Montag, 30. März 2009

Datum 4/09



Datum
4/09
98 S.








Eine Reportage, wie es Arbeitslosen geht (Wirtschaftskrise heruntergebrochen). Eine Geschichte über Kinder von Besatzungssoldaten in Vorarlberg mit marokkanischen Vätern, die als französische Soldaten 1945 hierher gekommen sind (nicht neu, aber interessant). Ein Artikel über ferne Eilande wie das schwedischsprachige finnische Åland und dortige Autonomiebestrebungen (EU-Unzufriedenheit einmal anders).
Das alles hat mir sehr gut gefallen und macht das Heft zu einem guten, lesenswerten.

Da verzeih' ich mal nonchalant, daß sie einen Text, der einem "galiläisch-jüdischen Wanderprediger und Wunderheiler" (Pluspunkt) genannt Jesus von Nazareth zugeschrieben wird, abdrucken. Mal ganz abgesehen davon, daß die Religion, die sich auf ihn beruft Mord, Raub und Leid über die Welt gebracht hat (das tut jede Religion, das ist ihr Wesen): Der Text stammt nicht von diesem Jesus, sondern einem Mann genannt Matthäus, der Jahrzehnte später Worte von jenem aus dem Hörensagen niedergeschrieben hat, die dann über die Jahrtausende von Religionsvertretern "geschliffen" worden sind. Sollte man vielleicht dazu erwähnen.

Freitag, 27. März 2009

Europäische Rundschau 2009/1




Europäische Rundschau
1/2009
132 S.







Das Heft enthält einen informativen Artikel von Klaus Schrameyer über das gespannte Verhältnis von Mazedonien und Griechenland sowie einige interessante Buchbesprechungen.

Am spannendsten ist der sehr persönliche Essay Karl Marx aus dem Blickwinkel eines osteuropäischen Intellektuellen des ungarischen Ökonomen János Kornai. Er selbst beschreibt sein Denken, einem Engels-Zitat folgend, als "eklektische Armensuppe", beeinflußt von Marx, Schumpeter, Keynes und Hayek. Marx im Spiegel seiner Biographie, des 1928 in bürgerlichen Haushalt geborenen, 1945 unter Eindruck der Befreiung von Faschismus und Nazismus Kommunist und Marxist (in dieser Reihenfolge) gewordenen, dem in den fünfziger Jahren Zweifel an der Richtigkeit des politischen Systems kamen (die Kenntnis von Geheimpolizei und Folter führte zum "Zusammenbruch der ethischen Grundlage" seiner Überzeugungen) und der als Ökonom schließlich an die Grenzen der marxistischen Theorie zur Erklärung der Wirtschaft stieß.
Kornai wendet sich strikt gegen die Argumentation, man könnte das von Lenin und Stalin geprägte Ostblock-System von den Ideen Marx' trennen. Kornai meint, daß Marx als kritischer Geist wohl zutiefst entsetzt gewesen wäre, wenn er Folterkeller und sibirische Lager gesehen hätte, durch eine Geringschätzung der Demokratie aber "intellektuelle Verantwortung" trage: "Marx ignoriert das Problem als solches, das heißt, den ganzen Problembereich des institutionellen Schutzes der Menschenrechte und Freiheiten. Diese Geringschätzung haben sowohl Lenin als auch seine getreuen Anhänger verinnerlicht." Intellektuelle Verantwortung - Verantwortung nicht im strafrechtlichen und nicht im ethischen Sinn, wie Kornai schreibt.
Er stellt aber auch fest, Marx "überflutet" uns "mit Gedanken und Analysemethoden", deren manche - im angesprochenen eklektischen Sinn - immer nochgültig seien und mithelfen, die Welt von heute besser zu verstehen. Kornai nennt hier u.a. den Stellenwert der schöpferischen und zerstörerischen Kraft des Kapitalismus, den Begriff des Kapitalismus in seiner Theorie der aufeinanderfolgenden Produktionsweisen oder Marx' Rolle als Pionier und Praktiker der Interdisziplinarität als Ökonom, Soziologe, Politologe und Historiker.

Ich bin ja so sehr Historiker, daß ich Schriften wie z.B. die von Marx meist im historischen Kontext denke und nicht im Sinne einer steinbruchartigen Zitatklauberei oder der Anwendung auf aktuelle Politik. Ein wohl unpolitischer, aber mein Zugang: Gestern als interessanter als heute oder gar morgen.
So brauche ich nicht Marxist zu sein und auch nicht Eklektiker, um manches für irrsinnig faszinierend und anderes für unverständlich oder falsch zu halten.

