9.9.2011
Die zweitgrößte Stadt Oberösterreichs, mit 59.000 hier lebenden Menschen größer als etwa St. Pölten, war für mich lange ein blinder Fleck auf der Landkarte, was schlicht daran liegt, daß hier seit Jahrzehnten kein Spitzenfußball mehr gespielt wird. Die fußballerische Verortung ist ein entscheidender Baustein in meinem geographischen und assoziativen Koordinatensystem. Daher war ich noch nie hier, wenn man von einem Aufenthalt bei einem Musikfestival im Jahr 1997 absieht, wo ich aber außer dem Genuß von Heavy Metal in verschiedener Spielart und dem Festivalgelände nichts gesehen habe.
Diese Lücke wurde nun geschlossen. Der Besuch eines Fußballspiels führte hierher. Neben der Besichtigung von eins zwei drei vier anderen Sportplätzen wurde die Altstadt erkundet.
Burg Wels. 776 wird eine Burg in Verbindung mit der Siedlung erwähnt, im 12./13.Jh. wurde aus dem Holzbau eine steinerne Festung. Zwischen 1508 und 1514 wurde die Anlage unter Kaiser Maximilian I., der hier starb, in spätgotischem Stil umgebaut und bietet heute samt kleinem Park davor einen schloßartigen Anblick.
Wels liegt am Fluß Traun.
Schönstes Haus am Stadtplatz ist das Hoffmann'sche Freihaus zwischen Burg und Stadtpfarrkirche. Die Fassade ist mit sehr schönen Fresken aus dem 16.Jh. verziert, die erst 1956 bei einer Renovierung wieder freigelegt wurden. 1552 war das Haus in den Besitz der Freiherren von Hoffmann gekommen und zum Freihaus geworden, unterstand als Adelssitz also nicht der Stadtgemeinde. Bekannt ist das Haus auch dadurch, daß hier von 1611 bis 1633 Salome Alt wohnte, seinerzeit Lebensgefährtin des Fürsterzbischof von Salzburg (die Sache mit dem Zölibat war für die Herrschaft eher eine unverbindliche Empfehlung als eine Verpflichtung).
Der langgezogene Stadtplatz ist durchaus nett. Der Platz dürfte auf das 13.Jh. zurückgehen. Blick auf den Turm der Stadtpfarrkirche.
Stadtplatz, Blick in die andere Richtung, auf den Ledererturm.
Die Fassaden der Häuser am Stadtplatz sind aus dem Barock, der Kern der Häuser ist aber meist viel älter und stammt aus Mittelalter und Renaissance. Die Modeerscheinung der Renaissance, luftige mediterrane Arkadenhöfe, ziert einige Innenhöfe der Häuser.
Bemerkenswert ist ein Rundmedaillion mit einem römischen Relief, das in eine Hausfassade am Stadtplatz eingearbeitet wurde. In Wels war im Bereich der heutigen Altstadt vom 1. bis 4. Jh. die römische Stadt Ovilava. Bis ins 18.Jh. wurde die Skulptur als mittelalterliche Darstellung eines Ehepaars, das die Pest überlebt habe, interpretiert, bis es als römisches Kunstwerk erkannt wurde.
Der Ledererturm oder das Lederertor, einziges erhaltenes mittelalterliches Stadttor (13.Jh.), nachdem die weiteren drei Tore zur Altstadt für den wachsenden Verkehr des 19.Jh. abgerissen wurden. Das heutige Aussehen des Torbaus stammt aus den Jahren 1616/19, das Dach aus dem Jahr 1771.
An der Ringstraße außerhalb des Altstadtkerns steht das viktorianisch anmutende Alte Sparkassengebäude. Es wurde 1901 bis 1904 nach Plänen des für seine vielen Theaterbauten bekannten Wiener Architektenbüro Helmer und Fellner errichtet und beherbergte von 1904 bis 2002 auch das Stadtmuseum.
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