienbäume, auf denen 700.000 kg Marillen wachsen.


Straßenszenen. Von der kroatischen Ansiedlung im kriegszerstörten Westungarn im 16.Jh. an war die Bevölkerung Kittsees bis ins 19.Jh. etwa zur Hälfte kroatisch und deutschsprachig, dann ging der kroatische Bevölkerungsanteil immer mehr im deutschen auf und verschwand in der zweiten Hälfte des 20.Jh. bis auf wenige Prozent, die heute hier noch kroatisch sprechen.


Das Alte Schloss. Aus den Einnahmen einer im 12.Jh. errichteten ungarischen Mautstation am Handelsweg zwischen Wien und Pressburg wurde eine Wasserburg zur Befestigung und Verteidigung der ungarischen Grenze gegen Österreich errichtet. 1270 wurde die Burg Kittsee von einem Heer des böhmischen Königs Przemysl Ottokar II. belagert, erobert und zerstört. Als militärischer Stützpunkt zur Überwachung der Maut wurde sie wiedererrichtet. Die Anlage diente später als Adelsresidenz, verlor aber mangels Ausbauten mit der Zeit ihre Kriegstauglichkeit. In den 1730er/40er Jahren erfolgte eine Instandsetzung. Der hintere Teil des Alten Schlosses wurde im Zweiten Weltkrieg durch einen Bombentreffer zum Großteil zerstört.


Der jüdische Friedhof. Kittsee war eine der Siebengemeinden, wo im Herrschaftsgebiet der ungarischen Fürsten Esterházy die 1670 unter Habsburgerkaiser Leopold I. in Wien beraubten und aus der Stadt vetriebenen Wiener Jüdinnen und Juden Zuflucht finden und ein neues Leben beginnen konnten. 1821 lebten in Kittsee 789 Jüdinnen und Juden und es bestand eine florierende Gemeinde. Im Zuge der Massenauswanderung aus dem armen Land aus wirtschaftlichen Gründen in der zweiten Hälfte des 19.Jh. sank ihre Zahl stark. Zur Zeit der Machtübernahme der Nazis 1938 lebten 51 Jüdinnen und Juden in Kittsee. Mitte April 1938 wurden sie gemeinsam mit den in Pama Lebenden von burgenländischen Nazis und Nachbarn in der Nacht aus ihren Häusern geholt, ausgeraubt, auf eine Sandinsel in der Donau gebracht und dort ausgesetzt. Am nächsten Morgen wurden sie bemerkt, von der tschechoslowakischen Militärpolizei abgeholt und nach Ungarn abgeschoben. Ungarn schob sie wiederum in das Deutsche Reich in die Hände der Nazis ab, die deutschen Behörden wiederum erneut in die Tschechoslowakei. Schließlich gelang es einer Hilfsorganisation nach tagelanger solcher Quälerei der Menschen, sie auf einem französischen Schiff vor Bratislava unterzubringen. Vier Monate mussten sie am Schiff ausharren bevor sie eine Aufenthaltsberechtigung als Flüchtlinge in der Tschechoslowakei bekamen. Dort wurden sie nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht großteils von den Nazis im Holocaust ermordet.


Die jüdische Synagoge wurde nach der Vertreibung und Ermordung der Kittseer Jüdinnen und Juden durch die Nazis später 1950 abgerissen und der Platz als Baugrund verkauft. Zum Gedenken an das ehemalige Gebäude wurde 2008 eine Tafel an der Gartenmauer des heute hier befindlichen Wohnhauses angebracht.


Straßenszene


Die Kittseer katholische Pfarrkirche wurde 1948 bis 1952 in altertümlichem Baustil neu errichtet, nachdem die barocke alte Kirche im Zweiten Weltkrieg am 2. April 1945 von der deutschen Wehrmacht im Zuge ihres Rückzugs gesprengt worden war.


Prominentester Schlossherr und adeliger Herrscher über seine mit ihrer Arbeit das adlige Leben finanzierenden Untertanen war Ladislaus Batthyány-Strattmann. Als Augenarzt behandelte er mittellose Patienten gratis, ließ ein Krankenhaus in Kittsee bauen und verschenkte Geld als Almosen an Bedürftige. Er lebte in Kittsee bis er nach dem Anschluss des Burgenlands an Österreich 1921 auf seine ungarischen Besitzungen in Körmend übersiedelte. An ihn erinnern die Benennung des Kittseer Krankenhauses und ein Denkmal am Dr.-Ladislaus-Batthyány-Strattmann-Platz. 2003 wurde Ladislaus Batthyány-Strattmann von der katholischen Kirche wegen seines Wirkens seliggesprochen. Ein Leichenteil wurde aus seinem Grab in Güssing in die Kittseer Kirche gebracht, damit es hier als Reliquie angebetet werden kann.


Das Neue Schloss ließen sich die Esterházy in den 1730er/40er Jahren durch einen Umbau eines alten Meierhofs im zu einem Barockschloss errichten. 1870 kam Kittsee unter die Herrschaft der Batthyány-Das Gebäude war bis zum Ende des 19. Jh. von einem Wassergraben und wehrhaften Mauern mit Basteien umgeben. Von den vier Eckbastionen des 17. Jh. hat sich von einer das Mauerwerk noch erhalten. Das Parktor diente zuvor bei der Weltausstellung in Paris von 1900 als Portal zum österreichisch-ungarischen Pavillon.


Die 1949 in Wien als Konditorei gegründete Firma Hauswirth betreibt seit den 1960er Jahren in Kittsee eine Schokoladenfabrik. Im schönen Altbau der sogenannten Schoko-Csárda (csárda heißt Landgasthaus) neben dem Fabriksgebäude gibt es einen Fabriksverkauf der Produkte. Im österreichisch-slowakisch-ungarischen Dreiländereck sind die Beschriftungen hier dreisprachig.

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