Samstag, 22. März 2008
Das Manifest - heute
Eric Hobsbawm u.a.
Das Manifest - heute
150 Jahre Kapitalismuskritik
Hamburg ²2000 (VSA)
300 S.
Das 1998 zum 150-jährigen Jubiläum des Kommunistischen Manifests von Karl Marx und Friedrich Engels erschienene Buch beinhaltet einige Beiträge verschiedener AutorInnen. Eine überwältigende Fülle von Gedanken.
Eric Hobsbawms Artikel bringt die Faszination des Manifests auf den Punkt, wenn er schreibt, "was 1848 einem unvoreingenommenen Leser als revolutionäre Rhetorik oder bestenfalls als eine plausible Prognose erscheinen mochte, kann heute als eine knappe Beschreibung des Kapitalismus am Ende des 20. Jahrhunderts gelesen werden. Von welchem anderen Dokument aus den zehn Jahren nach 1840 läßt sich das sagen?" Michael Krätke unterstreicht seine Bedeutung für die sozialwissenschaftliche Theorie: "Im Manifest wird der Prozeß der Modernisierung als höchst ambivalenter Vorgang beschrieben, als historischer Prozeß, der, einmal in Gang gesetzt, sich keineswegs in gerader Linie fortbewegt, bis der ursprüngliche Impetus sich einmal erschöpft hat, sondern in "Widersprüchen", durch heftige Krisen und Konflikte hindurch, in Sprüngen und vielfachen Brechungen weiter geht." Ellen Meiksins Wood widmet sich dem historischen Kontext von Marx' Kapitalismusanalyse. Wolfgang Fritz Haug betont, wie bedeutend es ist, daß die kapitalistische Entwicklung widersprüchlich ist, der Kapitalismus nicht das "unwidersprüchlich Negative" ist und zwischen Kampf gegen die Globalisierung und Kampf gegen neoliberale Globalisierungspolitik zu unterscheiden: "Ist nicht die gegenwärtig noch immer sich herausbildende transnationale und high-tech-kapitalistische Produktionsweise dabei - in wie immer barbarischen Formen von Brot und Spielen in einem Rahmen von Gewalt -, die "kulturelle Vereinigung der Menschheit" voranzutreiben?" so wie das Manifest es vor 160 Jahren analysierte.
Frigga Haug macht sehr interessante "Feministische Anmerkungen" zum Manifest, zur unterbelichteten oder verqueren Beleutung der Geschlechterverhältnisse darin.
Boris Kagarlitzky plädiert für eine Rückkehr zum Marxismus, "der Klasse wieder eine zentrale Stellung im politischen Denken der Linken einzuräumen"; er meint, ein "Aufruf, die traditionellen Werte wieder aufzunehmen, hat nichts damit gemein, den Dialog abzulehnen oder ein hermetisches Leben zu führen. ... Seit der Zeit der Reformation ist Neotraditionalismus die Ideologie der Revolutionäre gewesen." Ebenso sind die Artikel von Colin Leys/Leo Pantich und Joachim Bischoff sehr anregend, gerade wenn man ihnen nicht an jedem Punkt zustimmt.
Auch wenn mir manches zu Sowjetkommunismus-fixiert ist, weil man die Aktualität des Marxismus meiner Meinung nach auch nicht in der Kontrastierung zur sowjetischen Entwicklung deutlich machen kann, da schon Lenin zwar ein Revolutionär, aber alles andere als ein sozialistischer Leitstern war. Schon Marx ja gemeint, daß er kein Marxist ist, wenn Marxismus das ist, was dessen damalige Verfechter darunter verstehen. Hab' ich ein Patentrezept des Sozialismus? Nein. Haben Marx und Engels eins gehabt? Nein. Man muß nicht immer recht haben, wenn man Prognosen macht, diese sind bekanntlich insbesondere dann schwierig, sofern sie die Zukunft betreffen. ÖkonomInnen und MeterologInnen scheitern regelmäßig trotz wissenschaftlichem Bemühen daran. Marx und Engels haben aber eine Grundlinie vorgezeichnet: fundierte Kritik statt Träumerei. Daran kommt man nicht drum herum.
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