Samstag, 9. November 2024

Chișinău

6. bis 9.11.2024

In Chișinău, der Hauptstadt der Republik Moldau, habe ich ein Fußballspiel besucht. Eine halbe Million Menschen leben in der eigentlichen Stadt selbst, im sechs Umlandgemeinden beinhaltenden Municipiul Chișinău ist es eine Dreiviertelmillion.

Statue von Ștefan III. cel Mare („Stefan der Große“) aus dem Jahr 1927. Er lebte von 1433 bis 1504 und herrschte von 1457 bis zu seinem Tod als Woiwode (Fürst) von Moldau über ein Gebiet, das sich als Vorläuferstaat sowohl von Rumänien als auch von Moldau über Teile des heutigen Rumäniens, von Moldau und der Ukraine erstreckte. In vielen blutigen Kriegen behauptete er seine Herrschaft gegen das Osmanische Reich und ordnete sie ihm schließlich 1503 als Vasallenstaat gegen jährliche moldauische Geldzahlungen und Beibehaltung gewisser Selbständigkeit unter. Im 19.Jh. wurde Stefan im Zuge der Nationalbewegungen zu einem rumänischen Nationalheld stilisiert, als der er sowohl in Rumänien auch in der Moldau heute gilt.


Straßenszene. Die Kriegszerstörungen von 1941 und 1944 sowie die schweren Erdbeben von 1940 und 1977 vernichteten viele Gebäude, in sowjetischer Zeit wurde mit breiten Straßen und wuchtigen Gebäuden neu gebaut.


Der Triumphbogen, genau genommen Heiliger Bogen (rumämisch Porțile Sfinte, auch Arcul de Triumf oder Arcul Biruinței), wurde 1840 als eine Art von vorgelagertem Tor zur Kathedrale als Siegesdenkmal der russischen Armee im neunten russisch-osmanischen Krieg von 1828/29 errichtet. In sowjetischer Zeit wurde der Triumphbogen mit Texten in russischer und moldauisch.rumänischer Sprache versehen, die an die Vertreibung der nazideutschen Besatzer 1944 im Zweiten Weltkrieg erinnern.


Die Kathedrale der Geburt des Herrn (rumänisch Catedrala Nașterea Domnului, russisch Собор Рождества Христова) wurde 1830 bis 1836 als orthodoxe Kathedrale im Stil des russischen Klassizismus erbaut. Beim deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche 1941 stark zerstört und in den 1950er Jahren wiederaufgebaut. In den 1960er Jahren wurde das Gebäude von der sowjetischen Verwaltung zu einer Ausstellungshalle umfunktioniert und 1962 auch der Glockenturm gesprengt. Im Zuge des Reformprozesses am Ende der Sowjetunion wurde die Kathedrale 1989 bis 1991 wieder zu einer christlichen Kirche. Nach der moldauischen Unabhängigkeit 1991 renovierte man das Gebäude 1996 und stellte 1997 auch den Neubau des Turms fertig.


Regierungsgebäude der seit 1991 unabhängigen Republik Moldau und Gedenkstein an die Opfer der kommunistischen Diktatur


Straßenszenen. Um das Jahr 1900 war die Stadt ein Zentrum jüdischen Lebens in Russland, nach den Zahlen von 1897 war 46% der Stadtbevölkerung jüdisch. Die größte Zeitung der Stadt, die russischsprachige Zeitung Bessarabez (Бессарабец) fuhr dagegen eine wüste antisemitische Kampagne mit Schlagzeilen wie „Tod den Juden!“ und löste am Ostersonntag im April 1903 einen Pogrom aus. Aus den Ostergottesdiensten kommend jagten Christen die Jüdinnen und Juden in der Stadt, überfielen und plünderten deren Häuser, Wohnungen und Geschäfte, vergewaltigten die Frauen, töteten 49 Menschen und verletzten 600. Die russischen Behörden schritten dagegen kaum ein. Bei hunderten Tätern wurden später zwei Männer zu fünf und sieben Jahren Haft und zweiundzwanzig weitere zu einem oder zwei Jahren verurteilt. Der 1877 bis 1903 amtierende Bürgermeister, der Bessarabiendeutsche Karl Schmidt, hatte sich für die Aufklärung der Verbrechen eingesetzt, trat aber zurück nachdem er nichts ausrichten konnte. Im Oktober 1905 wandelte sich eine Protestwelle gegen die Politik des Zaren aus Erfolglosigkeit – die zaristische Polizei ging gewaltsam vor, schoss etwa im August 1905 auf gegen ihre elenden Lebensumstände demonstierende Landarbeiterinnen und Landarbeiter und tötete und verwundete dabei eine unbekannte hohe Anzahl – zu einer antisemitischen Welle, in welcher wiederum die Jüdinnen und Juden in der Stadt angegriffen wurden. 19 Menschen wurden ermordet und 56 weitere verletzt.


