Samstag, 30. November 2019

Sarajevo

30.11.2019

In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo wurde ein Fußballspiel besucht. 275.000 Menschen leben hier.

Die Lateinerbrücke (Latinska ćuprija/Латинска ћуприја) ist eine osmanische Steinbogenbrücke über den Fluss Miljacka. Zu Zeiten Jugoslawiens war sie nach Gavrilo Princip benannt, der als serbischer Nationalist am 28. Juni 1914 am Nordende der Brücke den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und vorher noch dessen schwangere Frau Sophie ermordete. Das von der Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“ geplante und nach einer Abfolge unvorhergesehener Ereignisse doch noch geglückte Attentat löste die Julikrise 1914 aus, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führte. 1541 wurde erstmals eine Brücke an dieser Stelle erwähnt, die vermutlich aus Holz erbaut war. 1565 ist der Bau einer Steinbrücke an dieser Stelle erwähnt. Der Name „Lateinerbrücke“ kommt daher, dass die Brücke die kürzeste Verbindung zwischen der römisch-katholischen Kathedrale in der Innenstadt und dem früher überwiegend katholisch bewohnten und daher als „Latinluk“ bezeichneten Viertel links des Flusses darstellt.


Das Gebäude Vijecnica wurde 1891 bis 1896 errichtet und war in österreichisch-ungarischer Zeit das Rathaus der Stadt. In Jugoslawien wurde hier 1945 die Nationalbibliothek von Bosnien und Herzegowina eingerichtet. Da das Gebäude somit ein Symbol für den bosnischen Gesamtstaat war, wurde es in der Nacht von 25. auf 26. August von der bosnisch-serbischen Armee in Brand geschossen, wobei der Großteil der unwiederbringlichen Bibliotheks- und Archivbestände zur bosnischen Geschichte verbrannte. Nach Kriegsende wurde das ausgebrannte Gebäude wiederaufgebaut.


Straßenszene. Im Jahr 1238/39 wurde in einer Urkunde des kroatisch-ungarischen Königs Béla IV. in Zusammenhang mit dem Bau der Sankt-Peter-Kathedrale hier erstmals eine slawische Siedlung namens Vrhbosna erwähnt. Ab 1463 erfolgte mit dem Beginn der osmanischen Herrschaft unter Isa-Beg Isaković, einem zum Islam übergetretenen Bosnier, der Ausbau der Stadt. Gegen Ende des 15.Jh. hatte ein türkischer Statthalter sein Domizil am Ufer der Miljacka aufgeschlagen. Nach jenem Saray (türkisches Wort für Palast) wurde wenig später die wachsende Stadt Sarajevo benannt.


Die Kaisermoschee (bosnisch Careva džamija) aus dem Jahr 1566 geht auf einen vielleicht in den 1460er Jahren entstandenen Vorgängerbau zurück, der wahrscheinlich Anfang der 1560er Jahre in einem Krieg zerstört und neu gebaut wurde. Im Zweiten Weltkrieg und im Bosnienkrieg 1992 bis 1995 wurde die Moschee beschädigt und anschließend renoviert.


Straßenszenen. Im Zuge des Großen Kriegs zwischen der Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich von 1693 bis 1697 ließ der österreichische Feldherr Prinz Eugen von Savoyen die unbefestigte Stadt Sarajevo angreifen. Die österreichischen Soldaten brannten die Stadt Haus für Haus nieder, plünderten sie, töteten die Einwohnerinnen und Einwohner in großer Zahl und verschleppten Frauen und Kinder als Kriegsbeute. Zwei Jahrhunderte später besetzte 1878 die Armee von Österreich-Ungarn das bis dahin osmanische Bosnien-Herzegowina, um zu verhindern, dass sich mit den unabhängigen Staaten Serbien und Montenegro ein größerer slawischer Staat bilden könnte. Die Bevölkerung des Landes war damit ganz und gar nicht einverstanden und vor allem aus der serbischen und muslimischen Bevölkerungsmehrheit wurde den einmarschierenden Soldaten militärischer Widerstand entgegengesetzt. Von Juli bis Oktober dauerte der Krieg, in dem tausend österreichisch-ungarische Soldaten getötet und 4.000 verwundet wurden. Sarajevo wurde am 1. August 1878 nach Artilleriebeschuss in heftigen Straßenkämpfen erobert, wobei sich die Stadtbevölkerung mit Guerillataktik wehrte. Unter den den 13.000 österreichisch-ungarischen Soldaten gab es 57 Tote und 314 Verwundete, im bosnischen Widerstand laut österreichisch-ungarischem Generalstabswerk mehr als 300 Tote. Zivile Opfer der Stadtbevölkerung zählten sie nicht. Nach der erfolgten Eroberung erhenkten und erschossen die österreichisch-ungarischen Soldaten mehrere Tage lang die kriegsgefangenen Bosnier.