Dienstag, 24. März 2009

Blätter, März 2009



Blätter für deutsche und internationale Politik
Heft 3/2009
128 S.








Bedrückend der Artikel von Ann Jones über den "Krieg gegen die Frauen" im bürgerkriegsgeplagten Kongo, in Brutalität und Zahl unvorstellbaren Vergewaltigungen.

Interessant im Heft weiters der Artikel von Ralf Gössner über die EU-Terrorliste, deren Erstellungskategorien zweifelhaft sind, aber deren Konsequenz für die Betroffenen einer "zivilen Todesstrafe" gleichkommt. Aberkennung von Aufenthaltstitel, Sperre der Konten, keine Auszahlung von Löhnen und staatlichen Transfers. Und alles ohne Anklage, offizielle Benachrichtigung, Möglichkeit zur Stellungnahme, zeitliche Begrenzung oder Möglichkeit von Rechtsmitteln dagegen. Rechtsstaat sieht anders aus.

Zur Debatte um die Rehabilitierung von durch die NS-Justiz verurteilten "Kriegsverrätern" in Deutschland schreibt - wie schon kurz in der spw - hier ausführlich der ehemalige Richter Helmut Kramer. Erschreckend, wie die gleichen Argumentationsmuster - Nichtanerkennung der Qualität des Nazismus als Unrechtsstaat und des Zweiten Weltkriegs als verbrecherischem Krieg, Verächtlichmachung der Widerstandshandlungen "kleiner Leute" - immer wieder kommen. Wie zuletzt in der Debatte um die Rehablitierung von Deserteuren.
Marginalie: Nach dem ehemaligen WIFO-Chef und dem Wiener Politikwissenschaftler in Österreich nun der dritte Helmut Kramer, der mir öffentlich agierend unterkommt.

Donnerstag, 19. März 2009

spw 169



spw
Heft 169 (1/2009)
Februar 2009
63 S.







Das Heft beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Perspektiven der Überwindung der Wirtschaftskrise. Kai Burmeister und Till von Treeck schreiben etwa:
"Es spricht zwar einiges dafür, dass mit der aktuellen Finanzkrise die Hochphase der Deregulierung auf der ökonomischen Ebene ihr Ende gefunden hat. Doch im Alltagsverstand der verschiedenen Milieus ist noch längst nicht darüber entschieden worden, wer diese Krise zu verantworten hat und wie eine kooperative und solidarische Auflösung erfolgen kann." Politische Lösungsmöglichkeiten sind immer Gegenstand von Auseinandersetzungen. Ob die Frage der "Schuldzuweisung" als Basis einer Schlußfolgerung ansatzweise konsensual beantwortet werden wird, wage ich auch immer noch zu bezweifeln. Krisen sind nicht nur eine Schwäche des Kapitalismus, sondern eben auch seine wesentliche Kraftquelle. Das - gewiß in einer anderen Liga spielende - Platzen der "New Economy"-Blase hatte dem Neoliberalismus auch nicht geschadet.
Weiter Burmeister/Treeck: "Diese allgemeine Verunsicherung spiegelt sich im politischen Mitte-Links-Lager nicht zuletzt in der weitgehenden Abwesenheit von gesamtwirtschaftlichem, keynesianischem Denken wider. So hat sich ein Teil dieses Lagers lange Zeit kritiklos auf die Seite der Deregulierungspolitik geschlagen, während ein andere Teil in wenig konstruktiver Weise die Wirtschaft an sich bekämpfen wollte. Auf beiden Seiten dieser Achse ist dann die Fähigkeit verloren gegangen, eine klare Vorstellung von den gesamtwirtschaftlichen Zielvorstellungen für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre zu formulieren."

In diesem Sinne gibt es hier einiges zur Analyse der Finanzkrise und Ansätze für eine linke Wirtschaftspolitik.
Alles sehr spannend, wenngleich es mir mittlerweile fast schon zu viel wird. Ist es ein Alarmzeichen, wenn dann Texte über Leiharbeit und Pensionspolitik fast schon erholende Lektüre sind? Natürlich wird jetzt überall viel über Ökonomie geschrieben, ist ja wichtig und auch meist sehr interessant. Und natürlich müßte ich nicht alles lesen. Oder weniger. Aber das kann ich halt nicht, Gewohnheitstier, das ich bin. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt - gelesen wird, was abonniert ist.

