31.5. bis 2.6.2013
Ein langes Wochenende bot Gelegenheit und Zeit für Besuch und Besichtigung des polnischen Krakau, neben dem Besuch von vier Fußballspielen in der Stadt. Rund 760.000 Menschen leben hier.
Trotz der Fülle an Besichtigungen wurde keine Ausstellung und kein Museum besucht und der aufgrund seiner politischen Geschichte interessante Stadtteil Nowa Huta blieb ebenfalls außen vor. Es bliebe also genügend Programm für einen nächsten Besuch.
Der erste Weg führte hinaus und hinauf auf den Kopiec Kościuszko, den Kościuszko-Hügel. Auf einem Bergrücken außerhalb der Stadt wurde zwischen 1820 und 1823 ein 34 Meter hoher, kegelförmiger künstlicher Hügel in Erinnerung an den 1817 verstorbenen polnischen Nationalhelden Tadeusz Kościuszko aufgeschüttet. Man folgte darin einer uralten Tradition.
Die Aussicht von heroben ist tatsächlich großartig. Während Kościuszko ein unabhängiges Polen wollte, gehörten Krakau und ein guter Teil des Landes schließlich zur Habsburgermonarchie. Ausgerechnet die österreichische Armee nutzte die strategische Lage 1856 für den Bau einer Festung rund um den Hügel, deren Gebäude und Mauern ihn heute noch umringen. Man sieht von hier im übrigen auch sehr schön die Fußballstadien von Wisłą (linker Parkrand) und Cracovia (am rechten Bildrand), die beide später besucht wurden.
Blick auf die Königsburg Wawel vom Kościuszko-Hügel aus.
Blick auf die Burg vom Ufer der Weichsel (Wisłą) aus. Um das Jahr 1000 stand hier die erste Bischofskirche, vom 1038 bis 1609 residierten hier auch die polnischen Könige und machten Krakau 600 Jahre lang zur Hauptstadt des Landes.
Stadtseitiger Blick auf die Burg
im weitläufigen Innenhof des Wawel
Der Waweldom (Katedra Wawelska) entstand ab dem Jahr 1320 wurde wurde in allen Jahrhunderten so um- und ausgebaut, daß sich heute eine richtig patchwortkartige Ansicht bietet.
Im Renaissance-Arkadenhof des einstigen Königsschlosses (Zamek Królewski), das hier seit dem Mittelalter bestand und im heutigen Bestand im wesentlichen aus dem 16.Jh. stammt.
Straßenansicht in der belebten Fußgängerzone in der Stadt (Grodska)
Der große zentrale Hauptplatz (Rynek Głowny) bietet ein sehr schönes Altstadtensemble.
Mitten im Platz stehen die mittelalterlichen Tuchhallen (Sukiennice). Seit dem frühen Mittelalter wird hier gehandelt, im 14. Jh. wurde die erste Markthalle errichtet und im 16.Jh. das heutige Renaissancegebäude. Die Arkaden im äußeren und Geschäftszeilen im Inneren, heute ausschließlich allerlei Souvenirs für Touristinnen und Touristen, stammen aus dem 19.Jh.
Geprägt wird der Rynek Głowny von den beiden markant unterschiedlichen Türmen der großen Marienkirche (Kościół Mariacki). Der Dom wurde zwischen 1287 und 1320 anstelle einer zuvor romanischen Kirche errichtet.
Auf der anderen Seite des von den Tuchhallen geteilten Platzes dominiert der Rathausturm (Wieża Ratuszowa). Das dazugehörige Rathaus wurde zu Beginn des 19.Jh. abgerissen, um einen größeren offenen Platz zu schaffen und nur der Turm frei stehengelassen.
Das Collgegium maius, das historische Hauptgebäude der Jagiellonen-Universität aus dem 14.Jh. Die Krakauer Universität wurde 1364 gegründet und ist damit eine der ältesten der Welt (die älteste 1119 in Bologna gegründet, Universität Wien 1365).
Das Florianstor (Brama Floriańska), das Haupttor der mittelalterlichen Stadtmauer aus dem Jahr 1300.
Die Stadtmauern wurden im 19.Jh. abgerissen und an ihrer Stelle ein Park angelegt, der ringförmig um die Altstadt führt. Neben dem Florianstor ist an den Seiten jeweils noch ein kleines Stück der einstigen Mauer zu sehen.
Im kriegerischen 15.Jh. wurde die Befestigung der Stadt weiter ausgebaut und vor jedem der drei Stadttore eine Festung errichtet. Die Barbakane (Barbakan) vor dem Florianstor wurde erhalten.
Denkmal für getötete Demonstranten, die 1936 von der Polizei auf einer Solidaritätskundgebung für die Streikenden der Suchard- und der Semperit-Fabrik erschossen wurde. Das Denkmal aus kommunistischer Zeit wurde später durch ein Holzkreuz ergänzt: Es verkündet, daß die Getöteten Opfer einer kommunistischen Provokation geworden wären. Bereits 1923 hatte es in Krakau heftifge soziale Kämpfe gegeben, eine Streik- und Protestbewegung wurde von Armee und Polizei blutig niedergeschlagen worden. Dabei wurden zwischen 18 und 30 Arbeiter und 14 Soldaten getötet, hunderte verletzt.
