Samstag, 14. August 2021

Lille

14.8.2021

Im französischen Lille wurde ein Fußballspiel besucht. 234.000 Menschen leben in der eigentlichen Stadt Lille, mit der 85 Gemeinden umfassenden Unité urbaine Métropole Européenne de Lille sind es 1,1 Mio. Menschen.

Der Bahnhof Lille-Flandres wurde 1869 bis 1892 gebaut. Für die Außengestaltung wurde die Fassade des ehemaligen Belgischen Bahnhofs in Paris hierhergebracht, wiederaufgebaut und aufgestockt. Mit 27,15 Metern gibt es hier die größte Bahnhofshalle Frankreichs.


Straßenszene. Der ursprünglich französisch L’Isle („die Insel“) geschriebene Name Lille leitet sich, wie auch der niederländische Stadtname Rijsel (von „ter IJssel“ / „zur Insel“), von der ursprünglichen Lage der Siedlung auf einer Sumpfinsel ab, wo sie im 11.Jh. gegründet wurde.


Industrie- und Handelskammer am Place du Théâtre mit bemerkenswertem Turm.


Alte Börse. Lille liegt im Norden Frankreichs, zwischen der niederländischsprachigen belgischen Region Flandern im Norden und der französischsprachigen belgischen Region Wallonie im Osten. Lille war im Mittelalter Teil der historischen Region Romanisch-Flandern – dem Territorium der Grafschaft Flandern, das sich außerhalb des westflämischen Sprachraums befand. Lille war eine flämische, aber trotz der nahen Sprachgrenze eine romanische (später französischsprachige) und nicht niederländischsprachige Stadt.


Grand Place


Inmitten des Grand Place steht eine Säule mit Göttinnenfigur als Erinnerung an die Belagerung und schwere Bombardierung der Stadt 1792 durch 20.000 österreichische Soldaten. Im Zuge der Kriege der europäischen Monarchien gegen die Französische Revolution griff das Habsburgerreich von seinem Gebiet der österreichischen Niederlande (heute Belgien) aus Frankreich an. Militärisch hielt die Festungsstadt Lille der Belagerung stand, viele Menschen waren aber tot oder verletzt, zahlreiche Häuser kaputt und die hier am Platz befindliche mittelalterliche Kathedrale Saint-Etienne so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr wiederaufgebaut wurde. Die Statue als markantes Wahrzeichen der Stadt trägt seit dem Frühjahr einen Fanschal zur Erinnerung an den französischen Meistertitel von LOSC.


Straßenszenen


Die Kathedrale von Lille (Basilique-cathédrale Notre-Dame-de-la-Treille de Lille) hat eine recht eigenwillige Baugeschichte. Mit ihrem Bau wurde 1854 im neugotischen Stil als monumentaler Schrein für die in der katholischen Religion verehrte Holzskulptur aus dem 12.Jh. Unserer Lieben Frau von Treille begonnen. Die Skulptur war seit Mitte des 13.Jh. in der Stiftskirche Saint-Pierre aufbewahrt und als wundertätig religiös verehrt worden. Diese Kirche wurde aber nach der Kriegsbeschädigung bei der Belagerung der Stadt durch ein österreichisches Heer 1792 im Zuge der Französischen Revolution verkauft und abgerissen. 1947 war der Neubau der Kathedrale nach einem Jahrhundert weit fortgeschritten, aber noch lange nicht beendet, als ein Baustopp beschlossen wurde. 1953 fiel die Entscheidung, die Gewölbe niedriger und einfacher als geplant zu bauen. Dennoch dauerte deren Fertigstellung bis 1974. 1991 wurde beschlossen, den provisorischen Westabschluss abzureißen und statt der vorgesehenen neugotischen Westfassade mit Maßwerk-Rosette und zwei großen Türmen eine postmoderne, nur anspielungsweise gotisierende Schauseite mit Rundfenster zu errichten. Diese wurde 1999 vollendet. Die Marienskulptur, um die es anfangs gegangen war, wurde übrigens 1959 gestohlen. Man hat nur mehr eine Kopie.