Montag, 16. März 2009

Der Knochenmann



Der Knochenmann
Österreich 2009
Regie: Wolfgang Murnberger
u.a. mit: Josef Hader, Birgit Minichmayr, Josef Bierbichler






Ein sehr, sehr witziger Film. Eigentlich hab' ich mich zu Beginn fast gefürchtet, daß viele grausliche Szenen kommen. Okay, eine in den Hals gerammte Flasche war nicht ohne - aber dann war ich schon soweit, "ist eh nicht so schlimm" zu denken, als jemand mit Fleischerhaken an der Ferse aufgehängt erscheint. Danke, das war hart.

Aber Dinge wie die Expedition des Rollstuhlfahrers, trockene Schmähs wie "Das ist kein Gasthaus, das ist ein Wirtshaus", fliegende Autodächer und derartig viel Situationskomik (der panierte Finger!!!) machen einen großartigen Film daraus. Und die romantischtmögliche Liebesszene von Hader und Minichmayr mit dem Abschluß "Ich hab' ein Tombolalos, ich muß jetzt gehen".

Der dritte Film der Krimiserie nach den Büchern von Wolf Haas. Mangels Interesse an Krimilektüre hab' ich das Buch wie die anderen davor nicht gelesen. Aus dem Interview mit Autor Haas und Regisseur Murnberger im Falter hab' ich so erfahren, daß es da auch noch eine Fußballgeschichte gegeben hätte, sie aber lieber die Handlung mit der Kellnerin (was für eine Überraschung!!!) genommen haben. So bleibt ein als Österreich-Fan am Faschingsfest Kostümierter als einziger Fußballbezug. Macht aber nicht das Geringste. Ich kann mich nur wiederholen: Ein großartiger Film.

P.S.: Eine weitere Bestätigung meiner Abneigung gegen den ländlichen Raum :-)

Mittwoch, 11. März 2009

Österreich. 90 Jahre Republik


Stefan Karner / Lorenz Mikoletzky (Hg.)
Österreich. 90 Jahre Republik
Beitragsband der Ausstellung im Parlament
Red.: Manfred Zollinger
Innsbruck/Wien/Bozen 2008
(Studien Verlag)
636 S.





Das Problem dieses Sammelbandes: Es scheint, daß kein Konzept dahinter steht, sondern es sich um eine Addition von Beiträgen handelt.
So stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien manche Artikel die Anfangsjahre der Ersten Republik behandeln und andere einen Querschnitt über 90 Jahre geben. Dies ist für einzelne Beiträge logisch, im Gesamtzusammenhang klafft allerdings eine Lücke. Die Entwicklung der politischen Parteien ist so etwa auch nach den 1920er Jahren interessant. Die politische Entwicklung der Zweiten Republik wird überhaupt ausgeblendet. "Heiße", aktuellere, politische Konflikte kommen in vielen Artikeln schlicht nicht vor.
Anstelle eines einführenden Beitrags, der eine Klammer skizzieren hätte können, gibt es gerade mal eine Seite "Einführende Bemerkungen" der Herausgeber Karner und Mikoletzky, die ein "Bukett an Aufsätzen" ankündigen. Man muß "keinen Anspruch auf Vollständigkeit" erheben, aber ein über die Darbietung eines Buketts hinausgehendes Konzept ist kein Fehler.

Die Qualität der einzelnen Artikel ist mehr als heterogen.
Es gibt Beiträge von Fachleuten, die in ihrem Spezialgebiet brillante Kurzdarstellungen bieten, so u.a. Helmut Konrad über die Sozialdemokratie in der Ersten Republik, Robert Kriechbaumer über die Christlichsozialen in der Republiksgründungsphase, Hannes Leidinger über die Rätebewegung, Brigitte Bailer-Galanda über Verfolgung und Widerstand 1938-1945, Winfried R. Garscha über Entnazifizierung und Kriegsverbrecherprozesse nach 1945, Rolf Steininger über Südtirol, Emmerich Tálos über Arbeitslosigkeit und Sozialpolitik, Oskar Achs über Politische Bildung an den Schulen, Ernst Bruckmüller in einem weiteren Artikel über die Findung der österreichischen Nation im Kleinstaat. Hier wurde (von usual suspects) hohe Qualität versammelt und publiziert.

