Montag, 29. August 2011

Salzburg

28.8.2011

Die Zeit zwischen zwei Fußballspielen in Salzburg am Vormittag und Nachmittag bot Platz, um sich nach vielen Jahren wieder einmal ein wenig in der Stadt Salzburg umzusehen.

Versteckt hinter einer umschließenden Baumreihe steht am Bahnhofsplatz das 2002 errichtete Antifaschismus-Mahnmal, eine Konzeption des Wiener Künstlers Heimo Zobernig.

Im überaus empfehlenswerten Reiseführer zu den NS-Erinnerungsorten in Salzburg Im Schatten der Mozartkugel heißt es darüber: „Die Dachplatte wird von nur drei Pfeilern getragen. Der fehlende vierte soll Betrachter irritieren und zugleich jene Opfer symbolisieren, die vom Nationalsozialismus aus der Gesellschaft heraus ermordet wurden.“ Diese spannende Grundidee habe sich aber, weiter im Text, als „im Alltag unbrauchbar und praktisch rätselhaft“ erwiesen, da man den Erinnerungstext von außen nicht sehe, so den Sinn des Mahnmals nicht erkennen könne und der Text außerdem nur durch Halsverrenken zu lesen ist. Letzteres stimmt jedenfalls. Dadurch verfehle das Mahnmal seinen Sinn: „Beobachtungen zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten haben gezeigt: Es liest diesen Text so gut wie niemand, der/die nicht thematisch mit dem ,Mahnmal vertraut ist, nicht von Eingeweihten hierhergeführt wurde oder sich nicht zuvor eingelesen hat. Ein kunst- oder geschichtspädagogisches Konzept der Stadt Salzburg oder ihrer offiziellen Museen für den Ort existiert nicht.“ Das ist schade und sollte geändert werden. Ein verstecktes und ignoriertes Mahnmal verfehlt seinen Zweck.

Im Garten des 1606/07 errichteten Schlosses Mirabell steht ein 1991 aufgestelltes Denkmal in Form einer teils aschegefüllten Glassäule „Zum Gedenken an die über 250 Opfer der NS-Euthanasieaktion in Salzburg 1941“.


Schöner Blick über die Altstadt Salzburg mit der über ihr seit dem 11.Jh. thronenden Festung Hohensalzburg. Aussicht von der Hettwer-Bastei am Kapuzinerberg am gegenüberliegenden Ufer des Flusses Salzach.


Das Zentrum des Altstadtensembles ist die herrschaftliche Machtsymbolik der Salzburger Fürsterzbischöfe am Residenzplatz. Links die sogenannte Neue Residenz aus dem 16.Jh. und rechts die Alte Residenz aus dem 15./16.Jh mit Barockfassade aus dem 17.Jh. dazwischen in der Mitte der Dom (1628 eingeweiht).


Blick vom Kapitelplatz hinter dem Dom auf die Festung Hohensalzburg, im Vordergrund die 2007 aufgestellte Skultur Mensch auf einer goldenen Kugel des deutschen Künstlers Stephan Balkenhol.


Die Gedenktafel an Theodor Herzl am Mozartplatz hat eine bemerkenswerte Geschichte. Ursprünglich hat man hier nämlich 2001 ziemlich schamlos Herzls Satz „In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu“ aus dessen Tagebuch 1885 angebracht und dabei den darin folgenden Wortlaut „Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden.“ einfach unter den Tisch fallen lassen. Die offizielle Seite von Stadt und Land Salzburg weigerte sich damals standhaft, den Hinweis auf Antisemitismus aufzunehmen. Erst nach Intervention von Bundespräsident Thomas Klestil (!) wurde die für Salzburg sehr peinliche Causa beendet und eine Tafel mit dem vollständigen Zitat angebracht. Ebenfalls nachzulesen im bereits erwähnten Reiseführer Im Schatten der Mozartkugel.


Die Altstadt Salzburg ist voller schöner Gassen und Plätze (hier Blick auf den Turm des Alten Rathauses aus der Judengasse). Doch mir ist es hier etwas zuviel. Salzburg ist nicht meine Stadt.

Freitag, 26. August 2011

Transit 37



Transit 37
Europäische Revue
Sommer 2009
186 S.







