Donnerstag, 18. Dezember 2025
Mostar
18.12.2025
In der Stadt Mostar in Bosnien und Herzegovina habe ich ein Fußballspiel besucht. 106.000 Menschen leben hier, davon 60.200 im engeren Stadtgebiet.
Mostar liegt in einem tiefen Tal (nur 60 Meter über Meereshöhe) zwischen den Bergen Velež (1.968 Meter) und Čabulja (1.776 Meter). Vor dem Bosnien-Krieg war Mostar eine typische jugoslawische Stadt mit gemischter Bevölkerung. 1991 waren von den damals 127.000 Einwohnerinnen und Einwohnern 35% muslimisch-bosniakisch, 34% kroatisch, 19% serbisch und 10% definierten sich als jugoslawisch. Heute ist Mostar eines der Beispiele für die tiefe Kluft, die Krieg der 1990er Jahre bis heute zwischen die Menschen gerissen hat. Auf dem Gipfel des Bergs Hum hat man im kroatischen Gebiet im Jahr 2000 ein 33 Meter hohes Kreuz aufgestellt, das im ganzen Stadtgebiet sichtbar ist und kroatisch-nationalen Anspruch auf Stadt und Land darstellt. Als Gegensatz dazu wurde vor zwei Jahrzehnten gegenüber am Fortica-Hügel mit BiH volimo te eine weithin sichtbare Liebeserklärung für Bosnien und Herzegovina geschrieben.
2005 errichtete eine Jugendgruppe eine Statue des US-amerikanischen Filmschauspielers Bruce Lee. Da niemand etwas gegen ihn haben konnte, sollte damit ein Zeichen gegen ethnischen Hass und Gewalt gegeneinander gesetzt werden. 2024 wurde die Statue gestohlen und später zerteilt wiederaufgefunden, da der Dieb das Metall verkaufen wollte. Erst vor wenigen Tagen ist die wiederhergestellte Statue neu aufgestellt worden.
Nach gemeinsamen Sieg mitilfe der Armee Kroatiens gegen die mit schwerem Artilleriebeschuss Mostars durchgeführten serbischen Belagerung 1992, vor der 90.000 der damals 120.000 in der Stadt lebenden Menschen geflüchtet waren, versuchten kroatisch-herzegovinische und bosniakisch-mulismische Seite ihre jeweilige nationale Identität zu stärken, wozu das Überfallen und Ermorden der anderen gehörte. Nach ersten Scharfschützen-Morden im April 1993 brach im Mai der Krieg gegeneinander voll aus. 30.000 Muslima und Muslime, die im Westen der Stadt und in Umlandgemeinden lebten, wurden von kroatischen Soldaten in den Osten vertrieben und 17.000 Kroatinnen und Kroaten, die im Osten und in Umlandgemeinden lebten, umgekehrt von muslimischen Soldaten nach West-Mostar. Mit Artillerie wurden die über die Frontlinie am Fluss hinweg die Häuser der jeweils anderen Seite beschossen. Scharfschützen zielten auf die Zivilbevölkerung der anderen Seite und erschossen viele Menschen. Von den neben 1.634 Soldaten 1992 bis 1994 im Krieg in Mostar getöteten 867 Zivilistinnen und Zivilisten waren 614 (71) muslimisch-bosniaknisch, 133 serbisch (15%) und 95 kroatisch 811%). Der muslimische Ostteil Mostars war ohne viel an Lebensmittel- und Stromversorgung eingeschlossen und wurde 1993 und 1994 mit über 100.000 Artilleriegranaten von kroatischer Seite beschossen.
Das 1893 eröffnete, in orientalistischem Stil gestaltete Gymnasiums-Schulgebäude Gimnazija Mostar / Гимназија Мостарw war Teil der Modernisierungsbemühungen unter österreichisch-ungarischer Herrschaft, da hier serbisch-orthoxoe, kroatisch-katholische, bosniakisch-muslimische und jüdische Schüler aufgenommen wurden. Artilleriebeschuss im Bosnienkrieg beschädigte das nahe der Frontlinie stehende Gebäude. Nach dem Kriegsende 1995 wurden in nur einem Stockwerk nur kroatische Kinder unterrichtet. Nach der Vereinigung der beiden Städte 2004 waren auch muslimisch-bosniakische Kinder wieder erlaubt. Die Renovierung des Schulgebäudes wurde 2009 abgeschlossen.
Im Jahr 1474 wurde Mostar als Ortschaft erstmals schriftlich erwähnt. Der Name Mostar kommt vom Wort für „Brückenwächter“. Ein militärisch befestigter Übergang über den Fluss Neretva hier war im Zuge der Eroberung der Balkanhalbinsel 1466 von osmanischen Truppen besetzt worden und im Lauf der Zeit wurde die Ortschaft rundum von ihnen zu einem regionalen Zentrum der Herzegovina ausgebaut.