Es gibt aber auch anderes. Da meine ich jetzt gar nicht Dinge wie eine Darstellung der Rolle der katholischen Kirche, die ihren Weg - übrigens nicht nur im Buch, sondern notabene auch in der Ausstellung - wenig hinterfragt als "von der Stütze der Monarchie zur Mitgestalterin des demokratischen Staatswesens" beschreibt. Ihre Rolle als aktive politische Partei in der Ersten Republik wird nicht verschwiegen, die Implikationen und Folgen dieser Rolle und der wesentliche Beitrag am Schaufeln des Grabes der Demokratie und deren Abkrageln aber doch sehr geglättet. Oder wenn im Artikel über die Universitäten die heftigen Kontroversen um die Gesetze von 1975 und 2002 nicht erwähnt und hier ein sich aus der Logik der Sache ergebender Weg in "Autonomie" erscheint anstelle politischer Entscheidungen. Darüber kann man streiten und da spielt eine Portion Ideologie mit, ich geb's zu.
Aber angesichts der Folgenschwere (!) der Einschnitte das austrofaschistische Regime der Jahre 1933/34-1938 schlicht auszublenden und die Nazizeit und ihre Bewältigung auf 23 Seiten (von 636 - wir sprechen von 3,6 Prozent) zu drängen ist eines Buches zur Geschichte Österreichs in den letzten 90 Jahren unwürdig.

Dazu kommen noch Beiträge wie Gabriela Stiebers Artikel über "Migration und Zwangsmigration in Österreich", der eine Aneinanderreihung von Fakten ohne Analyse bietet, die Flüchtlings- und Vertriebenenlager des Ersten Weltkriegs schildert ohne deren sanitäre Bedingungen zu erwähnen und nicht auf die heiße Asyldiskussion der letzten beiden Jahrzehnte eingeht. Dabei wäre dieses Thema doch ein Paradefall, wo "bis heute wirksame Entwicklungsstränge dargestellt werden" könnten, wie das Karner und Mikoletzky als Inhalt des Bands beschreiben.
Stefan Karner schreibt in seinem Text über die Kärntner Minderheitenfrage vorzugsweise über sich selbst in der dritten Person und bietet Scheinobjektivität anstelle eines inneren Blicks auf einen Lösungsversuch Mitte der 2000er Jahre. Eine vertane Chance.
Den Vogel schießt aber ein Text von Helmut Wohnout über die wechselvolle und nicht unspannende Geschichte eines katholischen Pilgerheimes in Jerusalem ab. Interessante Sache, da sich hier in der Geschichte eines Hauses viel vom Nahostkonflikt spiegelt, leider etwas spooky geschrieben - doch v.a.: Was hat das in diesem Zusammenhang hier zu suchen? Was lehrt uns das über die Geschichte von 90 Jahren Republik? Nichts. Schlicht nichts. Es hat damit nichts zu tun. Was soll das?!

So bleibt ein letztlich unzufriedener Blick zurück auf dieses Buch. Manches war erstklassig, dazu zählen auch die Beiträge des des Blick von außen über "Österreich im internationalen Gefüge". Manches war - politisch motiviert, das unterstelle ich mal - lückenhaft, wie u.a. gleich zwei Beiträge zum Militär, die aber beide nur jeweils einen Satz zu den Bürgerkriegs-Einsätzen des Bundesheers 1934 "brauchen". Manches einfach schlecht. Das konnte auch ein gutes Schlußkapitel über "Identität und Erinnerung" mit einem glänzenden Essay von Manfred Zollinger über das wirkungsmächtige, aber nicht belegte Zitat "der Rest ist Österreich" nicht retten.

Montag, 9. März 2009

Der weiße Apache - Die Rache des Halbbluts


Der weiße Apache - Die Rache des Halbbluts
(Bianco apache)
Italien/Spanien 1986
Regie: Bruno Mattei
u.a. mit: Sebastian Harrison, Lola Forner




Ein Einstieg mit einer ziemlich brutalen Anfangsszene, in der gleich mal Kehlen aufgeschnitten und kleine Kinder erschossen werden. Im an Brutalitäten nicht armen Film entwickelt sich aber v.a. eine spannende Handlung um einen als "Indianer" aufwachsenden Sohn ermordeter weißer Eltern, der als Erwachsener die "Welt der Weißen" Welt kennenlernt, um angewidert und zur Rettung derselben in die Welt seiner Jugend zurückzukehren. Auf einem starken antirassistischen Impetus basierend gibt es hier einen sehr schönen Spätwestern, der auf die hier üblichen ausufernden Schnörkeleien verzichtet. Tragend ist zwar eine Liebesgeschichte, was mir sonst einen Western sehr vermiest, hier ist das aber sehr gut eingebaut und stört den Genuß keineswegs - auch das nicht vorhandene Happy End ist hier als Positivum herauszustreichen.

