16.5.2015
Erst vor einem halben Jahr wurden bereits die Sehenswürdigkeiten von Lyon besichtigt. Beim diesmaligen Besuch aus Anlass eines Fußballspiels wurde daher ein thematisches Programm absolviert: Museen und Gedenkstätten der Naziverbrechen und der Résistance im Zweiten Weltkrieg.
Mémorial de la Prison de Montluc
Das Fort Montluc wurde 1831 bis 1835 als militärische Festung errichtet. Heute ist es das Hauptquartier der Polizei von Lyon.
Auf dem Glacis neben der Festung wurde 1921 ein Militärgefängnis errichtet, das aber bereits 1932 wieder geschlossen wurde. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde es 1939 wiedereröffnet und diente dann ab 1940 nach der französischen Niederlage dem Vichy-Vasallenstaat zur Einkerkerung von Regimegegnern. Von Februar 1943 bis zur Befreiung im August 1944 war es dann ein deutsches Gefängnis, Folterzentrum, Hinrichtungsstätte und Sammelpunkt für Deportation von Jüdinnen und Juden ins KZ. Bis 2009 wurde der Komplex noch als Gefängis genutzt. Zwischen 1959 und 1961 wurden hier auch algerische Unabhängigkeitskämpfer eingesperrt und ein dutzend von ihnen 1960/61 hingerichtet.
Im Jahr 2010 wurde das ehemalige Militärgefängnis als Gedenkstätte Mémorial de la Prison de Montluc eröffnet.
Das Gefängnisgebäude. Insgesamt 9.000 bis 10.000 Menschen waren in der deutschen Zeit von 1943 bis 1944 hier eingsperrt. 950 Gefangene wurden am 24. August 1944 von der Résistance befreit.
Eine Ausstellung informiert über die Geschichte des Gefängnisses.
Im Angesicht der alliierten Landung in Frankreich und dem bevorstehenden Rückzug der deutschen Wehrmacht brachten die deutschen Besatzer zwischen 8. April und 20. August 1944 noch 669 Gefangene des Gefängnisses in 33 verschiedenen Orten in der Umgebung von lyon in Massenhinrichtungen um.
Jüdinnen und Juden waren in einer heute nicht mehr bestehenden Baracke im Gefängnishof eingesperrt, bevor sie in KZ deportiert wurden. Die deutsche Gestapo verhaftete die in Lyon und Umgebung wohnenden Jüdinnen und Juden in Razzien, so etwa im Februar 1943 87 Personen im Sozialwerk der jüdischen Gemeinde, von denen 80 wurden über Drancy in die Vernichtungslager Sobibor und Auschwitz deportiert wurde, was nur drei überlebten. Die kollaborierende französische Milice machte ebenfalls Jagd auf Résistants und Jüdinnen und Juden, folterte und ermordete Verdächtige.
Die Gefängiszellen. Selbst wenn heute alle Türen offenstehen, herrscht hier eine beklemmende Stimmung. In die 122 Einzelzellen wurden von den Deutschen auf 4 m² bis zu acht Insassen gepfercht.
Tafeln in den Gefängiszellen geben den Gefangenen und großteils Ermordeten Gesichter und erzählen ihre Biographien.
Unter den Gefangenen war auch der große französische Historiker und 1944 als Widerstandskämpfer umgebrachte Marc Bloch.
Der als „Schlächter von Lyon“ bekannte SS-Mann und Gestapo-Chef Klaus Barbie, der in Lyon folterte und mordete, wurde nach seiner Verhaftung 1983 am symbolischen Ort des Gefängnis von Montluc inhaftiert.
Am 11. August 1944, kurz vor der Befreiung von Lyon, wurden 650 Jüdinnen und Juden sowie Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer ins KZ deportiert. Eine Sonderausstellung im Hof beleuchtet ihren letzten Weg.
Die Mauer, an der Hinrichtungen durch Erschießen vollzogen wurden.
An der Rückwand des Gefängnisses befindet sich ein Denkmal für die in den letzten Monaten vor der Befreiung 1944 Ermordeten. Die Wand wurde mit Namen und Symbolen der Resistánce und einem Portrait des 1944 zu Tode gefolterten Widerstandskämpfers Jean Moulin gestaltet.
Centre d'Histoire de la Résistance et de la Déportation
Am ehemaligen Gestapo-Hauptquartier 1943/44 wurde 1992 das Museum Centre d'Histoire de la Résistance et de la Déportation eröffnet.
Lyon war ein Zentrum der Résistance in der bis November 1942 unbesetzten Zone des Vichy-Staats. Fluchthilfeorganisationen operierten von Lyon aus, eine breite Streikbewegung im September 1942 gegen Zwangsarbeit in Deutschland nahm hier ihren Ausgang (vgl. Vénissieux). Nach der deutschen Besetzung intensivierte sich der Widerstand. Ein Volksaufstand im Vorort Villeurbanne im August 1944 mündete in die Befreiung Lyons mit alliierter Hilfe Anfang September 1944.
Erinnerungen an Marc Bloch.
Der Prozess gegen Klaus Barbie in Lyon 1983 war der erste Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Frankreich.
Französische Idenitätskarte mit dem Vermerk als Jüdin oder Jude, der die Menschen zum Gegenstand von Diskriminierung, Verfolgung, Deportation und Ermordung machte. Deren bürokratische Abwicklung im Aktenlauf wird gezeigt.
Zeitung der Widerstandsbewegung
Verbrechen und Widerstand erhalten ein Gesicht
Die Ausstellung ist zwar nur französisch beschriftet, aber verständlich und interessant gestaltet.
KZ-Kleidung und eine von mehreren ausgestellten Zeichnungen von Frauen im KZ Ravensbrück
Ein nachgebauter Straßenzug mit Schriftzügen und Plakaten
Eine nachgebaute bürgerliche Wohnung mit Petain-Bild an der Wand. Man steigt über eine Kellertreppe hinunter und findet dort eine Druckerei der Resistánce mit originaler Druckmaschine.
Auswahl an Gedenkstätten in Lyon
Am Place Bellecour/Ecke Rue Gasparin ehrt das Denkmal Le Veilleur de Pierre („Wächter aus Stein“) fünf Männer, die nach einem Attentat auf ein von der Gestapo frequentiertes Lokal am 27.7.1944 willkürlich festgenommen und aus Rache erschossen worden waren. Es nennt außerdem die Namen der Haft- und Deportationsorte, Konzentrations- und Vernichtungslager von Widerstandskämpferinnen und -kämpfern, Geiseln und Deportierten aus Lyon und Umgebung.
Gedenktafel an einer Mauer auf der Montée de Balmont, die an 27 senegalesische Soldaten erinnert, die hier am 19. Juni 1940 beim Versuch, die deutschen Soldaten zu stoppen, getötet wurden.
Gedenkstätte an der Mauer des einstigen Fort de la Duchère oder Fort de Balmont, wo heute Fußball gespielt wird, im Stadtbezirk Duchère. 1944 wurden dort 44 Résistants von der französischen Milic erschossen.
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