Sehr spannend ist hier das Gespräch mit Henryka Krzywonos, die als Straßenbahnfahrerin 1980 ihren Zug vor der Danziger Oper stoppte und somit initiierte, daß sich die Verkehrsbetriebe dem Streik in der Werft anschlossen. Ein entscheidender Punkt in der Entwicklung eines lokalen Ereignisses zur nationalen Bewegung, die zur Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność führte, was das kommunistische Polen erschütterte. Sie erzählt ergreifend und mitreißend aus ihrem harten Leben als Arbeiterin, wie sie ins politische Engagement hineinrutschte und wie es weiterging.

Samstag, 20. August 2011

British Museum, London

18.8.2011

Im Zuge des dreitägigen Aufenthalts in London wurde ein Tag im British Museum verbracht.
Das Ergebnis von dreihundert Jahren Sammlung von Kunstwerken aus aller Welt mit den Mitteln einer einstigen Weltmacht ist hier in einzigartiger Weise an einem Ort zu sehen.

Das heutige klassizistische Museumsgebäude stammt aus den Jahren 1823 bis 1847.


Beeindruckend und zur Erschließung der Museumstrakte überaus praktisch ist die 2000 nach Plänen von Norman Foster erfolgte Überdachung des Innenhofs, des Great Court. In seiner Mitte befindet sich der Rundbau (1857) des ehemaligen Reading Room, des Lesesaals der bis 1998 hier untergebrachten British Library. Hier studierte und schrieb Karl Marx für sein Hauptwerk Das Kapital.


Der erste Weg führte in die ägyptische Sammlung und zum Stein von Rosette, mit dessen Hilfe aufgrund seiner dreisprachigen Inschrift erstmals nach zweitausend Jahren die Schrift der Hieroglyphen entziffert und die alte ägyptische Welt erschlossen werden konnte.


Die Sammlung ägyptischer Kunstwerke ist beeindruckend. In so einer Reichhaltigkeit und Bedeutung der Stücke erstmals gesehen. Allein das war den Besuch wert. Dabei war es erst der Anfang.


Faszinierend waren die assyrischen Palastreliefs, etwa aus Ninive. Aber auch weitere Stücke aus den assyrischen Palastanlagen waren überaus spannend, da ich solche noch nie persönlich gesehen habe. Hier Torwächter aus Nimrud (um 865 v.u.Z.) im Vordergrund.


Prachtvoll inszeniert wird das Nereiden-Monument, ein antikes griechisch-persisches Grabmal aus Lykien im Südwesten Kleinasiens um 380 v.u.Z.


Eine wesentliche Motivation für den Besuch hier waren die hiesigen Stücke des Parthenon-Tempels aus Athen aus dem 5.Jh.v.u.Z.
Seit der Schulzeit davon gehört und gelesen, ist es dann doch sehr interessant, die Skultpuren mit eigenen Augen zu sehen. Um 1800 wurden sie auf Veranlaßung von Lord Elgin vor Ort abgeschlagen und nach England gebracht. Seit nunmehr zwei Jahrunderten Anlaß für Konflikt, ob dies eine Form der Rettung oder des Raubes war. Im dazu eigens aufgelegten Infofolder des British Museum erklärt man, daß man die Stücke hier in den Kontext der Weltgeschichte stelle, während die verbliebenen Stücke in Athen in den Kontext der griechischen Antike gestellt werden. Beides wäre ein sinnvoller, aber eben unterschiedlicher Zugang zu ihrer Präsentation. In Griechenland sieht man das anders.


Ein Fragment des äußeren Reliefs der Metopen des Parthenon, das Menschen im Kampf mit den mythischen Wesen der Kentauren zeigt.


Vor den verschiedenen Skulpturen vom Parthenon kann man lange verweilen. Man sieht sie hier auf Augenhöhe und nicht zwölf Meter über dem Kopf, wo sie einst angebracht waren. Vermißt habe ich in der Präsentation eine Visualisierung, wo sich die einzelnen Stücke jeweils einst am Tempel befunden haben. Hätte ich mich nicht eigens eingelesen, wäre mir vieles verschlossen geblieben.