Die aschkenasische Synagoge wurde 1902 eröffnet. Die jüdische Geschichte Sarajevos geht bis in das 16.Jh. zurück, als die nach der christlichen Eroberung der ganzen iberischen Halbinsel 1492 aus dem katholischen Spanien vertriebenen Jüdinnen und Juden im osmanischen Reich und u.a. auch hier Zuflucht fanden. Sie werden als sephardische Jüdinnen und Juden bezeichnet. In der österreichisch-ungarischen Zeit kamen auch Aschkenasim (nord-, mittel- und osteuropäische Jüdinnen und Juden) nach Sarajevo und ließen die vom tschechischen Architekten Karel Pařík geplante Synagoge errichten. Die von den Sephardim 1932 eröffnete eigene Synagoge wurde von deutschen und kroatischen Soldaten 1941 zerstört. Heute wird diese Synagoge von den Aschkenasim und Sephardim gemeinsam genutzt. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten 14.000 Jüdinnen und Juden in Bosnien und Herzegowina, davon 10.000 in Sarajevo (zehn Prozent der Stadtbevölkerung). Der faschistische kroatische Staat, der Bosnien nach der deutschen Angriff auf Jugoslawien im Weltkrieg beherrschte, ließ rund 10.000 Jüdinnen und Juden im ganzen Land ermorden.


Straßenszene


Die serbisch-orthodoxe Mariä-Geburt-Kathedrale (Саборна Црква Рођења Пресвете Богородице, Saborna Crkva Rođenja Presvete Bogorodice) wurde 1859 bis 1874 im Stadtzentrum errichtet und ist eine der größten orthodoxen Kirchen des Balkans. Damals gehörten Stadt und Land noch zum Osmanischen Reich. Im Friedensschluss zur Beendigung des Krimkriegs von 1853 bis 1856 zwischen dem Osmanischen Reich und Frankreich, Großbritannien und Sardinien auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seiten mit seiner halben Million Toten wurde die religiöse Gleichstellung christlicher Religionen vereinbart, was den Kirchenbau förderte. Bei antiserbischen Demonstrationen und Gewaltattacken nach dem Attentat 1914 wurde der Bischofssitz beschädigt und auch vor der Kathedrale demonstriert. Nach der deutsch-kroatischen Besetzung der Stadt im Zweiten Weltkrieg 1941 verbot die kroatische Ustaša die serbisch-orthodoxe Kirche. Der Bischof wurde verhaftet, nach Zagreb gebracht und wahrscheinlich im kroatischen KZ Jasenovac ermordet. Alle serbisch-orthodoxen Geistlichen, welche die kroatischen Faschisten finden konnten, wurden in KZ gebracht und dort ermordet. Nur wenige orthodoxe Priester in Sarajevo überlebten die Zeit unter kroatisch-faschistischer Herrschaft 1941 bis 1945. Die Kathedrale wurde schwer beschädigt und musste nach dem Krieg renoviert werden. Während des Bosnienkrieges und der Belagerung von Sarajevo wurde die Kathedrale erneut schwer beschädigt. Gottesdienste fanden von 1992 bis 1996 nicht statt. Der im muslimischen Teil der serbisch belagerten Stadt liegende Metropolitensitz, der sich unweit der Kathedrale befindet, wurde 1992 bombardiert und ausgeraubt. Die historisch wertvolle Bibliothek und das historische Archiv wurden in einem Brand zerstört. Während des Krieges floh ein großer Teil der orthodoxen serbischen Bevölkerung aus Sarajevo und kam wiederum in Gebiete, die zuvor von Truppen der bosnischen Serben mit Mord und Vergewaltigung ihrerseits „ethnisch gesäubert“ worden waren, wie man das nannte.


