14.5.2016
In der südwestdeutschen Stadt Stuttgart, Landeshauptstadt des 1952 gebildeten deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, wurde ein Fußballspiel besucht. 612.000 Menschen leben hier.
Der Stuttgarter Hauptbahnhof wurde zwischen 1914 und 1922 errichtet, der Bau verzögerte sich durch den Ersten Weltkrieg. Blickfang ist der Uhrturm mit rotierendem großen Mercedes-Stern an der Spitze.
Im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 wird der Kopfbahnhof durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ersetzt. Neben dem Bahnhofsgebäude mit dem Uhrturm entsteht eine neue Bahnhofshalle. 2010 gab es Großdemonstrationen mit mehreren zehntausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegen das große Bauprojekt. Bei der Räumung eines besetzten Parks durch Polizeigewalt gab es über hundert Verletzte, ein alter Mann erblindete fast vollständig durch Wasserwerfervolltreffer in seine Augen. Mit einem Schlichtungsverfahren und einer Volksabstimmung wurde der Konflikt beigelegt. Ein Proteststand besteht heute auch noch
Das barocke Neue Schloss wurde zwischen 1746 und 1807 errichtet und war bis 1918 Amtssitz des württembergischen Königs. Ab 1495 war Stuttgart Residenzstadt der Herzöge von Württemberg, ab 1806 Hauptstadt des Königreichs Württemberg. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss 1944 durch Bombentreffer bis auf die Außenfassade nahezu völlig zerstört. In der Nachkriegszeit wurde lange um den Wiederaufbau gestritten. Ein Abriss der Ruine schien anzustehen. Erst 1957 beschloss der Landtag von Baden-Württemberg, mit nur einer Stimme Mehrheit, den Wiederaufbau. Dabei wurde zwischen 1958 und 1964 nur ein Teil des Corps de Logis rekonstruiert. Heute wird das Neue Schloss von der baden-württembergischen Landesregierung genutzt.
Das Alte Schloss geht auf eine Wasserburg aus dem 10.Jh. zurück. Im 14.Jh. wurde die Burg Hauptsitz der Grafen Württembergs und der Hofkammer. Von 1553 bis 1578 ließen die nunmehrigen Württemberger Herzöge die Anlage zu einem Renaissance-Schloss für sich ausbauen. 1931 brannte ein Teil des Schlosses aus. Noch bevor der Wiederaufbau abgeschlossen werden konnte, wurde das Schloss im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Der Wiederaufbau dauerte bis 1971.
1970 wurde das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus vor dem Alten Schloss errichtet. Der Bildhauer Elmar Daucher setzte das Denkmal aus vier schwarzen Steinquadern zusammen. Auf einer schwarzen Granitplatte inmitten der Steine ist ein Text von Ernst Bloch zu lesen, der in Niemals wieder kumliniert. Dem Geruch nach zu Urteilen diente das Innere der Gedenkstätte jemandem als Toilette.
2008 wurde drei Skulpturen des Bildhauers Alfred Hrdlicka vor dem Alten Schloss, am Stauffenberg-Platz, aufgestellt.
2006 wurde im Archivbau des Alten Schlosses die Stauffenberg-Erinnerungsstätte eingerichtet, die an das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erinnert. Im Alten Schloss hatten die Brüder Berthold und Claus Schenk Graf von Stauffenberg ihre Kindheit und Jugend verbracht. Die Ausstellung zeichnet mit wenigen Schaustücken ihren Lebensweg nach. Das Ausmaß der NS-Verbrechen, das zum Attentat motivierte, kommt nur als Hintergrund vor. Dafür ist die Nachkriegsdebatte, die in den Attentätern bis in die 1960er Jahre Verräter sah, in ausziehbaren Laden dargestellt. Da Fotografieren nicht erlaubt war, kann ich hier keine bildliche Werbung für die Ausstellung machen.
Die 1914 eröffnete Markthalle.
Inmitten des Schillerplatzes steht das 1839 errichtete Denkmal für den Dichter Friedrich Schiller. Das von dem Dänen Bertel Thorvaldsen geschaffene Standbild war das erste Schillerdenkmal Deutschlands.
Das markante Haus namens Fruchtkasten ist ein spätgotischer Steinbau, der 1393 erstmals erwähnt wurde. Es ist eines der ältesten erhaltenen Gebäude Stuttgarts und hat seinen Namens von der Funktion als Kornspeicher. Die heutige Renaissancefassade bekam der Fruchtkasten 1596, als im Rahmen einer städtebaulichen Umgestaltung der Schloss- und Kanzleiplatz entstanden und dafür u.a. fünf Meter der Länge des Fruchtkastens abgerissen wurden. 1944/45 brannte der Fruchtkasten ab und wurde in den 1950er Jahren wiederaufgebaut.
Die Stiftskirche wurde ursprünglich 1170 errichtet, danach mehrfach erweitert, zerstört und wiederaufgebaut. Mit ihren beiden ungleichen Türmen ist sie eines der Wahrzeichen der Stadt. Links der flachgedeckte Hauptturm (1490–1531) und rechts der Südturm (obere Stockwerke aus dem 14. und 15.Jh.). 1534 führten die Herzöge von Württemberg in ihrem Land die Reformation ein.
