Mittwoch, 16. April 2014

Debrecen

15.4.2014

In der ostungarischen Stadt Debrecen (deutsch Debrezin) wurde ein Fußballspiel besucht. Rund 204.000 Menschen leben hier in der zweitgrößten Stadt des Landes.

Straßenszene


Die zwischen 1805 und 1824 in klassizistischem Stil errichtete Große Reformierte Kirche (Református Nagytemplom) ist die größte calvinistische Kirche Ungarns. An dieser Stelle hatten sich seit dem 10.Jh. mehrere Kirchenbauten befunden, die durch Brände zerstört und mehrmals neu gebaut wurden.


Neben der Attraktion als religiöse Architektur ist die Große Kirche auch ein nationalpolitischer Tourismusmagnet. Hier verkündete der Revolutionsführer Lajos Kossuth am 14. April 1849 die Absetzung der Habsburger als ungarische Könige und die Unabhängigkeit verkündete. Die Revolutionsarmeen waren bald darauf aber nach militärischer Intervention Rußlands endgültig besiegt und Franz Joseph richtete eine Militärdiktatur über Ungarn ein.


In Grenzlage zwischem habsburgischem, siebenbürgischem und osmanischem Herrschaftsbereich konnte sich die katholische Gegenreformation der Habsburger im 17.Jh. in Debrecen nicht durchsetzen. Versucht wurde es allerdings, die Stadt gewaltsam wieder katholisch zu machen. Das Denkmal erinnert an 41 protestantische Pastoren, die 1673/74 als Galeerensklaven auf das Mittelmeer verschleppt wurden. 1676 wurde 20 Überlebenden von einem niederländischen Admiral die Freiheit zurückgegeben.


Debrecen ist eine große Universitätsstadt. Der Vorläufer der heutigen Universität, die 1912 gegründet wurde, war das 1538 gegründete calvinistische Reformierte Kollegium (Református Kollégium).


Im Kollegium ist eine Ausstellung zu verschiedenen Themen seiner Geschichte zu sehen. Im Teil über die Rolle Debrecens als „calvinistisches Rom“ gibt es u.a. eine Druckmaschine aus dem 16.Jh. zu sehen.


Von großer Bedeutung für das Religionsleben war das Kollegium als Bildungsstätte. Das zeigt ein weiterer Ausstellungsteil.


Hier im Oratorium des Kollegiums tagte 1849 der revolutionäre ungarische Landtag, nachdem dies in den Hauptstädten Preßburg und Pest aufgrund der militärischen Lage gegen die habsburgischen Truppen nicht mehr möglich war. Auf den Kirchenbänken sind die Namensschilder, der hier 1849 sitzenden Honoratioren angebracht. Nach der Befreiung 1944 tagt hier auch kurz eine provisorische ungarische Nationalversammlung.


Die Große Bibliothek (Nagykönyvtár) des Kollegiums glänzt mit einem Bestand von 600.000 Bänden, vor allem religiöse Bücher. Stolz ist man darauf, daß es hier die Bibel in 250 Sprachen gibt.



Straßenszene


Die Kleine reformierte Kirche (Református Kistemplom) wurde 1726 im Barock gebaut und 1870 umgestaltet, wobei vor allem die Gestaltung des Kirchturms mit einem Flachdach markant ist.


Das im Jugendstil 1911/12 errichtete Alte Komitatshaus (Megyehaza) von Hajdú-Bihar.


Die Reformation hatte sich hier im 16.Jh. vollständig durchgesetzt, ab 1552 durften sich Personen katholischen Glaubens nicht mehr in der Stadt niederlassen. 1715 kam aber die katholische Kirche wieder in die Stadt und der Piaristenorden errichtete die 1746 fertiggestellte St.-Anna-Kirche.


Die Pásti utcai zsinagógá wurde 1894 als Synagoge der orthodoxen Gemeinde eröffnet. Sie wurde in eklektischer Baustilmischung errichtet und zeigt eine schöne renovierte Farbgebung der Fassade. Der Innenraum konnte allerdings noch nicht wiederhergestellt werden.
Anfang des 20.Jh. lebten 10.000 Jüdinnen und Juden in Debrecen, stellten rund 10% der Stadtbevölkerung und hatten ein reichhaltiges Leben mit zahlreichen Einrichtungen und Synagogen. Die Diskriminierungen der antisemitischen Gesetze des Horthy-Regimes von 1938 trafen sie wirtschaftlich schwer. 1939 und 1942 wurden viele jüdische Männer zur Zwangsarbeit eingezogen. Viele starben, da sie im Krieg als Vorhut von Militäreinheiten in der Ukraine über Minenfelder getrieben wurden, um mit ihrem Leben die Minen zu räumen.


Die Kápolnás Utcai Zsinagóga wurde 1910 eröffnet und war die Synagoge der Status-Quo-Gemeinde. Ihre Architektur ist eine Mischung aus modernen und traditionellen byzantinisichen Stilelementen. Bis 1944 war hier auch eine jüdische Schule untergebracht. Heute wird die Synagoge zu religiösen Festtagen genutzt.
1940 lebten 12.000 Jüdinnen und Juden in der Stadt. 1941 wurden rund 3.000 mit polnischer Herkunft deportiert. Nach der Ankunft der deutschen Wehrmacht in der Stadt im März 1944 wurde im April/Mai ein Ghetto errichtet. Im Juni wurden die Menschen in ein Lager in der Ziegelfabrik Serly getrieben und schließlich am 3. Juli 1944 nach Auschwitz deportiert. Zwei Drittel der Menschen von 1940 wurden ermordet, rund 4.000 überlebten den Holocaust und gründeten 1946 eine neue Gemeinde. Heute leben 1.000 Jüdinnen und Juden in Debrecen, die größte Gemeinde in Ungarn.


Der Hauptbahnhof (Nagyállomás) aus dem Jahr 1961 ist kein Schmuckstück der Nachkriegsarchitektur, aber zumindest von außen ansprechender als in der Halle. 1857 hatte die Eisenbahn Debrecen erreicht, es folgte eine industrielle Entwicklung in der Stadt. Als Industriestadt wurde Debrecen im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert (rund 70% der Häuser wurden beschädigt) und dabei auch der alte Bahnhof aus dem Jahr 1891 zerstört.

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