Mittwoch, 24. September 2025
Domažlice
24.9.2025
In der westböhmischen Stadt Domažlice (deutsch früher Taus) habe ich ein Fußballspiel besucht. 11.000 Menschen leben hier.
Die Stadtburg wurde zusammen mit der Stadt in den 1260er Jahren erbaut. An der Stelle eines früheren Dorfs ließ der böhmische König Přemysl Ottokar II. in den Jahren 1262 bis 1265 eine Stadt planmäßig neu errichten, die den Status einer Königsstadt (Královské město) hatte. Diese Städte (es sollten insgesamt rund 40 werden) unterstanden direkt dem König und wurden von königlichen Beamten verwaltet, somit waren sie nicht Teil der Lehnsherrschaft der sonst mächtigen Adeligen. Aufgabe der mit Befestigungsanlagen erbauten neuen Stadt war die militärische Verteidigung des Grenzraums Böhmens Richtung Bayern. Dazu herangezogen wurden die in der Region lebenden Choden (tschechisch Chodové), einer tschechischen Volksgruppe mit eigenem Dialekt, die aus mit besonderen Freiheitsrechten gegenüber dem Adel ausgestatteten Bauern entstand. Ihr Aufgabe war im Gegenzug für Sonderrechte der Wachdienst und Kriegseinsatz an der Grenze. Domažlice war das Zentrum ihres Siedlungsraums. Relevant wurden die Choden etwa im Krieg von 1373, als ein bayerisches Heer die Dörfer der Umgebung niederbrannte und deren Bevölkerung vertrieb oder tötete und die Stadt verteidigt wurde.
Marktplatz (heute náměstí Míru „Friedensplatz“) mit markantem Stadtturm. Im Unterschied zur bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft 1848 der Adelsherrschaft unterstehenden Landbevölkerung hatten die Choden nur einen Frondienst zu leisten, nämlich die Lieferung von Holz zur Königsburg hierher. Das wurde im 16.Jh. durch eine Geldleistung ersetzt, sodass sich die Choden gewohnheitsrechtlich als freie Bauern betrachteten. Nachdem die Grenze später im 16./17.Jh. nicht mehr gefährdet war und der militärische Wert der Wehrbauern im Zeitalter ausgebildeter stehender Heer gering war, wurden adelige Herrscher eingesetzt und schließlich 1668 alle ihre Rechte für ungültig erklärt. Die selbstbewussten Choden wehrten sich in mehreren gewaltsamen Aufständen bis 1775 ein Jahrhundert lang immer wieder gegen ihre Rückstufung zu gewöhnlichen Untertanen, u.a. unter dem nach Gefangennahme 1695 hingerichteten Anführer Jan Sladký Kozina. Die Aufstände wurden blutig niedergeschlagen und unterdrückt. In der Suche des tschechischen Nationalismus des 19./20.Jh. nach historischen Identifikationsfiguren des Widerstands gegen deutschen Adel, katholische Kirche und Habsburgerherrschaft wurden auch die Choden herangezogen.
Unteres Stadttor. In den religiösen Konflikten der Hussitenkriege des 15.Jh., als sich die nach Hinrichtung ihres Religionsgründers Jan Hus 1415 ihren eigenen Machtbereich durch Krieg und Überfälle gegen Königsherrschaft, Adelsherrschaft und Unterdrückung durch die katholische Kirche erkämpfenden Hussiten (tschechisch Husité) in der Region festsetzten, wurde die Stadt bis dahin regierende deutschsprachige Großbürgerturm getötet oder vertrieben und die Stadtbevölkerung war seither wie das Umland mehrheitlich tschechisch. Im fünften Kreuzzug gegen die Hussiten belagerte ein Kreuzritterheer 1431 die Stadt, die Schlacht bei Taus (Bitva u Domažlic) endete aber in ihrer Flucht bei Herannahen einer großen Hussiten-Armee, wobei sie zahlreich niedergemetzelt wurden.
Bis zur Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens 1945/46 nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Verbrechen der Nazis war der historische Siedlungsraum der Choden hier das westlichste tschechische Sprachgebiet, während in den übrigen westböhmischen Grenzregionen deutsch dominierte. Nach der militärischen Besetzung durch die deutsche Wehrmacht des 1938 verbliebenen Rests der Tschechoslowakei und der Beendigung des tschechloslowakischen Staats durch Nazi-Deutschland im März 1939 gab es am 13. August 1939 in Domažlice eine Protestdemonstration gegen die Nazis und deutsche Besetzung. Zur römisch-katholischen Laurentiuswallfahrt kamen rund 100.000 Menschen u.a. mit dreißig Sonderzügen und vielen Bussen. Durch Predigt des katholischen Geistlichen und Politikers Bohumil Stašek über die tschechische Heimat und das anschließende Singen der Nationalhymne wurde als der religiösen eine politische Veranstaltung. Die deutsche Wehrmacht stand in der Kaserne mit Domažlice mit Maschinengewehreinheiten bereit, griff aber nicht ein. Stattdessen verhaftete die Gestapo im Nachgang Teilnehmer. Der u.a.verhaftete Prediger Stašek überlebte die KZs Oranienburg und Dachau, wo er ein Auge verlor, aber 1945 befreit wurde. Dem Ende der Nazi-Unterdrückung im Mai 1945 folgten in Stadt und Umgebung Ausschreitungen und Übergriffe gegen die deutsche Bevölkerung, die zu ihrer mit Morden in dreistelliger Anzahl begleiteten Vertreibung führten.
Zum Kriegsende des Zweiten Weltkriegs wurde Domažlice im Mai 1945 mit Unterstützung des tschechischen Widerstands, der die anrückenden Amerikaner über die Positionen der deutschen Truppen informierte, von der US Army befreit. Man schloss in Erinnerung danach eine Städtepartnerschaft mit der Stadt Two Rivers in Wisconsin. Im Zuge der allierten Abkommen übergab die US Army die westböhmische Region später an die sowjetische Armee, unter deren Besetzung 1948 die Demokratie beendet, die kommunistische Diktatur errichtet und die Grenze geschlossen wurde.
Freiheitsdenkmal (pomník Svobody) aus dem Jahr 1924. 1939 nach der Machtübernahme der deutschen Nazis und dem Ende der Freiheit demontiert und 1945 wiederaufgestellt.
Straßenszenen
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