Im weiteren Verlauf der Antikensammlung gab es einige Déjà-vu-Erlebnisse. Viele Stücke ließen Erinnerungen an den Griechisch-Unterricht der Schulzeit wachwerden. Manche Portaits historischer Personen, die aus vielerlei Publikationen bekannt sind, wurden erstmals selbst betrachtet. So wie etwa dieser Kopf des Sokrates, einer römischen Kopie eines griechischen Originals aus 380−360 v.u.Z.


Die Stiegenhäuser zieren wunderschöne Kunstwerke, wie hier antike Mosaike.


Die römischen Grabdenkmäler (hier aus dem 1.Jh.u.Z.) haben mir gefallen.


Zurück im alten Ägypten fand ich die Tiermumien, hier einerseits die Fische, aber auch insbesondere die Katzenmumien sehenswert.


Die kunstvollen ägyptische Sarkophage, aber auch ihr Inhalt, die präsentierten Mumien in ein- und ausgewickeltem Zustand sind ein Ort, an dem sich die Menschenmassen vor den Glasvitrinen drängen. Ich fand es unpassend, wie hier Eltern ihre Kinder vor den Leichen fotografierten. Schließlich und endlich sind dies, wenn auch mehrere tausend Jahre alte, Leichen einst lebender Menschen. Mein Pietätsgefühl rebelliert hier.


Weiters gibt es hier noch Skulpturen- und Kunstsammlungen aus Asien (viel China aus China), Afrika und Amerika. Hier versagt allerdings meine Allgemeinbildung, sodaß ich diese zwar interessiert und lernwillig betrachtete, mir aber der historische Kontext zu den Stücken fehlte. Wahrscheinlich bin ich aber auch nur in einem kunsthistorischen Museum falsch aufgehoben, da mich ja weniger die Kunst an sich als vielmehr der historische Bezug interessiert.


Auch eine Steinfigur von der Osterinsel ist zu bewundern.


Eine sehr spannende Einrichtung ist die Enlightenment Gallery, die 2003 in vormaligen Bibliotheksräumlichkeiten eröffnet wurde. Sie zeigt, wie sich im 18. Jahrhundert den Gelehrten das Wissen erschloß bzw. dieses damals gesammelt und präsentiert wurde. Antike Skulpturen stehen hier neben naturwissenschaftlichen Exponaten, in den Regalkästen dahinter stehen ägyptische Mumienköpfe neben historischen Lexika und wissenschaftlichen Büchern. Alle Wissensgebiete vereint und durcheinander. Herrlich, aber ohne Orientierungssystem im Kopf mag das Durcheinander verwirrend wirken. Highlight war hier die Replik des Steins von Rosette, die hier ohne Glas eingehender betrachtet werden kann.

London

17.−19.8.2011

In die britische Hauptstadt London führte der Fußball zu zwei Spielen an Mittwoch und Donnerstag. Die (teils erneute) Besichtigung der Sehenswürdigkeiten kam dabei aber natürlich auch nicht zu kurz. Ein ganzer Tag war dabei der Erkundung des British Museum gewidmet.
In Inner London leben 2,8 Mio. und im ganzen im Großraum 7,5 Mio. Menschen.

Falls es jemand entfallen sein sollte, in welchem Land er sich befindet, wurde der Weg zum Buckingham Palace durch den St James's Park ausgeflaggt.


Die Westminster Abbey, als Krönungskirche aller (bis auf zwei) englischer und britischer Könige und Königinnen seit 1066, also beinahe tausend Jahren, die historisch bedeutendste Kirche des Landes. Eine große Kirche wurde hier 1065 eingeweiht und in praktisch jedem Jahrhundert erweitert und umgebaut. Der gotische Stil wurde dabei beibehalten. Die hier zu sehende Westansicht stammt aus dem Jahr 1745, also lange Zeit nach der Epoche der Gotik.


Eine bemerkenswerte Volte der Geschichte ist, daß vor dem neben der Westminister Abbey liegenden Parlament, mit dem Rücken dazu und Blick auf die Apsis der königlichen Kathedrale, die Statue von Oliver Cromwell steht. Immerhin führte dieser England im Bürgerkrieg in seine einzige Phase als Republik 1649 bis 1660, in der König Charles I. abgesetzt und 1649 hingerichtet wurde.


