6.9.2019
Im südburgenländischen Güssing (ungarisch Németújvár, kroatisch Novigrad) wurde ein Fußballspiel besucht. 3.700 Menschen leben in der aus sechs Ortschaften bestehenden Stadtgemeinde Güssing. In der Kernstadt Güssing selbst sind es 2.700.
Die ab dem 12.Jh. errichtete Burg Güssing steht auf dem steilen Hügel eines erloschenen Vulkanbergs. Die Burg war Teil eines Gürtels von ungarischen Grenzburgen in jener von Kriegen geprägten Zeit des Mittelalters. 1242 wird die Burg gegen einen mongolischen Angriff erfolgreich verteidigt, 1289 aber im Krieg der Güssinger Fehde von einem Heer des Habsburgerherzogs Albrecht blutig erobert. 1459 versammelten sich hier mit dem ungarischen König Matthias Corvinus unzufriedene Magnaten (ungarische Adelige) und beschlossen, statt ihm den Habsburger-Kaiser Friedrich III. fortan als ihren König zu betrachten. Der Güssinger Burgherr schlug sich später aber wieder auf die Seite von Matthias Corvinus. 1522 erhielten die ungarischen Adeligen Battyány die Burg samt Herrschaft vom ungarischen König. Sie ließen sie in der wiederum von vielen Kriegen geprägten Zeit des 16. und 17.Jh zur mächtigen Festung ausbauen. Der mittelalterliche Bergfried wurde umgebaut und erhielt seine heutige, kirchturmartige Form. Nach dem Verlust ihrer militärischen Bedeutung im 18.Jh., nach der habsburgischen Inbesitznahme ganz Ungarns, ließ man die Burg zur Ruine verfallen. Im 19.Jh. begann man mit Erhaltungsmaßnahmen.
Ausblicke vom Burgberg
Herunten in der Stadt: Das Franziskanerkloster wurde im 17.Jh. anstelle eines älteren, verlassenen und zerstörten Klosterbaus errichtet. Es war gleichzeitig eine Eckbastion der Stadtmauer. Die Klosterkirche wurde um 1638 gebaut. Bemerkenswert ist eine wertvolle Bibliothek mit vielen Unikaten aus der Zeit des Protestantismus. Unter der Kirche befindet sich die Familiengruft der Batthyány, die jahrhundertelang über die hier lebenden Menschen herrschten.
Ladislaus Batthyány-Strattmann (1870–1931) war ein berühmter Augenarzt, der im Batthyány-Schloss im damals ungarischen Kittsee lebte und Kranke kostenlos behandelte. Nach dem Anschluss des Burgenlands an Österreich 1921 übersiedelte er in das Batthyány-Schloss von Körmend. Da er als Arzt Arme behandelte ohne von ihnen Geld zu verlangen und Spitäler betrieb, wurde er von der katholischen Kirche 2003 seliggesprochen und darf daher katholisch angebetet werden. Er ist in der Familiengruft der Batthyány in Güssing begraben.
Im 16. und 17.Jh. ließen die Herrscher der Batthyány-Familie Wissenschaftler in Güssing frei arbeiten, darunter den Botaniker Carolus Clusius (lateinischer Name, ursprünglich französisch Charles de l’Écluse). Er stammte aus Flandern, hatte in Paris studiert und war von 1573 bis 1576 Hofbotaniker bei Kaiser Maximilian II. am Hof in Wien gewesen. 1576 ließ dessen Nachfolger Rudolf II. aber in katholisch-religiösem Fanatismus alle Hofbedienstenen mit protestanischem Glauben hinauswerfen. Bei Batthyány fand er Zuflucht und konnte weiter arbeiten. Seine Forschungen und Werke über die Pflanzen in Österreich und Ungarn blieben für mehr als hunderte Jahre maßgebend. Clusius förderte die Verbreitung exotischer Nahrungs- und Zierpflanzen, so wurden wegen ihm u.a. Rosskastanie (1576), Tulpe und Erdäpfel (1588) eingeführt. 1587 ging er nach Frankfurt am Main und später nach Leiden.
1619 wurde eine Stadtmauer zur Verteidigung der Stadt in Kriegen rings um die Stadt gebaut.
Die Stadt Güssing entstand im Mittelalter zu Füßen des Burgbergs mit der Burg Güssing. Seit dem 16.Jh war Güssing eine freie Stadt. Güssing war mit dem übrigen heutigen Burgenland bis 1921 ein Jahrtausend lang ein Teil Ungarns. Ab 1898 musste aufgrund der Magyarisierungspolitik der ungarischen Regierung wie im ganzen Land verpflichtend der ungarische Ortsname verwendet werden, Németújvár („Deutsch-Neuburg“).
An der Stelle des heutigen Rathauses stand die jüdische Synagoge. Nach der NS-Machtergreifung wurde sie von Güssinger Nazis geplündert und zur Festhalle umgebaut. In der Nachkriegszeit wurde das historische Gebäude 1953 abgerissen. Heute erinnert eine Gedenktafel an die vertriebenen und ermordeten Güssinger Jüdinnen und Juden.
Die Jüdische Gemeinde Güssing entwickelte sich als eine von fünf jüdischen Gemeinden unter dem Schutz der Magnatenfamilie Batthyány in deren Herrschaftsbereich (neben Güssing noch Rechnitz, Schlaining, Körmend und Groß-Kanisza bzw. Nagykanizsa). Die Batthyánys hoben seit 1684 von diesen eine Judensteuer als Sondersteuer ein, und gewährten dafür Schutz vor Gewalt und Verfolgung durch die christliche Bevölkerung oder staatliche Behörden. 1859 lebten am Höhepunkt 766 Jüdinnen und Juden in Güssing. Nachdem Jüdinnen und Juden nach 1867 zu gleichberechtigten Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern wurden und sich auch anderswo ansiedeln konnten, schrumpfte die Gemeinde. 1938 lebten hier noch 75 jüdische Güssingerinnen und Güssinger. Nach der NS-Machtergreifung wurden sie von Güssinger Nazis angegriffen und misshandelt. Man vertrieb sie in Deportationen teilweise nach Wien oder setzte sie ausgeplündert an der Grenze zu Ungarn und Jugoslawien aus. Da beide Staaten ihre Grenzen für Flüchtlinge schlossen und die Verfolgten und Vertriebenen nicht aufnehmen wollten, mussten sie tage- bis wochenlang im Niemandsland zwischen den Staaten elend vegetieren.
Der jüdische Friedhof. In der NS-Zeit verwüsteten Güssinger Nazis 1939 den Friedhof, rissen alle Grabsteine um und verkauften sie als Rohmaterial an einen Steinmetz. 2001 wurden einige Grabsteine in Graz wiederentdeckt und symbolisch wiederaufgestellt.
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