Dienstag, 30. August 2022

Herzograd

30.8.2022

Im niederösterreichischen St. Valentin wurde ein Fußballspiel besucht. 9.300 Menschen leben hier in der westlichsten Stadt Niederösterreichs. Herzograd ist Ortsteil in der Stadtgemeinde.

Der Herzograder Wald war einst ein großes Waldgebiet an der niederösterreichischen Seite des Flusses Enns. Ab 1939 wurde hier unter der Nazi-Herrschaft auf einem großen Gelände im Herzograder Wald im Zuge der Rüstung für den Zweiten Weltkrieg die größte und modernste Panzerfabrik Nazideutschlands errichtet, in der etwa die Hälfte aller deutschen Standard-Panzer (Pz IV) des Weltkriegs produziert wurden. Von den 8.200 deutschen Panzern, die im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, um Europa mit Krieg und Tod zu überziehen, wurden 4.350 Stück hier in St. Valentin gebaut. Die Panzerplatten kamen aus der ebenfalls neuerrichteten Stahlproduktion in Linz.


Im Verlauf des Kriegs wurden französische, italienische, griechische, jugoslawische und sowjetische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit hierhergebracht und ab August 1944 auch KZ-Häftlinge aus dem KZ Mauthausen eingesetzt. Es gab hier daher streng bewachte Lager für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter sowie ein Sonderlager für Jüdinnen und Juden, in das die ausgebeuteten Menschen gesperrt waren. Bewacht wurden sie von 110 SS-Männern, gegen Kriegsende ergänzt von Luftwaffensoldaten sowie ukrainischen SS-Hilfstruppen. Viele der zur Zwangsarbeit eingesetzten KZ-Häftlinge starben offiziell an „Herzschwäche“, „Lungenentzündung“, „Hitzschlag“ oder „Erschöpfung“ – alles makabre Umschreibungen für die mörderische Ausbeutung und das Morden der Nazis. Nach der Befreiung wurden einzelne SS-Angehörige und Funktionshäftlinge sowie der Werkschutzleiter der Nibelungenwerke wegen Misshandlung und Tötung von Häftlingen zu Haftstrafen verurteilt.


Aufgrund der kriegswichtigen Produktionsstätte war St. Valentin ab 1944 Ziel alliierter Luftangriffe. Im März 1945 wurden 609 Sprengbomben über St. Valentin abgeworfen, mit denen die Panzerfabrik schwer beschädigt werden konnte. Am 7. Mai 1945 befreite die US Army St. Valentin und übergab im Rahmen der alliierten Zonenaufteilung am 8. Mai die Stadt an die sowjetische Besatzungszone (bis 1955). Die sowjetische Besatzungsverwaltung betrieb die Fabrik als USIA-Betrieb. Nach dem Staatsvertrag 1955 wurde das Werk 1957 in den Steyr-Daimler-Puch-Konzern eingegliedert und hier vor allem Traktoren hergestellt. Heute produziert hier der MAGNA-Konzern Autoteile.


Die Gedenkinitiative des Mauthausen Komitee St. Valentin und die Hauptschule II St. Valentin-Langenhart errichteten 1996 in der Nähe des Bahnhofs Herzograd ein Denkmal zur Erinnerung an die im KZ-Außenlager geschundenen Menschen. Acht Schautafeln beim Mahnmal informieren über die Geschichte.


Ein weiteres Denkmal erinnert hier an die von den Nazis 1940 und 1941 in der Tötungsanstalt Hartheim wegen Behinderungen ermordeten Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde St. Valentin.


Der Platz, auf dem das Denkmal steht, wurde 2010 nach Anna Strasser benannt. Die 1921 in St. Valentin geborene Anna Strasser versorgte aus christlich-religiöser Überzeugung heraus von 1939 ab von ihrem Arbeitsplatz in der Buchhaltung der Lagerhausgemeinschaft Mauthausen in der Nähe des Bahnhofs aus halbverhungerte Häftlinge des KZ Mauthausen, die dort zur Zwangsarbeit eingesetzt waren, heimlich mit Lebensmitteln. 1942 wurde sie in das Nibelungenwerk nach St. Valentin dienstverpflichtet und half auch dort Zwangsarbeiterinnen. Im Herbst 1944 wurde sie deswegen von der Gestapo verhaftet. Sie überlebte schwer krank diverse Gefängnisse und Lager der Nazis. Sie starb 2010 als Ehrenbürgerin der Stadt St. Valentin.

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