Mittwoch, 13. Oktober 2021

Berndorf

13.10.2021

In Berndorf im niederösterreichischen Industrieviertel wurde ein Fußballspiel besucht. 9.076 Menschen leben in der aus Berndorf Stadt, Veitsau, Kolonie, St. Veit an der Triesting, Steinhof und Ödlitz bestehenden Stadtgemeinde Berndorf.

Bahnhof. Das Stationsgebäude der Leobersdorfer Bahn wurde 1888 errichtet.


In der ehemaligen Wurstfabrik kann man im, an Donnerstagen und Wochenenden geöffneten, krupp stadt museum etwas über die Geschichte der Stadt erfahren. Im 18.Jh. begann mit der Ansiedlung von metallverarbeitendem Gewerbe ein neues Zeitalter für das bis dahin unscheinbare Triestingtaler Dorf Berndorf. Im 19.Jh. lebte die Bevölkerung bereits hauptsächlich von der Arbeit in der Metallindustrie. Es gab um 1844 50 Häuser mit 180 Einwohnerinnen und Einwohnern, als der Betrieb von Alexander Schoeller und Hermann Krupp die Besteckerzeugung mit 50 Arbeiterinnen und Arbeitern begann. Diese Firma entwickelte sich später unter Arthur Krupp zu einem Weltkonzern mit 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Familienmitglied Alfred Krupp wurde 1848/49 alleiniger Eigentümer des deutschen Unternehmens, das ab 1850 mit Stahlproduktion für die Eisenbahn und mit Waffen im Ruhrgebiet einen großen Aufschwung erlebte. Krupp war dort einer der größten Profiteure von Erstem und Zweitem Weltkrieg und Großfinanzier der Bekämpfung von politischen Mitwirkungsrechten von Arbeiterinnen und Arbeitern sowie von Hitler und den Nazis. In Berndorf wurden neben Besteck 1848 bis 1856 für die Kriege der Habsburger und für den Export auch Säbel und Bajonette zum Töten von Menschen produziert. Die gesamte Entwicklung Berndorfs ist eng mit der Geschichte der Krupp verbunden. 1866 wurde Berndorf zur Marktgemeinde und 1900 zur Stadt erhoben. Damals lebten in Berndorf 4.300 Menschen. Krupp beschäftigte hier zu diesem Zeitpunkt 3.500 Menschen.


Arthur-Krupp-Platz mit Krupp-Wohnsiedlung Cottagehäuser. Arthur Krupp sorgte für vergleichsweises Wohlergehen seiner Beschäftigten im Rahmen seiner gesellschaftspolitischen Vorstellungen einer patriarchalischen Gemeinschaft, in welcher der Fabriksherr für seine Untergebenen sorgt, wofür diese ihm Unterordnung schulden (und keineswegs Rechte haben). Krupp sah ein Arbeitsverhältnis als ein hierarchisches Loyalitätsverhältnis. Von der Firmenleitung unabhängige Betriebsräte und sozialdemokratische Gewerkschaftsorganisation waren im Berndorfer Kruppbetrieben bis zum Zusammenbruch der Monarchie und Gründung der Republik 1918 verboten. Stattdessen gründete Krupp einen werkseigenen Arbeiter Fortbildungsverein und „gelbe“ Arbeitnehmervertreter, welche die Wünsche der Firmenleitung in der Belegschaft zu vermitteln hatten. Der Unterdrückung ihrer Rechte folgten im Zuge der österreichischen Revolution 1918/19 am sogenannten „Schwarzen Aschermittwoch“ 1919 gewaltätige Ausschreitungen von unzufriedenen Arbeitern gegen einige sie drangsalierende Vorgesetzte. Die Arbeiter erzwangen schließlich deren Entlassung. Mitte Juni 1919 streikten die Berndorfer Arbeiterinnen und Arbeiter, parallel zu einer Arbeitsniederlegung in Hirtenberg, und im September 1919 folgten weitere Unmutsbekundungen und Ausschreitungen von Arbeitern angesichts großer Unzurfriedenheit mit ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation.


