Donnerstag, 4. August 2022

Baku

4.8.2022

In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, aserbaidschanisch Bakı, wurden das eine und das andere Fußballspiel besucht. 2,3 Mio. Menschen leben hier.

Baku liegt am Westufer des Kaspischen Meers (aserbaidschanisch Xəzər dənizi). Nachdem der Wasserstand des Meers von den 1930er Jahren bis in die 1980er durch Wasserentnahme aus dem einzigen Zufluss Wolga zur Bewässerung in der Landschaft stark zurückgegangen war, hatte sich das Meer in den 1980er Jahren kurzfristig wieder erholt. Seit Ende der 1990er Jahre sank der Wasserstand allerdings bereits wieder um eineinhalb Meter. Im Lauf dieses Jahrhunderts wird das Meer ein Viertel seiner Fläche verloren haben.


Autorennen der Formel 1 finden hier mitten in der dafür dann abgesperrten Stadt statt


Straßenszene. Baku besteht architektonisch aus drei Stadtteilen, der Altstadt (aserbaidschanisch İçəri Şəhər), der Gründerzeitstadt des Ölbooms um die Jahrhundertwende 1900 und der sowjetischen Stadtteile des 20.Jh. Darüber und daneben lässt die seit der aserbaidschanischen Unabhängigkeit das Land autoritär beherrschende Əliyev-Familie seit den 1990er Jahren hoch aufragende Hochhäuser errichten.


Ringstraßen-Flair. Seit etwa 10.000 Jahren wohnen hier Menschen. Seit Jahrtausenden sprudelten in der Region von Baku natürliche Ölquellen, deren Öl bereits in der Antike zur Beleuchtung verwendet wurde. Die Erdölindustrie prägte die Geschichte des modernen Baku. 1846 wurde erstmals industriell gebohrt und 1873 begann die Ausbeutung der Ölquellen in großem Maßstab. Bis 1901 lieferte Baku die Hälfte des weltweit verbrauchten Erdöls. Die Bevölkerungszahl wuchs aufgrund der Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten schnell. Einige Leute wurden unermesslich reich – man nannte sie die Ölkönige von Baku und ließen sich im damaligen Geschmack der Zeit Paläste in neugotischem Stil oder Jugendstil bauen. Die Stadt Baku war laut Bericht des russischen Gouverneurs 1914 eine „Stätte der Gesetzlosigkeit, der organisierten Kriminalität, Gewalt und Xenophobie“, ein „Synonym für den gefährlichsten Ort Russlands“. Vor allem russische, ukrainische und armenische Zuwanderer fungierten in den Leitungs- und Facharbeiterpositionen der Ölindustrie, muslimische Aserbaeidschaner wurden als zweitklassig gesehen und als Hilfsarbeiter beschäftigt. Aus der sozialen Konfliktlage entstanden gewalttätige Auseinandersetzungen, die als Religions- und Nationalismus-Konflikt zwischen aserbaidschanisch-muslimischer und armenisch-christlicher Bevölkerung geführt wurden. 1904 streikten die Ölarbeiter für bessere Bezahlung. 50.000 Menschen legten ihre Arbeit nieder. Die zaristische Regierung schickte das Militär, um den Protest zu beenden. Nach einiger Gewalt wurde hier durch den Streik der erste Kollektivvertrag im russischen Zarenreich mit u.a. der Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstags erreicht. 1905 kam es erneut zu großen Streiks auf den Ölfeldern, die diesmal religiös/ethnisch umschlugen und im Februar 1905 zu Pogromen gegen Armenier und Armenierinnen führten. Sie wurden gejagt, beraubt und ermordet. Im Sommer 1905 war mehr als die Hälfte der Industrie Bakus zerstört. In der armenischen und der aserbaidschanischen Bevölkerung hatten sich bewaffnete Gruppen etabliert, welche durch Überfälle auf die jeweils anderen, deren Ausplünderung und Ermordung die eigene Seite zu verteidigen trachteten. 1906 beendete der Einsatz des russischen Militärs mit Gewalt das wechselseitige Plündern und Töten.


