Samstag, 22. November 2025

Prag

22.11.2025

Im Prager Stadtteil Kobylisy, der Teil des Stadtbezirks Praha 8 ist, habe ich ein Fußballspiel besucht. 27.000 Menschen leben hier.

Die erste schriftliche Erwähnung als Dorf stammt aus dem Jahr 1297 in lateinischer Sprache als Cobolicz. Nach der Jahrhundertwende wuchs das im Norden er wachsenden Stadt Prag liegende Dorf mit dem Betrieb einer Ziegelei zur Herstellung von Baumaterial für die Bautätigkeit in Prag. Mit einem gesetz aus dem jahr 1920 zur Erweiterung der Hauptstadt jungen Tschechoslowakei wurde Kobylisy wie andere Umlandgemeinden nach Prag eingemeindet.

Im angrenzenden Stadtteil Libeň, aber nahe an Kobylisy und in der Straßenkurve der sogenannten Kobyliská zatáčka verübten zwei geheim aus Großbritannien eingeflogene Unteroffiziere der tschechoslowakischen Exilarmee, Jan Kubiš und Jozef Gabčík, am 27. Mai 1942 ein erfolgreiches Attentat auf Reinhard Heydrich. Dieser Nazi war eine Führungsperson der deutschen Besatzungsverwaltung als Stellvertretender Reichsprotektor des sogenannten Protektorats Böhmen und Mähren und als solcher verantwortlich für die Verbrechen an der tschechischen Bevölkerung. „Henker von Prag“ wurde er aufgrund der massiven Repression in Prag genannt. Als Leiter des Reichssicherheitshauptamts und damit der Gestapo war er zugleich der wichtigste Organisator der Ermordung der Jüdinnen und Juden im von der deutschen Wehrmacht besetzten Europa. Nachdem das Versteck der Attentäter und ihrer Unterstützer verraten worden war, verteidigten sie sich stundenlang in einem Gefecht gegen die SS und begingen dann Selbstmord. Die Nazis nahmen das Attentat zum Anlass einer Welle des Terrors im Land. Das Dorf Lidice wurde von deutscher Polizei und SS in der Nacht des 9./10. Juni 1942 überfallen, alle 173 Männer von Polizisten erschossen und die Frauen und Kinder in KZ deportiert. Weitere 26 Einwohner aus Lidice, die nicht zu hause waren weil sie z.B. in Nachtschicht anderswo gearbeitet hatten, verhafteten die deutschen Behörden und erschossen sie hier auf dem Schießplatz Kobylisy, um die gesamte Bevölkerung des Dorfs als Maßnahme des Terrors auszurotten. Die Häuser des Dorfs zündeten die deutschen SS-Männer und Polizisten an und sprengten sie. Dasselbe wurde einige Tage später am 24. Juni 1942 mit dem Dorf Ležáky wiederholt, dessen erwachsene Einwohnerinnen und Einwohner die Nazis nach Pardubice brachten und dort alle erschossen. Den Großteil der Kinder beider Orte ermordeten die Nazis in KZ. 2009 wurde am Ort des Attentats ein Denkmal errichtet. 2021 wurde ein Wand in der Nähe mit einem Graffiti zu den Ereignissen gestaltet.


Der Schießplatz von Kobylisy wurde 1890 am Rand des Dorfs als Militärausbildungsgelände errichtet und diente der Infanterieausbildung der Armee der Habsburgermonarchie. Nach der deutschen Besetzung 1939 ließen die Nazis durch jüdische Zwangsarbeiter die Pferdestallungen der Militäranlage zu einem Gefängnis mit einer Hinrichtungsstätte umbauen, da sie für die zahlreichen Gefangenen und Hingerichteten bei der Unterdrückung Platz brauchten. Im Zuge des Terrors nach dem Heydrich-Attentat erschossen die deutschen Besatzer hier 539 Menschen (463 Männer und 76 Frauen), darunter zahlreiche tschechische Prominente wie Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politikerinnen und Politiker, Bischöfe oder Sportlker wie Evžen Rošický, nach dem später das Stadion Evžena Rošického benannt wurde. 1975 wurde hier eine Gedenkstätte an die Ermordeten errichtet.

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