Trenul durerii – Monumentul în memoria victimelor deportărilor regimului comunist, der Zug des Schmerzens – Denkmal für die Opfer der Deportationen des kommunistischen Regimes, erinnert an die Massendeportationen nach Zentralasien von etwa 46.000 Menschen unter sowjetischer Herrschaft 1940/41 und 1944 bis 1953. Gewaltsam durchgesetzte Massenumsiedlungen nach Zentralasien waren ein auch vielerorts anderswo eingesetztes Mittel der politischen Repression in der Stalin-Diktatur. Ein erster Gedenkstein war 1990 am Platz vor dem Hauptbahnhof aufgestellt worden. Das große Denkmal ist aus dem Jahr 2013. Gleich nach der sowjetischen Besetzung 1940 hatte der sowjetische NKWD in Juni/Juli 1940 einmal rund 400 Menschen erschossen, von denen angenommen wurde, dass sie gegen die sowjetische Herrschaft sein könnten.


Gara feroviară din Chișinău, der Hauptbahnhof aus dem Jahr 1871 mit orientalisch gestaltetem Hauptgebäude. Heute fahren nur mehr wenige Züge.


Siegesdenkmal in Erinnerung an die bei der sowjetischen Rückeroberung und Vertreibung der deutschen Besatzer 1944 getöteten sowjetischen Soldaten. Aufschriften sind entfernt. Im Zuge des russischen Bürgerkriegs nach der Machtübernahme der Bolschewiki 1917 besetzte deren Rote Armee im Jänner 1918 die Stadt, woraufhin rumänische Truppen einmarschierten, diese vertrieben und Bessarabien an Rumänien anschlossen. Im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts besetzte die Sowjetunion 1940 das Land durch miltärische Erpressung Rumäniens wieder und gliederte es in die Sowjetunion ein. Im Zuge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg 1941 wurde die Stadt von deutschen und rumänischen Truppen bei der Eroberung in schweren Kämpfen stark zerstört. Gleich nach der Eroberung machte sich die SS an die Ermordung der Jüdinnen und Juden und erschoss in kurzer Zeit etwa 10.000 Menschen. Etwa 11.000 Jüdinnen und Juden sperrten die deutschen Besatzer in ein Ghetto, aus dem sie diese zur Ermordung in KZ deportierten. Zehntausende Menschen trieben sie in Todesmärschen nach Osten, auf denen etwa ein Drittel an Erschöpfung und bei Erschießungen ums Leben kam. Von den ehemals 65.000 Jüdinnen und Juden in Chișinău im Jahr 1939 ermordeten Deutsche mit Hilfe rumänischer Soldaten 53.000 Menschen.


Die blaue Catedrala Sfîntul Mare Mucenic Teodor Tiron aus dem Jahr 1858.


Tolstoi


Die im Jahr 1436 erstmals schriftlich erwähnte Ortschaft wurde von der russischen Armee im seit 1806 laufenden achten russisch-osmanischen Krieg erobert und besetzt und nach der offiziellen Abtretung des Gebiets vom Osmanischen Reich an Russland im Jahr 1812 zur Verwaltungshauptstadt des neuen russischen Lands Bessarabien ausgebaut, welches den Osten des historischen Fürstentums Moldau umfasste und zum Großteil dem Staatsgebiet der heutigen Republik Moldau entspricht. Aus dem übriggebliebenen Westteil des Fürstentums Moldau wurde durch Zusammenschluss mit dem Fürstentum Walachei 1859 später der Staat Rumänien gegründet. Zur Besiedlung des kriegsverwüsteten Lands holte die neue russische Administration neben russischer und ukrainischer Bevölkerung Bulgaren, die auch heute noch im Süden Moldaus leben und ihre eigene Kultur und Sprache pflegen, vor allem auch Deutsche ins Land. Im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts wurde die Volksgruppe der Bessarabiendeutschen nach der sowjetischen Besetzung und Abtrennung des seit 1918 rumänischen Landes 1940 von der SS organisiert komplett nach Deutschland abgesiedelt.


Beim Ausstellungsgelände Moldexpo ist als Überrest aus der kommunistischen Diktatur eine Statuengruppe von Lenin, Karl Marx und Georgi Dimitrow aufgestellt.


Parcul Valea Morilor

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