Im Zerfall des Russischen Reichs nach der Februarrevolution 1917 wurde die Gelegenheit wiederum genutzt, im März/April 1918 in Massakern muslimische/aserbaidschanische Menschen in Massen zu ermorden (3.000 bis 12.000 Tote). Im Mai 1918 wurde die Demokratische Republik Aserbaidschan als unabhängiger Staat gegründet. Im Parlament der Republik gab es eine aserbaidschanisch-muslimische Mehrheitspartei, es waren aber auch eine liberale, eine islamistische, eine sozialdemokratische, eine armenisch-christliche Partei sowie polnische, jüdische und deutsche Minderheitsvertreter darin. Baku wurde erst im Herbst des Jahres als Hauptstadt bezogen, da sich dort im Frühjahr 1918 die Kommune von Baku (aserbaidschanisch Bakı Kommunası, russisch Бакинская коммуна) als eigenständische Sowjetrepublik nach Vorbild Lenins gegründet hatte. Sie wurde im noch laufenden Ersten Weltkrieg von der mit deutscher Militärunterstützung agierenden osmanischen Armee, gemeinsam mit Truppen der aserbaidschanischen Republik, zerschlagen. Aus dem Iran vorrückendes britisches Militär mitsamt armenischen Soldaten und russischen weißen Bürgerkriegstruppen wollte die Kommune nicht unterstützen, aber die Eroberung Bakus durch die osmanische Armee verhindern. Als Racheaktion für die Massaker an der aserbaidschanischen Bevölkerung im Frühjahr 1918 wurden nach der osmanischen Eroberung die in der Stadt verbliebende armenische Bevölkerung in zwei Tage dauerndem Massker ermordet (10.000 bis 20.000 Tote). 26 führende Vertreter der Kommune kamen zwischen alle Fronten, wurden von der britischen Armee gefangengenommen und erschossen. Von Lenins Sowjetrussland wurden sie nicht militärisch unterstützt. Während die jungen Staaten Aserbaidschan und Armenien seit 1919 damit beschäftigt waren, um Bergkarabach Krieg zu führen, überfiel die sowjetrussische rote Armee im März 1920 Aserbaidschan, eroberte das Land und Baku (20.000 tote aserbaidschanische Verteidiger), löste den Staat auf, richtete die gefangengenommenen Vertreter der demokratischen Republik hin und gliederte Aserbaidschan in Sowjetrussland ein. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde Aserbaidschan 1991 erneut unabhängig. Das Land betrachtet sich als Rechtsnachfolger der Demokratischen Republik Aserbaidschan. Die Flagge und das Wappen Aserbaidschans entsprechen weitestgehend denen der Demokratischen Republik Aserbaidschan. Der sowjetische Staatszerfall war zuvor im Jänner 1990 in Baku dazu genützt worden, ein Pogrom an der armenischen Bevölkerung in der Stadt durchzuführen. Die Armenierinnen und Armenier wurden neun Tage lang anhand von Listen in ihren Wohnungen und Häusern überfallen, in der Stadt gejagt und 90 Menschen getötet. Nach tagelanger Gewalt und Morden rollte die sowjetische Armee mit Panzern in der Stadt ein und besetzte sie militärisch, um das Treiben zu beenden. Dabei töteten die Soldaten rund hundert Aserbaidschaner und 29 sowjetische Soldaten wurden bei den Straßenkämpfen ebenfalls getötet. Der Konflikt um Bergkarabach hatte 1988 mit gegenseitigen armenisch-aserbeidschanischen Massakern und bald offenem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien mit zehntausenden Toten wieder begonnen.


Der Jungfrauenturm (Qız Qalası), vermutlich ein Teil einer früheren Stadtbefestigungsanlage, deren östlicher Abschnitt nicht mehr besteht. Möglicherweise sind die Fundamente aus dem 5. oder 6. Jh. und die oberen Teile aus dem 12. Jh. Der Turm wurde im Lauf der Jahrhunderte öfters umgebaut und darauf Kanonen stationiert. Daneben stand eine 1797 errichtete armenische Kirche, die aus nationalistischen Gründen 1992 abgerissen wurde.


Die Altstadt, aserbaidschanisch İçəri Şəhər (in etwa „Itschäri Schähär“ ausgesprochen, bedeutet Innenstadt). Vom Mittelalter bis zur osmanischen Eroberung 1578 bestanden hier verschiedene moslemische Reiche. 1747 erreichten die Lokalherrscher Selbständigkeit vom Osmanischen Reich und auch weitgehende Unabhängigkeit vom Persischen Reich. Bis in die ersten Jahrzehnte des 19.Jh. war die Region von andauernden Kriegen zwischen Russischem und Persischem Reich um die Herrschaft gepeinigt. Die meisten Menschen flüchteten aus Baku, das bald nur mehr 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner hatte. 1797, 1804 und 1813 wechselte die Herrschaft über Baku zwischen russischen und persischen Heeren bevor das Gebiet 1828 endgültig von Russland erobert und gehalten wurde.


Baku lag im Mittelalter im Herrschaftsgebiet der Schirwanschahs, der Schahs (persisch: Könige) von Schirwan. Im 12.Jh. wurde Baku zur Hauptstadt dieses vom 9.Jh. bis zur persischen Unterwefung 1538 bestehenden Reichs. Der Palast der Schirwanschahs (Şirvanşahlar sarayı) auf einer Hügelkuppe in der Altstadt umfasst mehrere Gebäude.


Beui den zahlreichen wechselseitigen Massakern wurden bei jenem des Frühjahrs 1918 an einer Palastwand etliche der von Armeniern ermordeten 3.000 bis 12.000 Aserbaidschanerinnen und Aserbaidschaner hier erschossen. Die Einschusslöcher hat man erhalten.


Şirvanşahlar sarayı


Die Stadtmauer wurde im 11.Jh. errichtet und bis ins 19.Jh. zu einem massiven Mauerring mit zwei hintereinander liegenden Mauern ausgebaut. Im Norden und Westen der Altstadt sind Teile erhalten.


Kopf


Katze


Straßenszenen


Der Park der Trophäen wurde 2021 eröffnet. Darin sind erobertes Kriegsgerät und hunderte Helme erschossener armenischer Soldaten ausgestellt, um dazustellen, dass man im Töten erfolgreich war.

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