Der erste italienische Spätwestern, der mir wirklich gefallen hat.
Da sehe ich mit Nachsicht über einen muskelbepackten blonden Jüngling als Helden, der praktisch den ganzen Film über seinen nackten Oberkörper ins Bild hält, hinweg. Oder über die zugegeben große Erheiterung darüber, daß die Apachen Polo (!) spielen.

Freitag, 6. März 2009

Widerspruch 55



Widerspruch 55
Beiträge zu sozialistischer Politik
28. Jg. / 2. Halbjahr 2008
240 S.







Anläßlich der Wirtschaftskrise gibt es einige interessante Artikel zur Aktualisierung des Konzepts der Wirtschaftsdemokratie, eines in der Zwischenkriegszeit in Sozialdemokratie und Gewerkschaften geborenen Begriffs zur transformierenden Gestaltung des Kapitalismus.
Wirtschaftsdemokratie stellt für Michael R. Krätke "den Versuch einer demokratisch organisierten Gesellschaft dar, die Wirtschaft zu beherrschen statt von ihr beherrscht zu werden." Krätke plädiert u.a. vehement für radikale Kontrolle der Finanzmärkte, der Banken und der Geldpolitik: "Über die Bankpolitik, über die Politik der Zentralbank kann und muss öffentlich verhandelt werden, in einer wirtschaftsdemokratischen Ordnung gibt es keinen Platz für eine Kaste von Hohepriestern der ältesten geldtheoretischen Dogmen."

Herbert Schui will "Die alte Debatte wieder aufgreifen: für einen großen öffentlichen Sektor", wobei er davor warnt, daß ein jetzt vielleicht wiedererstehender starker Staat z.B. Sarkozy'scher Konzeption, der eingreift und "sehr konkret das Funktionieren des Kapitalismus sicherstellt", etwas anderers ist als Wirtschaftsdemokratie.
Heinz-J. Bontrup faßt vier "grundsätzliche Orientierungen" von Wirtschaftdemokratie zusammen: Es geht um "ethische [moralische] Belange in der Ökonomie, um Freiheit der Individuen durch eine Zurückdrängung von entwürdigenden ökonomischen Abhängigkeiten", um "eine staatliche intervenierende Wirtschaftspolitik in die Märkte, besonders auch in die Finanzmärkte", es müsse "die heute bestehende Marktmacht" marktbeherrschender Unternehmen bekämpft und gleichzeitig "öffentliche Unternehmen und auch der genossenschaftliche Sektor als 'Gegenmacht' zum privatwirtschaftlichen Unternehmensbereich ausgebaut werden" und schließlich gehe es um einen "doppelten Anspruch einer Partizipation der abhängig Beschäftigten. Und zwar als Teilhabe an dem von den Lohnarbeitenden geschaffenen Überschussprodukt und um eine Teilnahme an den Entscheidungsprozessen in Betrieb und Unternehmen."

Aber nicht nur die Wirtschaftsdemokratie wird im Heft behandelt, sondern auch weitere Aspekte von Demokratie und Demokratisierung - von Frauengleichberechtigung, Erwerbsarbeit und Geschlechterdemokraftie, politischer Bildung bis zu ausländerInnenfeindlicher Hetze.

Sehr interessant ist Sarah Ben Néfissas Artikel Nichtregierungsorganisationen, Staat und Zivilgesellschaft in arabischen Ländern. Mit "NGO-Theorie", falls es so etwas gibt, habe ich mich noch nie beschäftigt, sehr spannend jedenfalls ihre Analyse über "anwaltschaftliche NGOs" und "Dienstleistungs-NGOs", die Spezifik der arabischen Zivilgesellschaft und den "halb-behördlichen Charakter der meisten arabischen NGOs".