Südlich der Altstadt liegt der Bezirk Kazimierz. Einst war dies eine 1335 gegründete eigene Stadt (bis 1800), in der sich die 1495 aus Krakau vertriebenen Jüdinnen und Juden niederließen und eine bis 1939 blühende jüdische Gemeinde schufen. Nach der nazideutschen Besetzung der Stadt wurden mehr als 60.000 von ihnen ermordet, nur 4.000 Menschen überlebten. Der 1800 angelegte Neue jüdische Friedhof (Cmentarz Żydowski Nowy) ist ein stummer Schmerzensschrei, der einem den Hals abschnürt, wenn man durch die langen Reihen verfallener Grabsteine geht, um die sich niemand kümmert, da in den meisten Fällen die Familie ausgerottet wurde und die nur wenigen gepflegten und neuen Gräber der Überlebenden sieht. Der NS-Besatzungsmacht diente der jüdische Friedhof zudem als Steinbruch, Grabsteine wurden zerkleinert und Straßen damit gepflastert. Nach Kriegsende wurde zerstörte Grabsteinteile zurückgebracht und daraus und aus Erinnerungssteinen von Familienangehörigen ein Mahnmal und Friedhofsmauern gebaut.
Die 1862 eröffnete Tempelsynagoge (Synagoga Tempel), in welche die weltlich ausgerichteten, progressiven Jüdinnen und Juden gingen.
Denkmal an das Leiden von 65.000 „polnischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger jüdischer Nationalität aus Krakau und Umgebung“, die von den Nazis umgebracht worden waren
Die Alte Synagoge (Stara Synagoga) war das religiöse Zentrum des jüdischen Viertels. Die Synagoge wurden von im 14.Jh. errichtet und im 16.Jh. im Renaissancestil umgebaut. In die polnische Geschichte ging der Ort ein, weil hier 1794 Tadeusz Kościuszko eine Rede über das polnisch-jüdische Verhältnis hielt und die Juden sich an seinem Aufstand beteiligten. Heute ist in dem Gebäude eine Ausstellung über jüdisches religiöses Leben vor dem Holocaust.
Vor der Alte Synagoge steht ein Gedenkstein für dreißig Polen, die hier 1943 von den deutschen Besatzern hingerichtet wurden.
die 1563 eröffnete Hohe Synagoge (Synagoga Wysoka), die so heißt weil sich der Gebetsraum im ersten Stock befindet
Blick über die Weichsel, von Kazimierz auf das am Südufer gelegene Stadtviertel Podgórze. Ab 1941 geschah an diesem idyllischen Ort Fürchterliches. Die Deutschen richteten in Podgórze ein Ghetto ein, in das sie mehr als 16.000 Jüdinnen und Juden aus den anderen Stadtteilen pferchten. Zwei Jahre herrschte hier Terror, dem Platzmangel begegneten die deutschen Behörden bis 1942 mit willkürlichen Erschießungen und Deportationen in das spätere KZ Płaszów.
Am Platz der Helden des Ghettos (Plac Bohaterów Getta) einnert seit 2005 eine Installation von leeren Sesseln an die menschlichen Dramen, die sich hier geprägt von Tod, Hunger und Not von 1941 bis 1943 abspielten. Die an der Straßenbahnhaltestelle aufgereihten Sesseln gehören dazu und es ist beabsichtigt, daß man sich auf diesen auch niederlassen soll. 1942 wurden Kinder, Alte und Kranke abgetrennt und diese zuerst umgebracht. Am 14. März 1943 wurde das Ghetto aufgelöst, 1.000 Menschen an Ort und Stelle erschossen und die restlichen ins KZ Płaszów deportiert. Allein dort starben insgesamt 20.000 Krakauer Jüdinnen und Juden. Einer der Handvoll Überlebenden der Schreckenszeit des Ghettos ist der spätere Filmregisseur Roman Polański, der als siebenjähriges Kind daraus flüchten konnte.
Das wohl weltweit bekannteste Gebäude in Podgórze ist die Schindler-Fabrik (Fabryka Schindlera). In dem 1937 errichteten Fabriksgebäude betrieb der Deutsche Oskar Schindler von 1940 bis 1944 eine Emaille-Fabrik und beschäftigte 1.100 Jüdinnen und Juden aus dem KZ Płaszów, denen er damit das Leben rettete. Heute ist hier ein stark frequentiertes Museum zu den NS-Verbrechen.
Straßenansicht in Podgórze heute
Im Süden liegt der bereits im 7.Jh. aufgeschüttete Krak-Hügel (Kopiec Krakusa), in dem der Legende nach der König Krak, der Gründer der Stadt Krakau, begraben liegt.
Blick vom Krak-Hügel auf den Steinbruch des KZ Płaszów, in dem ab 1942 die polnischen Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mußten, während die jüdischen Gefangenen zum Transport der Steine sowie zum Baracken- und Straßenbau gezwungen wurden.
Es bietet sich ein idyllischer Blick vom Krak-Hügel, sodaß hier verliebte Paare aller Altersstufen zugegen waren. Ich denke, den wenigsten ist bewußt, daß sie hier auf das Gelände des ehemaligen KZ blicken, das 150.000 Menschen durchliefen und zumeist schon bald an Hunger, Krankheit und Erschöpfung durch die Zwangsarbeit umkamen. 1942 wurden die meisten Gefangenen ins KZ Auschwitz deportiert. Bei der Auflösung des Lagers angesichts der nahenden Front wurden die verbliebenen jüdischen und nichtjüdischen Insassen (zumeist aus Polen, der Slowakei und Ungarn) in Massenschießungen umgebracht und liegen hier zu abertausenden in Massengräbern verscharrt.
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