Das prächtige Parlament von Westminster am Ufer der Themse. Ab 1840 wurde das Parlamentsgebäude in neugotisch-viktorianischem Stil errichtet, nachdem der 800 Jahre alte, einstige köngliche Westminister-Palast 1834 weitgehend abgebrannt war.
Im Sommer ist es mit Führungen möglich, das Parlamentsgebäude samt königlichen Gemächern und den Sitzungssälen von House of Lords und House of Commons zu besichtigen. Überbordend prunkvoll ausgestattete Räume im königlichen Bereich und im Trakt der Lords und Ladies und viele historische Fresken und Gemälde im Geschmack des 19.Jhs. sind zu sehen, ebenso der 1941 bei einem deutsche Luftangriff zerstörte Trakt der Abgeordneten samt dem Sitzungssaal des Unterhauses, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Neu-Neogotik wiedererichtet wurde. Leider herrscht striktes Fotografierverbot. Es war überaus spannend, zwischen den roten Sitzreihen im Oberhaus und den grünen Bänken im Unterhaus zu stehen (niedersetzen war ebenfalls strikt verboten) oder, die für die Abstimmungen dienenden Lobbys zu besuchen. Das Bild des britischen Parlamentarismus wurde durch den Augenschein greifbarer.


Während 1834 der Großteil des Westminister-Palast abbrannte, wurde die Westminister Hall gerettet. Der 1097 bis 1099 errichtete, beeindruckend große Saal muß für die Menschen des Mittelalters überwältigend gewirkt haben. 1394 bis 1401 wurde das heutige Dach erbaut, das ohne tragende Säulen auskommt und den Raum so noch größer macht. Hier fanden seit über neun Jahrhunderten königliche Feste, wichtige Staatsakte, Trauerfeiern und immer wieder große Gerichtsverhandlungen statt. Hier in diesem Saal wurden 1305 William Wallace (Braveheart), 1535 Thomas Morus, 1606 Guy Fawkes und 1649 König Charles I. zum Tod verurteilt.


Seit 2001 hat sich gegenüber des Parlaments eine zähe Gruppe häuslich eingerichtet, die gegen die Kriege der britischen Außenpolitik protestiert und für die Beendigung des Tötens eintritt.


Am Südufer der Themse, Blick über den Fluß auf die St Paul's Cathedral und die Wolkenkratzer der Finanzhöhle und Finanzhölle City of London.


Den Fluß Themse säumten in früheren Jahrhunderten bis in die 1960er Jahre zahlreiche Hafenanlagen. Viele Gebäude sind heute umfunktioniert, so etwa die ehemalige Werft Hay's Wharf aus den 1850er Jahren, die mit ihrer schönen Überdachung heute als Einkaufszentrum namens Hay's Galleria dient. In der Mitte standen hier einst Schiffe.


Die 1894 eröffnete Tower Bridge. In altertümlicher Verkleidung ein damaliges technisches Wunderwerk einer Zugbrücke.


Daneben der namensgebende Tower. Der älteste Teil der normannischen Burganlage aus dem 11.Jh. mit den vier Türmen ist inmitten der äußeren Mauern aus dem 13.Jh. schön zu sehen. Links im Vordergrund am Flußufer das sogenannte Traitor's Gate, durch das die Gefangenen nach der Umfunktionierung des vormals königlichen Schlosses zum Gefängnis vom Boot oder Schiff in Haft oder zur Hinrichtung geführt wurden.

Leeds

16.8.2011

Die nordenglische Stadt Leeds ist nicht gerade für besondere Sehenswürdigkeiten bekannt, sehr wohl allerdings für ihren Fußballverein, der hier besucht wurde. Vor dem Spiel ergab ein Rundgang durch das Zentrum dennoch einige schöne Eindrücke der vor allem aus der viktorianischen Zeit des 19.Jhs. geprägten Altstadt.
788.000 Menschen leben heute in Leeds.

Das 2004 geschlossene Old Post Office am City Square. Dieser eröffnet vom Bahnhof kommend den Weg ins Zentrum. In der Mitte des Platzes steht ein bei der 1899 vollendeten Gestaltung des Platzes errichtetes Reiterstandbild des Black Prince genannten Prinz Edward aus dem 14.Jh.