Die Karađozbeg-Moschee (Karađozbegova džamija) aus dem Jahr 1557 und 1558, ein typischer Bau aus osmanischer Zeit und benannt nach dem Bauherrn Mehmet Karađoz Beg. Zum religiösen Betrieb gehörten verschiedene Einrichtungen wie u.a. die Medrese (Schule). Nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Moschee im Zuge des Bosnienkriegs durch kroatischen Beschuss zerstört, aber 2002 bis 2004 wiederaufgebaut.
Straßenszenen
Die Stari most („alte Brücke“) wurde 1556 bis 1566 in der Zeit des Osmanischen Reichs als feste, aus Stein gebaute Brücke über den Fluss Neretva anstelle einer vorherigen Holzbrücke errichtet. Jahrhundertelang war die Brücke die einzige Brücke über den Fluss hier. Erst Ende des 19.Jh. wurden unter österreichisch-ungarischer Verwaltung drei weitere Brücken gebaut. Die Alte Brücke ist seit dem Bosnien-Krieg der 1990er Jahre Grenzbrücke zwischen dem kroatisch-katholischen Westen und dem muslimisch-bosniakischen Osten der Stadt. Als Wahrzeichen der Stadt und Symbol der osmanisch-muslimischen Zeit wurde die Brücke im November 1993 im Zuge des Bürgerkriegs von der kroatisch-herzegovinischen Armee beschossen und zerstört. Nach dem Waffenstillstand und Friedensschluss 1995 wurde mit Geld der internationalen Gemeinschaft (UNESCO, Weltbank und Türkei) mit dem Wiederaufbau der Brücke begonnen und sie 2004 wiedereröffnet. Aus dem Fluss geborgene Steine der originalen Brücke waren als Baumaterial nicht mehr verwendbar, aber man ließ im selben Steinbruch wie beim Bau im 16.Jh. neue Steine schlagen und verbaute sie nach seinerzeitigen Baumethoden. Für Massenmorde an der muslimischen Bevölkerung, aber auch u.a. den Befehl zur Zerstörung des Weltkulturerbes wurde sechs kroatisch-herzegovinische Kommandanten und Politiker 2013 vom Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Nach Waffenstillstand 1994 und Friedensschluss 1995 bestand Mostar ein Jahrzehnt lang aus zwei getrennten Städten, dem kroatischen Stadt westlich des Flusses und der muslimischen Stadt östlich davon. Der damalige internationalen Verwalter, der Deutschen Hans Koschnick, arbeitete 1994 bis 1996 an der Wiedervereinigung der Stadt. 1994 überlebte er einen kroatischen Granatenbeschuss seines Hotelzimmers in Mostar und 1996 einen weiteren Angriff aus einer Menschenmenge heraus auf seinen Dienstwagen aufgrund dessen Panzerung, wobei sich die kroatisch-herzegovinische Polizei zurückgezogen und nichts unternommen hatte. Er trat später zurück. 2004 wurde formell die Wiedervereinigung zu einer Stadt mit Gliederung in sechs Stadtbezirke beschlossen. Da diese Neuordnung aus nationalistischen Gründen lange boykottiert wurde, gab es erst 2020 wieder Gemeinderatswahlen der gemeinsamen Stadt.
Nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien 1941 im Zweiten Weltkrieg ließ Hitler die Herzegovina und Bosnien dem faschistischen kroatischen Vasallen-Staat der Ustascha angliedern. Die multinationalen, kommunistischen Tito-Partisanen der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee führten jahrelang Krieg gegen deutsche Wehrmacht und SS sowie ihre italienischen, kroatischen und serbischen faschistischen Verbündeten. Im Februar 1945 befreiten sie Mostar. An symbolischem Ort hoch über der Stadt wurde 560 im Kampf gegen den Faschismus gefallene Partisanen nach dem Krieg in einem 1959 bis 1965 nach Plänen des berühmten Architekten Bogdan Bogdanović als Gedenkstätte errichteten Partisanen-Friedhof (Partizansko groblje, Партизанско гробље) begraben. Nach dem Ende Jugoslawiens wurde die Gedenkstätte nicht mehr gepflegt und ist Ziel diverser kroatisch-nationalistischer Vandalismusaktionen. In einer Aktion 2022 zerschlugen Faschisten 700 der insgesamt 810 Grabsteine (ursprünglich hätte noch mehr Gefallene begraben werden sollen) und beschmierten die Bruchstücke und die Anlage mit zahlreichen Hakenkreuzen und diversen faschistischen Symbolen und Sprüchen. Letztere wurden entfernt, die Gedenkstätte ist aber weiter eine Ruine.
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