Sonntag, 26. Mai 2013

Piešťany

25.5.2013

Die westslowakische Stadt Piešťany (deutsch Pistyan, ungarisch Pöstyény) ist ein bekanntes Heilbad. Anlaß des Besuchs waren aber weder Rheuma noch Gicht sondern ein Fußballspiel. Rund 28.000 Menschen leben in der Stadt.

Die Figur eines geheilten Mannes, der seine Krücke zerbricht (slowakisch Barlolamač) wurde Anfang des 20.Jh. für das Marketing des Bads entworfen. 1930 wurde eine Bronzestatue dieses Motivs gegossen und schließlich an der Kolonnadenbrücke, die vom Stadtzentrum auf die Kurinsel führt, aufgestellt.


Die Kolonnadenbrücke (most promenádny) über den Fluß Waag wurde 1933 in funktionalistischem Stil errichtet. Stadtseitig prangt an ihr die lateinische Inschrift Saluberrimae Pistinienses Thermae („Lobgesang an den Kurort Piešťany“) und inselseitig Surge et Ambula („Steh' auf und geh“). Einen Durchgang schmücken Glasfenster mit Oranmenten und Bildern. 1945 wurde der Mittelteil der Brücke von der deutschen Wehrmacht gesprengt, 1956 war der Wiederaufbau beendet.



Blick über die Waag (slowakisch Váh).


Auf der Kurinsel (Kúpeľný ostrov) im Fluß finden sich die Bäder und Hotels. Hier das Thermia Palace Hotel, ein Jugendstilbau aus dem Jahr 1912. 1917 fand hier im Ersten Weltkrieg ein Gipfeltreffen von Kaiser Karl, dem deutschen Kaiser Wilhelm II. und dem bulgarischen Zar Ferdinand statt.


Zum Hotelkomplex gehört das Bad Irma. Der Springbrunnen davor wurde 2008 bei einem Gipfeltreffen des slowakischen Präsidenten Ivan Gašparovič, des ungarischen Präsidenten László Sólyom, des tschechischen Präsidenten Václav Klaus und des polnischen Präsidenten Lech Kaczyński als „Präsidentenspringbrunnen“ eingeweiht.


Die älteste Badeanstalt auf der Insel ist das zwischen 1822 und 1862 errichtete klassizistische Napoleonbad (Napoleonské kúpele). Die drei Gebäude heißen Napoleon I, Napoleon II und Napoleon III, haben aber keinerlei bezug zu keinem französischen Kaiser. Die Benennung war einfach eine Marketingmaßnahme der damaligen Zeit.


Die Hochblüte erlebte der Badeort in den ersten Jahrzehnten des 20.Jh., beendet vom Zweiten Weltkrieg. In der Fußgängerzone findet sich eine Apotheke mit Fassade aus jener Zeit, die in den Umgangssprachen der Kundschaft der Jahrhundertwende, als das Produkt Schlammseife anpreist. Der durch die Thermalquellen warme Schlamm wird hier zur Heilbehandlung verwendet.



In der Straße der Fußgängerzone, die heute Winterova heißt, liegt das ehemalige Hotel Zelený strom („Grüner Baum“). Hier wohnte ab 1903 Ľudovít Winter mit seiner Familie. Die Familie Winter hatte ab 1889 die Bäder des Kurorts von den Grafen Erdődy gepachtet, ab 1909 leitete Ľudovít Winter die Betriebe und führte sie zur Hochblüte. Die wichtigsten Gebäude und Ausbauten des Kurbetriebs wurden unter seinem Management errichtet. 1938 begannen unter dem mit Hitlerdeutschland verbündeten Regime des slowakischen Marionettenstaats Diskriminierungen und Verfolgungen der jüdischen Bevölkerung, 1940 verloren Winter und Erdődy die Betriebe. Mit einer Ausnahmegenehmigung aufgrund Bekanntschaft mit Diktator Tiso entging Winter bis 1944 den Deportationen, nach der Niederschlagung des slowaischen Nationalaufstands 1944 wurde die Slowakei von der deutschen Wehrmacht besetzt, Winter versteckte sich, wurde gefunden und ins KZ Thersienstadt deportiert. Er überlebte, zwei seiner Kinder konnten fliehen, eine Tochter wurde umgebracht. Winter starb 1968 im Alter von 98 Jahren.



Hier links neben der Kirche stand einer der beiden Synagogen der jüdischen Gemeinde. 1944 wurde das Gebäude konfisziert und als Lagerhalle verwendet, später nicht wiederverwendet und 1979 abgerissen. 1940 lebten rund 1.500 Jüdinnen und Juden hier. 1941 wurden von den slowakischen Behörden jüdische Geschäfte geschlossen, ab 1941 Juden zur Zwangsarbeit verpflichtet, ab 1942 begannen Deportationen in die Vernichtungslager. Nur rund 250 aus der Stadt und der Umgebung überlebten und kehrten 1945 zurück.


Die wenigen erhaltenen Mauer der Ruine einer gotischen Kirche, die wahrscheinlich zu einem mittelalterlichen Johanniter-Kloster gehörte. Die Ruine der Rückseite des Presbyteriums ist der einzige bauliche Rest des mittelalterlichen Piešťany (erstmals 1113 urkundlich erwähnt, man feiert heuer 900 Jahre). 1813 wurde die Anlage beschädigt und nicht wieder aufgebaut.


Der alte jüdische Friedhof.

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