Die imposante Town Hall, das 1858 fertiggestellte Rathaus der Stadt. Repräsentativbau der viktorianischen Zeit, als die Stadt ein bedeutender Industriestandort war.


Ein paar Schritte entfernt steht die 1933 eröffnete Civic Hall, Sitz der Stadtregierung, am zum Jahr 2000 neu gestalteten Millennium Square. Bemerkenswert die goldene Uhr an der rechten Seite des Gebäudes. Das Bauprojekt bot in der Weltwrtschaftskrise vielen Menschen Arbeit. Das architektonische Design weist aber mehr ins 19. als ins 20.Jh.


In der Fußgängerzone der Briggate.


Die Briggate ist von mehreren, verschieden gestalteten Arkaden aus der Jahrhundertwende 1900 gesäumt.


Das 1864 fertiggestellte Gebäude der Corn Exchange. 1990 wurde aus dem ehemaligen Getreidehandelsgebäude ein Einkaufszentrum.


Von außen wirkt die Corn Exchange noch nicht übermäßig imposant, die Größe des elliptischen Baus und seiner Glaskuppel eröffnet sich aber im Inneren.

Montag, 15. August 2011

Der Parthenon




Mary Beard
Der Parthenon
Stuttgart 2009 (Reclam)
240 S.








Da im anstehenden London-Aufenthalt eine eingehende Besichtigung des British Museum am Plan steht, habe ich mich ein wenig in die Geschichte von dessen bedeutendstem Ausstellungsstück, dem Fries des Parthenons, eingelesen.

Die Altertumswissenschaftlerin Mary Beard hat dazu 2002 ein lesenswertes Buch veröffentlicht, dessen 2009 erschienene Übersetzung von Ursula Blank-Sangmeister und Anna Raupach den schwungvollen und flott zu lesenden Sprachstil vermittelt.

Der über allem stehenden und seit fast zwei Jahrhunderten währenden Streitfrage, ob die mehr oder weniger brutale Demontage der Skulpturen von der Ruine des antiken Parthenon-Tempels auf der Akropolis von Athen und ihr Abtransport nach England Anfang des 19. Jahrhunderts mehr Raub oder mehr Rettung war, nähert sich Beard in nüchterner Herangehensweise. Sie beleuchtet beide Seiten .

Überaus spannend macht das Buch Beards Ansatz, die Geschichte des Parthenons nach der Antike genauso zu betrachten wie zur Zeit seiner Entstehung: „Der Parthenon ist schließlich auch eine moderne Ikone, nicht nur eine antike Ruine. Wenn wir seine Bedeutung in der antiken Welt erfassen wollen, müssen wir auch verstehen, was mit ihm in den vergangenen 2000 Jahren passiert ist“. Bemerkenswert für eine Althistorikerin nimmt sie so das Bauwerk in größerem Kontext ins Blickfeld als allein im Fokus auf das 5.Jh.v.u.Z.

Beard verweist darauf, daß sowohl die Umwandlung des Gebäudes für christliche als auch später für islamische Zwecke zentral wichtig war, um es zu erhalten und so seinen Fortbestand zu sichern. „Als die neuen türkischen Herrscher den Parthenon in den frühen 1460er-Jahren zu einer Moschee umfunktionierten, war er de facto etwa genauso lange eine christliche Kirche wie vorher ein heidnischer Tempel gewesen. Die meisten modernen Wissenschaftler (und Reiseführer) [...] nehmen keine Notiz von den glorreichen Zeiten des Parthenons als Kirche der Heiligen Maria von Athen. Erst recht keine Notiz nahm man von der Moschee, der nächsten Metamorphose des Parthenons.“