Der überdachte alte Basar aus osmanischer Zeit, Gazi-Husrev Beg Bezistan.


Straßenszenen im Basarviertel


Die 1537 eröffnete islamische Schule Kuršumlija Medresa.


Die Gazi-Husrev-Beg-Moschee (Husrev-Begova džamija), verkürzt auch Begova-Moschee (Begova džamija) von 1530/31 (Bauinschrift), ist eine der ältesten Moscheen Bosnien und Herzegowinas. Wie andere Kulturbauten war die Moschee eines der Hauptziele der serbischen Bombardierungen im Bosnienkrieg 1992 bis 1996 und wurde anschließend umfangreich renoviert.


1984 fanden die Olympischen Winterspiele in Sarajevo statt.


Straßenszene. Jahrhundertelang war Sarajevo für seine traditionell gemischt-religiöse Bevölkerung bekannt. So stehen hier Moscheen, Kirchen verschiedener Konfessionen und Synagogen nicht weit voneinander entfernt. Bei der Volkszählung 1991 bezeichneten sich 51% der Bevölkerung Sarajevos als muslimisch, 26% als serbisch, 13% als jugoslawisch und 7% als kroatisch. Zu Beginn des Krieges flohen die meisten serbischen und kroatischen Einwohnerinnen und Einwohner aus der Stadt. Der Südosteil der Stadt ist seit dem Friedensschluss auch offiziell Teil als Istočno Sarajevo Teil des serbischen Teilstaats Republika Srpska des Gesamtstaats Bosnien-Herzegovina. Im heutigen bosnischen Teil der Stadt sind 81% muslimisch, 5% kroatisch, 4% serbisch und 8% andere (z.B. Angabe einer ethnisch neutralen Zugehörigkeit).


Die katholische Herz-Jesu-Kathedrale (Katedrala Srca Isusova) wurde 1884 bis 1889 unter österreich-ungarischer Herrschaft für das neu gegründete römisch-katholische Erzbistum Sarajevo erbaut. Im Bosnienkrieg von 1992 bis 1996 wurde die Kirche beschädigt. Die neoromanischen Türme sind als Wahrzeichen der Stadt auf der Flagge und dem Wappen des Kantons Sarajevo abgebildet.


Straßenszenen


Die Ewige Flamme (Vječna vatra) ist ein Denkmal, das nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde, um verlorenen Leben zu gedenken. Einschusslöcher aus dem Krieg 1992-1995 sind in der Inschrift des Denkmals noch heute zu sehen, obwohl das dahinterliegende Gebäude restauriert wurde.


Während des Bosnienkriegs von 1992 bis 1995 war Sarajevo in einen von der Regierung Bosnien und Herzegowina kontrollierten bosniakisch-kroatischen und einen von der Republika Srpska kontrollierten serbischen Teil geteilt. Der von den Regierungstruppen kontrollierte Teil, zu dem unter anderem das Stadtzentrum und die Altstadt gehörten, wurde 1.425 Tage lang von den serbischen Truppen belagert und mit Artillerie beschossen. Während der Belagerung schlugen täglich durchschnittlich 329 Granaten in Sarajevo ein. Der Höchstwert von 3.777 Granateneinschlägen wurde am 22. Juli 1993 verzeichnet. 10.615 Menschen wurden getötet und rund 50.000 Menschen teilweise schwer verletzt. Grünanlagen sind auch heute noch mit Grabsteinen voll, denn die Parks dienten in der Zeit der Belagerung als Friedhöfe. Aufenthalt im Freien und damit sowohl die Bergung von Toten auf der Straße als auch Begräbnisse selbst waren lebensgefährlich und forderten oft weitere Opfer.