Das Ensemble der Kruppschen Werkssiedlung Margaretenplatz umfasst die neobarocke Pfarrkirche Berndorf (erbaut 1910–1917 nach dem exakten Vorbild der Wiener Peterskirche) flankiert von den Berndorfer Schulen (1908/09) und umrandet von der Konsumanstalt (1917/18), dem Krupp-Kasino (1918), dem Direktorenhaus am Ende der Kruppstraße (1910) und dem Pfarrhaus (1916/17).


Die 1909 eröffneten, von der Stadtgemeinde und Krupp finanzierten Berndorfer Schulen (heute Volks- und Hauptschule, damals wie üblich streng geschlechtergetrennt Buben- und Mädchenschule). Die Klassenräume sind in prächtiger Art und Weise in unterschiedlichen Baustilen gestaltet, was bereits Teil eines herausstechenden historischen und geographischen Bildungsprogramms war (Berndorfer Stilklassen). An Wochenenden wären die Klassenräume zu besichtigen.


Zur Unterstützung der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg ließ Arthur Krupp die Holzfigur des „Wehrbären“ nach einem Entwurf von Otto Jarl in Tiroler Holzschnitzkunst in Gröden schnitzen. Ab dem 18. August 1915, dem Geburtstag Kaiser Franz Josephs, durften Berndorferinnen und Berndorfer gegen Zahlung von zehn Hellern für das Kriegshilfwerk Eisennägel einschlagen. In wenigen Monaten war vom Holz nichts mehr zu sehen und der Bär wurde als Werbung für den Krieg aufgestellt.


Straßenszenen


Das Rathaus wurde 1882/83 erbaut.


Im 1878 als Volksschule eröffneten Gebäude ist heute die Polizei untergebracht.


Das Stadttheater Berndorf ließ Krupp 1898 vom nach Plänen des in halb Europa tätigen, berühmten Wiener Theaterarchitektenbüro Fellner & Helmer erbauen. 1899 wurde es als nach ihm benanntes Theater von Kaiser Franz Joseph eröffnet, was den Stellenwert der Krupp für die Habsburgermonarchie zeigt.


Büste von Arthur Krupp im Theaterpark. Nach der Machtübernahme der Nazis 1938 wurde die österreichische Firma Arthur Krupp dem deutschen Kruppkonzern eingegliedert und produzierte Kriegsgüter für den Krieg der Nazis. Nach Kriegsende wurde die Metallwarenfabrik von der sowjetischen Armee als deutsches Eigentum beschlagnahmt und in ihre USIA-Betriebe eingegliedert. Mach dem Staatsvertrag 1955 wurde sie dem österreichischen Staat übergeben und mit den Vereinigten Aluminiumwerke Ranshofen (VAW) zur Vereinigte Metallwerke Ranshofen Berndorf AG (VMW) bzw. Austria Metall AG (AMAG) fusioniert. 1984 wurde Berndorf wieder aus dem VMW-Konzern ausgegliedert und 1988 separat durch Verkauf an die Manager als Berndorf AG privatisiert.


Büste des von Krupp hauptsächlich für den Bau der Stadt engagierten Baumeisters Baumann


Die 1881 bis 1883 in neogotischem Stil erbaute katholische Marienkirche.


Werkssiedlung Wiedenbrunn. Zur Unterbringung der für die Industrieproduktion benötigten Arbeitskräfte ließ Krupp die Stadtviertel Wiedenbrunn und Margareten in Berndorf als Werkssiedlungen im Eigentum des Unternehmens errichten, zwischen 1880 und 1918 insgesamt 260 Häuser mit über 1.100 Wohnungen.


Die Stadtgemeinde Berndorf ließ unter dem sozialdemokratischen Bürgermeister Karl Kieslinger, der die ganze Zeit der demokratischen Ersten Republik über regierte (1918 bis 1933), 1927/28 nach Vorbild des Roten Wien den Viktor-Adler-Hof als moderne Wohnbauanlage errichten. Die Stadt trat als demokratische Kommune anstelle des autokratischen Wohltäters Krupps als Finanzier sozialer Projekte.

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