Zur Verteidigung der Stadt wurde die Anlage der Akropolis hoch über Athen immer schon genutzt. So auch Ende des 17. Jahrhunderts von den damaligen osmanischen Truppen. Dabei kam es zur Katastrophe.
„Die Türken hatten, gelinde gesagt, sehr großes Pech mit ihren Pulverdepots“, schreibt Beard. „Im Jahr 1645 schlug in das Magazin in den Propyläen der Blitz ein, die Familie des Disdar kam dabei ums Leben und das Bauwerk trug starke Schäden davon. Als Athen 1687 erneut angegriffen wurde, diesmal von venezianischen Streitkräften einer gegen das Osmanische Reich gerichteten Heiligen Liga, beschloss man, die Munition (zusammen mit den Frauen und Kindern) stattdessen im Parthenon unterzubringen. Möglicherweise vertrauten sie, so die Meinung eines venezianischen Historikers, ,auf die Stärke der Wände und Gewölbe. Oder vielleicht dachten sie auch, dass die gegnerischen Christen nicht versuchen würden, ein Gebäude zu zerstören, das so lange Zeit eine berühmte Kirche gewesen war. Wie auch immer, sie waren gewaltig im Irrtum. Die venezianischen Armee unterstand einem schwedischen General, Graf Koenigsmark, und dieser bombardierte den Bau. Noch erhaltene Spuren allein an der Westseite zeigen, dass etwa 700 Kanonenkugeln ihr Ziel trafen, und etliche der mörderischen Geschosse wurden noch an Ort und Stelle gefunden. Schließlich geschah das Unvermeidliche, das Munitionslager fing Feuer und es kam zu einer gewaltigen Explosion. 300 Menschen verloren dabei ihr Leben (was in der Geschichte der archäologschen Tragödie gewöhnlich vergessen wird), das Zentrum des Gebäudes flog in die Luft, 28 Säulen, Teile des Frieses und der Innenräume, die als Kirche und Moschee gedient hatten, wurden zerschmettert.“
Beard resumiert: „Von da an ist die Geschichte des Parthenons die Geschichte einer Ruine.“

Zu beachten ist, daß die Ruine, die nach 1687 bestand, einen weitaus ruinierteren Anblick bot als sie dies heute tut: ,Unser Parthenon mit seiner unverwechselbaren Silhouette ist ein Werk des frühen 20. Jahrhunderts. Was die Explosion zurückließ, war ein Trümmerfeld mit einigen Säulen an jeder Seite. In den 1920er Jahren wurde Säulen aus verschiedenen Bruchstücken zusammengesetzt und aufgestellt und so erst der heutige Anblick einer durchgehenden Säulenreihe gestaltet.

Als symbolbeladener Ort des zunächst kleinen, neuen unabhängigen griechischen Staates wurde der Parthenon im Lauf des 19. Jahrhunderts bearbeitet und spätere Gebäude ungeachtet eigener jahrhundertealter Geschichte abgerissen. „Alles, was der Besucher heute sehen kann, ist das, was die Archäologen des 19. Jahrhundert für die Nachwelt erhalten wollten; ein paar klassische Monumente aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die in herrlicher (beklemmender) Vereinzelung dastehen und ihrer späteren Geschichte weitestgehend beraubt sind.“

Ein sehr gut geschriebenes, kurzweiliges und dabei überaus informationsreiches kleines Buch.

Sonntag, 14. August 2011

Stattegg

13.8.2011

Unweit des Fußballplatzes des Orts Stattegg im Norden von Graz liegen die denkmalgeschützten Kalköfen. Jahrzehntelang wurde hier Gestein zerkleinert und in den Öfen daraus Kalk gewonnen. Der Ausbau der Öfen stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Betrieb des Kalk- und Schotterwerks in Stattegg wurde 1966 endgültig stillgelegt.

Mittwoch, 10. August 2011

ÖZP 2010/2



Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft
2010/2
111 S.







Zum Thema Emotionen in der Politik(wissenschaft) gibt es hier zwei interessante historische Beiträge. Dirk Jörke befaßt sich mit der Rhetorik des Aristoteles, die er sehr spannend als Anleitung zur Emotionspolitik analysiert. Aristoteles hat für Jörke in diesem Werk ein Politikverständnis entwickelt, das sich an den realen Praktiken orientiert und daher nicht nur die Vernunft, sondern auch die Leidenschaften der Menschen einkalkuliert.
Oliver W. Lembcke und Florian Weber wiederum unternehmen eine Spurenlese zum Thema Emotion und Revolution, bei dem sie sich v.a. mit der Französischen Revolution von 1789 beschäftigen.
Sehr aufschlußreich ist daneben der Blick auf verschüttete Ursprünge der österreichischen Politikwissenschaft in der Ersten Republik durch Tamara Ehs, als Sozialwissenschaften an den konservativ-geisteswissenschaftlich orientierten und auch wissenschaftsimmanenter Kritik feindlich eingestellten Universitäten wie auch in den Jahren nach 1945 keinen Platz bekamen.