Denkmal für die in der Belagerung durch Granatenbeschuss oder durch Schüsse getöteten 1.601 Kinder.


Am Markt am Markale-Platz (Pijaca Markale) konnte sich in den 1990er Jahren die belagerte Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen. Am 5. Februar 1994 schossen die Belagerer auf die Menschenmenge eine Artilleriegranate, die 68 Zivilistinnen und Zivilisten tötete und 144 verletzte. Ein zweiter direkter Granatenbeschuss am 28. August tötete 37 Marktbesucherinnen und -besucher und verletzte 90 Menschen. Vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wurden die beiden serbischen Befehlshaber für die beiden Massenmorde 2003 und 2007 zu lebenslänglicher bzw. 33-jähriger Haftstrafe verurteilt. Mit sogenannten Rosen von Sarajevo (Sarajevske ruže) aus roter Farbe werden hier wie anderswo in der Stadt Orte markiert, wo beim Artilleriebeschuss besonders viele Menschen getötet wurde.


Einschusslöcher auf Hauswänden und Schilder von hier im Krieg von 1992 bis 1995 Getöteten findet man an vielen Ecken der Stadt.


Scharfschützen auf Hausdächern und umliegenden Bergen schossen während der Belagerung 1992 bis 1995 auf die auf den Straßen zu sehenden Menschen. Laut vom Internationalen Strafgerichtshof gesammelten Daten töteten die Heckenschützen allein im Zeitraum zwischen dem 10. September 1992 und dem 10. August 1994 253 Zivilistinnen und Zivilisten und 406 Soldaten. Unter den Getöteten befanden sich über 60 Kinder. Im selben Zeitraum wurden 1.296 Zivilistinnen und Zivilisten und 1.815 Soldaten durch Schüsse der Scharfschützen verletzt. Zu den Opfern zählten nicht nur einheimische Männer, Frauen und Kinder, sondern auch Journalisten, Angehörige von Hilfs- und Rettungsorganisationen sowie UN-Soldaten. Besonders der Bereich um das Hotel Holiday-Inn (das heute gelbe Hotel im Hintergrund), das die Herberge zahlreicher Kriegsberichterstatter und Journalisten war, war eine „Todeszone“.


Das Parlamentsgebäude wurde im Bosnienkrieg zerschossen und brannte aus und war in diesem Zustand damals oft im Fernsehen in TV-Kriegsberichten zu sehen.


In einem beschlagnahmten Haus, Villa Luburić genannt, richteten die faschististischen kroatischen Ustascha nach der Besetzung der Stadt 1941 ihr Hauptquartier ein. Von Mitte Februar 1945 bis zur Befreiung der Stadt durch die jugoslawischen Partisanen am 6. April 1945 wurden hunderte Serbinnen und Serben sowie Jüdinnen und Juden von den faschistischen Ustascha eingesperrt, gefoltert und ermordet. Zumindest 323 Menschen wurde hier umgebracht. Unter militärischem Druck der Partisanen hängten die kroatischen Ustascha 55 Ermordete an Bäumen in der Stadt verteilt auf, um der Bevölkerung Angst und Schrecken vor ihrer Ermordung einzujagen, wenn sie die Partisanen unterstützten. Nach der Befreiung Sarajevos wurden zahlreiche weitere Leichen aus dem Garten des Lagers exhumiert. Bald darauf wurde das Gebäude in eine Gedenkstätte umfunktioniert. Anfang der 1970er wurde es abgerissen. Bis zum Ende Jugoslawiens wurde hier jährlich eine Gedenkfeier für die Gefolterten und Ermordeten abgehalten. Heute erinnert ein Gedenkstein an die Verbrechen.

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