Darüber hinaus findet sich einiges zu Lateinamerika - mit weiteren positiven Texten über Venezuela. Ohne Zweifel geschieht dort Bemerkenswertes und auch viel Gutes, ich denke mir dabei aber immer, daß ein militärbasierter Sozialismus wohl genauso scheitern wird, wie der bürokratiebasierte Sozialismus gescheitert ist. Ein Ausblenden dieses Aspekts aus Analysen kann mich leider auch nicht von dieser Befürchtung befreien.

Mittwoch, 4. März 2009

Ein Einsamer kehrt zurück


Ein Einsamer kehrt zurück
(Il ritorno di Clint il solitario)
Italien/Spanien/BRD 1972
Regie: Alfonso Balcázar, George Martin
u.a. mit: George Martin, Klaus Kinski, Marina Malfatti






Wenig bis gar nicht stimmungsvolle Bilder in Fernsehspiel-Ästhetik. Eine fürchterliche deutsche Tonfassung. Viel Herzschmerz und herumlaufende lieb dreinschauende Kinder in grüner Landschaft. Erinnert an Rosamunde-Pilcher-Schmafu, es geht hier aber um einen Western.
Die Handlung um einen Zurückkehrenden, der die Familie beschützt, einen Kopfgeldjäger, eine die Stadt terrorisierende Bande - da wäre vom Gerüst her alles da gewesen, doch die Umsetzung ist katastrophal.

Lediglich die Musik von Ennio Morricone und ein wunderbar böse schauender Klaus Kinski lassen hie und da Stimmung aufkommen. Sonst ist das nix.
Die deutsche Synchronisation hat sich nicht einmal auf einen Namen für den Hauptdarsteller einigen können, in manchen Szenen wird er Joe genannt, in anderen John...

Montag, 2. März 2009

Datum 3/09



Datum
3/09
98 S.








Eine sehr schnell in einem Zug durchgelesene Ausgabe. Nichts, wo man länger hängenbleibt. Datum hat somit Profil-Status in meinem Leseverhalten erreicht. Die Assoziation kommt mir vielleicht auch nur wegen der Katholen-Titelgeschichte. Da entkommt einem doch ein gewisses Gähnen.

Sehr spannend war der Artikel über die verzweifelten Versuche einer Ortschaft im südlichen Burgenland, einen Internetzanschluß zu bekommen. Das ist nämlich die Realität, die wirkliche Welt wirklicher Menschen. Nicht die virtuelle Welt des Netzwerkenthusiasmus mit ihren vergänglichen Hypes und Konjunkturen. Die verbindende Wirkung des Internetz wird überschätzt, die trennende Wirkung ist nämlich viel stärker.
- BTW: Ich nehme mal, an, dieses "Facebook" ist schon wieder am Absterben? Nachdem ich durch einen kürzlichen Falter-Artikel davon näher Notiz genommen habe, wird wohl der Höhepunkt überschritten sein. Aber solche Sachen sind mir ohnhin ein Mysterium. Und sind nichts für mich. Bloggen ist für mich ja eigentlich schon viel zuviel - aber das mit der Schreibmaschine tippen und mit Briefmarke drauf per Post verschicken mag' ich dann halt auch nicht. Ein unlösbares Dilemma, meine grundsätzliche Skepsis gegenüber neumodischem technischem Zeug und meine ausgewählte Nutzung mancher Vorteile.
Im übrigen bestärken mich solche Geschichten über Infrastrukturlosigkeit im ruralen Raum in meiner Überzeugung, daß in Österreich ein Leben in der Pampa (also jenseits der Stadtgrenze Wiens) unvorstellbar ist.

Portrait-Artikel über Barbara Prammer (gut) und Herbert Scheibner (ärgerlich, da zu unkritisch - er kann ja kein Ausländerfeind sein, wenn er eine junge, blonde Tschechin als Freundin hat, genau...) gibt's sonst noch. Interessant ist eher der Text über den italienischen Futurismus zwischen Kunst und Politik (Faschismus) - wobei mich letzterer Aspekt eher interessiert.

Hab' ich eigentlich schon mal erwähnt, daß ich die "Ökonometer"-Serie mag? Jedes Monat wird ein Beruf anhand ein bisserl Faktengerüst und eines Interviews dargestellt. Diesmal ist ein Uhrmacher dran. Das ist immer ein kompaktes, kurzes Eintauchen in andere Lebenswelten, das Verständnis fördert.