Montag, 8. August 2011

Bratislava

7.8.2011

Bevor am Abend, rechtzeitig zum Fußballspiel, Wind und Regen aufkamen, wurde am sonnigen Nachmittag in Bratislava ein kleines Kulturprogramm absolviert. Nachdem beim jüngsten Besuch hier bereits einiges besichtigt wurde, stand nunmehr hauptsächlich eine geschichtspolitisch-erinnerungskulturelle Erkundung am Programm.

Auf einem Hügel hoch über die Stadt und aus dieser an vielen Stellen gut sichtbar steht das zwischen 1957 und 1960 errichtete Kriegerdenkmal Slavín. Es erinnert an die Befreiung Bratislavas und anderer slowakischer Städte durch die sowjetische Armee im April 1945. Die Gedenkstätte liegt inmitten eines Soldatenfriedhofs damals getöteter sowjetischer Soldaten. 6.850 Menschen sind hier begraben.

Aufgrund seiner prominenten Platzierung über die Stadt war das Denkmal auch umstrittener Reibepunkt, da es nicht nur als Gedenkstätte der Befreiung vom Faschismus, sondern auch als Symbol der folgenden kommunistischen Herrschaft gesehen wurde.

Blick vom Slavín auf die Burg und die Neue Brücke (Nový most).


Aussicht vom Slavín über die Stadt.


Wunderbar pittoresk ist das Betreten der Altstadt über das Michaelertor. Hier von außen in die Michalská ulica (Michaelergasse, ungar. Mihály-utca).


Das Alte Rathaus (Stará radnica, ungar. Régi városháza) am Hauptplatz (Hlavné námestie), ein vom 13. bis ins 19. Jh. immer wieder um- und ausgebautes Ensemble von ursprünglich mehreren Häusern. Heute beherbergt es das Museum der Stadtgeschichte (Múzea dejín mesta).


Im Innenhof des Alten Rathauses, das wie das Museum frisch renoviert und erneuert ist.


Im Museumsbesuch inkludiert ist der Aufstieg auf den Turm des Alten Rathauses. Von hier oben hat man eine schöne Aussicht über die Stadt. Hier der Blick auf den Hauptplatz, dahinter ist links die Neue Brücke und rechts der Turm des Martinsdoms und die Burg zu sehen. In den Räumen des Turms, die man beim Aufstieg passiert, finden sich Bilder, Karten und Pläne zur Geschichte der Stadt und des Turms.


Ebenso sehenswert wie die Ausstellung des Museums sind die Räumlichkeiten. Hier einer der frisch renovierten Prunkräume aus dem 18. Jahrhundert.


Das Ineinandergreifen der Gebäude aus mehreren Epochen wird besonders deutlich, wenn unmittelbar daneben die Ladislauskapelle aus dem 15. Jahrhundert liegt.


Die Ausstellung des Museum der Stadtgeschichte selbst bringt etwas zur Geschichte der Stadtregierung und von Preßburg/Pozsony/Prešporok als ungarische Krönungsstadt. Besonders sehenswert aber vor allem sind die Exponate zur Alltagsgeschichte der Menschen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, wobei hierbei vor allem Stücke aus der Welt des wohlhabenden Bürgertums gezeigt werden. Hier Fahrräder des Vereins der Cyclisten samt Vereinsfahne aus dem Jahr 1895.

Den großen Brüchen des 20. Jahrhunderts, die aus der einst multiethnischen Stadt eine heute praktisch ausschließlich slowakische Stadt machten, wird ausgewichen. Der Zeitraum der Ausstellung endet in den 1930er Jahren. Gerade angesichts der Renovierungsarbeiten hätte man über den Schatten springen können und sich zu einer kritischen Präsentation des 20. Jahrhunderts aufraffen sollen.