Straßenszenen


Die Zitadelle von Lille wurde 1667 bis 1673 nach Plänen des französischen Festungs-Architekten de Vauban mit Bastionen in fünfeckigem Grundriss auf einer Flussinsel mit zusätzlichen Wassergräben gebaut und galt seinerzeit als eine der stärksten Festungen für Kriege. Aufgrund der militärstrategischen Lage wurde Lille in zahlreichen Kriegen die meistbelagerte Stadt Frankreichs und gehörte im Lauf der Geschichte zur Grafschaft Flandern, zum Königreich Frankreich, zum Haus Burgund, zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und zu den Spanischen Niederlanden, bevor sie am Ende des spanischen Erbfolgekrieges im 18.Jh. wieder an Frankreich fiel. Sie wurde 1792 während des ersten Koalitionskrieges zwischen Frankreich und Österreich noch einmal länger belagert und im Ersten Weltkrieg vom 1914 vom deutschen Heer schwer bombardiert. Während beiden deutschen Besatzungen 1914 bis 1918 und 1940 bis 1944 in den beiden Weltkriegen des 20. Jh. wurde die Bevölkerung jeweils schwer unterdrückt und hatte vor allem durch quälenden Hunger aufgrund geringer Lebensmittelversorgung zu leiden. Es gab Widerstand und Terrormaßnahmen wie Geiselerschießungen zu deren Repression. Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg 1940 reagierte die Wehrmacht auf den Bergarbeiterstreik 1941 in Nordfrankreich nach dem Hungerwinter 1940/41 mit bis zu 100.000 Streikenden mit Massenverhaftungen, Deportationen und Erschießungen. Die Kléber-Kaserne in Lille wurde in ein Internierungslager umgewandelt. Von den 450 Verhafteten wurden über 240 in deutsche KZ deportiert. Zwischen August und November 1941 verhafteten die deutschen Besatzungssoldaten als Repressalie 50 willkürlich ausgewählte Personen in Lille und erschossen als öffentlichkeitswirksame Terrormaßnahme 25 Geiseln, u.a. hier in der Zitadelle von Lille.


Les Fusillés lillois. Das Denkmal aus dem Jahr 1929 erinnert an vier von deutschen Besatzungssoldaten im Ersten Weltkrieg wegen Widerstands gegen die Besatzung am 22.9.1915 erschossene Menschen (den Kaufmann Georges Maertens, den Soldaten Ernest Deceuninck, der Arbeiter Sylvère Verhulst sowie den Weinhändler Eugène Jacquet) und den am 8.11.1915 wegen des Vorwurfs der Spionage erschossenen 18-jährigen Léon Trulin (am Boden liegend). Nach der erneuten deutschen Besetzung der Stadt 1940 wurde es von deutschen Soldaten zerstört, aber nach der Befreiung 1944 rekonstruiert und 1960 hier neu aufgestellt.


Eine weitere Statue mit LOSC-Schal in der Stadt.


Porte de Paris, 1685/92 zur Glorifizierung der Eroberung Lilles und Angliederung an Frankreich unter König Ludwig XIV. 1667 erbautes Stadttor der ehemaligen Stadtmauer.


Das Rathaus wurde 1924 bis 1932 in markanter historistischer Architektur flämischen Stils im zeitgenössischen Material Beton erbaut. In wahrstem Sinne hervor sticht beachtliche 104 Meter hohe Turm. Das vorerhige alte Rathaus war 1916 nach einem Kurzschluss abgebrannt. Eine Katastrophe, die aber von der Explosion in einem deutschen Munitionsdepot ebenfalls im Jahr 1916 noch in den Schatten gestellt wurde. Bei dem Unfall wurden neben 30 deutschen Soldaten 104 Einwohnerinnen und Einwohner von Lille getötet, über 400 verletzt und ganze Straßenzüge weggeblasen.


Durch die Industrialisierung, die hier sowohl durch eine Mechanisierung des traditionellen Textilgewerbes als auch durch den Kohlebergbau geprägt war, wuchs die Stadt im 19.Jh. stark an. Um die Jahrhundertwende 1900 beschäftigten Spinnereien mehr als 15.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, die Webereien 5.000 und die metallverarbeitende Industrie 15.000. Die Lebensbedingungen waren großteils furchtbar. 1866 starben 6.819 Menschen an einer Cholera-Epidemie. Im Jahr 1900 gab es hier mit 30% die höchste Kindersterblichkeit Frankreichs (jedes dritte Kind!). Gegen die Verhältnisse erstarkte die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung. Lille war die erste Stadt Frankreichs, die 1896 einen sozialistischen Bürgermeister – Gustave Delory – wählen konnte. Delroy und seinem Nachfolger gelang eine Politik, welche die Gesundheit und das Leben der Menschen Lilles erheblich verbesserten.


Memorial de la Résistance de Noble Tour. In dem ursprünglich 1402 erbauten Turm befinden sich eine Urne, die an das Leiden der Deportierten erinnern soll. Sie enthält Asche und Knochenreste von Personen, die in den KZ der Nazis ermordet wurden. Bei Razzien durch die deutsche Feldgendarmerie und Gestapo verhafteten diese am 11. September 1942 in der Region 528 Jüdinnen und Juden, die über Malines/Mechelen (Belgien) zur Ermordung in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Darunter waren 73 Kinder zwischen drei Monaten und 17 Jahren aus Lille. Nur neun überlebten. Jüdinnen und Juden wurden auch auch vorher und nachher von den deutschen Besatzungsbehörden gesucht und für die Deportation in KZ verhaftet. 34 Kinder waren vor ihrer Deportation von Eisenbahnern in Sicherheit gebracht und gerettet worden. Am 1. September 1944 griff der französische Widerstand deutsche Besatzungssoldaten und Konvois an, die in Richtung Belgien abzogen. Sie konnten aber die Abfahrt des letzten Deportationstransports mit über 870 gefangenen Widerständlern und aus der Zivilbevölkerung gefangengenommenen Geiseln aus dem Gefängnis von Lille in die KZ nicht verhindern.


Straßenszenen

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