Straßenszene. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden 68% aller Wohngebäude und 75% der industriellen Anlagen bei 53 Luftangriffen zerstört. Dabei wurden 4.477 Menschen getötet. In den Nachkriegsjahren wurden zerstörte Gebäude großteils nicht wiedererrichtet. Dem Zeitgeist entsprechend ging man daran, eine autogerechte Stadt zu schaffen. Dafür wurden auch ganze Straßenzüge und Plätze abgerissen, die im Krieg nicht oder kaum beschädigt worden waren.
Der 1998 benannte Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz erinnert an den 1738 in einem Justizmord in Stuttgart hingerichteten Joseph Süß Oppenheimer. Der reiche jüdische Kaufmann und Bankier war ein wichtiger politischer Berater des Württemberger Herzogs Karl Alexander. Der Herzog war lange vor seiner Thronbesteigung 1733 vom protestantischen zum katholischen Glauben übergetreten. Dazu regierte er absolutistisch aus eigener Machtvollkommenheit und scherte sich in seiner Steuer- und Finanzpolitik, um die teure barocke Pracht der Hofhaltung zu finnazieren, nicht um die notwendige Zustimmung der protestantischen Württembergischen Landstände. Es regierte also ein katholischer Fürst, beraten von einem Juden, absolutistisch über protestantische Adelige und eine protestantische Bevölkerung. Das machte in jener religionsverrückten Zeit viele Leute wahnsinnig und erzeugte erhebliche politische Spannungen. Als der Herzog 1737 unerwartet starb, wurde Oppenheimer noch am selben Tag verhaftet. Später verhaftete man auch sein gesamtes Personal. Man warf ihm u.a. Beziehungen mit Christinnen vor. Sein Vermögen wurde beschlagnahmt und versteigert. Der Hass auf den Herzog entlud sich mitsamt offenem Antisemitismus auf Oppenheimer. Vor einem geheimen Sondergericht wurde er ohne Chance auf Verteidigung zum Tode verurteilt. Der durch Hungerstreik aufgrund nicht koscherem Essen ausgemergelte Oppenheimer wurde in einem Käfig öffentlich zur Schau gestellt bis er, zum Skelett abgemagert, am 4. Februar 1738 vor den Toren der Stadt an einem zwölf Meter hohen Galgen hingerichtet wurde. 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren bei der volksfestartigen Veranstaltung dabei. Oppenheimers Leichnam wurde anschließend sechs Jahre lang im Käfig öffentlich zur Schau gestellt. Oppenheimer hatte nie eine Chance. Bei der Urteilsverkündung wurde auf Benennung von Straftaten und auf eine Begründung verzichtet. In der NS-Zeit wurde ein antisemitischer Propagandafilm Jud Süß gedreht. Als Pflichtprogramm für die SS sowie für alle Leiter und Wachmannschaften in den deutschen Vernichtungslagern sollte der Film vor allem dazu dienen, noch vorhandene Skrupel und Hemmungen bei der Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen zu beseitigen, indem Oppenheimer als böser Verbrecher dargestellt wurde.
Straßenszene
Das Jugendstil-Krematorium inmitten des großen städtischen Friedhofs Pragfriedhof.
Quer über den Friedhof trieben die Nazis die gefangenen Stuttgarter Jüdinnen und Juden sowie Sinti aus einem Sammellager zu den Deportationszügen. Eine Gedenktafel an der evangelischen Martinskirche, an der die Menschen vorbei getrieben wurden, erinnert an die Schrecken. Die Nazis ermordeten mindestens 1.200 der 1933 4.500 Stuttgarter Jüdinnen und Juden. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Alte Synagoge niedergebrannt und die Friedhofskapelle der Jüdischen Gemeinde zerstört. Der Großteil der Stuttgarter jüdischen Männer wurde unmittelbar danach von der Gestapo verhaftet und im Polizeigefängnis eingesperrt oder in das KZ Dachau deportiert.
Die 2006 eröffnete Gedenkstätte Zeichen der Erinnerung am Stuttgarter Nordbahnhof erinnert daran, dass von diesem Ort aus zwischen 1941 und 1944 mehr als 2.600 Jüdinnen und Juden aus Stuttgart, Württemberg und Hohenzollern deportiert wurden. Am 1. Dezember 1941 fuhr der erste Transportzug mit rund 1.000 Menschen nach Riga, wo sie ermordet wurden. Am 26. März 1942 erschossen SS-Männer und Polizisten über 1.600 Menschen in einem Wald, darunter viele der aus Stuttgart Verschleppten. Bis in die letzten Kriegswochen folgten weitere Züge mit rund 2.500 Menschen aus der Region. Lediglich 180 dieser württembergischen KZ-Häftlinge überlebten. An einer 70 Meter langen Mauer sind die Namen der über 2.600 von der Stuttgarter Gestapo deportierten Jüdinnen und Juden sowie Sinti zu lesen.
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