Montag, 20. Januar 2014

Turin

18.1.2014

Nachdem zuletzt bereits vor zwei Jahren das Stadtzentrum von Turin besichtigt worden war, standen diesmal beim erneuten Besuch in der italienischen Stadt ausgewählte Museen am Programm, vor dem abendlichen Fußballspiel.

  1. Museo Diffuso della Resistenza, Deportazione, Guerra, Diritti e della Libertà
  2. Museo Egizio
  3. Museo nazionale del Risorgimento italiano

1.

Museo Diffuso della Resistenza, Deportazione, Guerra, Diritti e della Libertà


Das Turiner Museum zur Zeit des Zweiten Weltkriegs mit dem diffusen Titel Museo Diffuso wurde 2003 im Palazzo dei Quartieri Militari di San Celso in einem zu einer ehemaligen Infanteriekaserne aus dem 18.Jh. gehörenden Komplex eröffnet.


Die Dauerausstellung widmet sich unter dem Titel Torino 1938 – 1948. Dalle leggi razziali alla Costituzione der Geschichte Turins in jenen Jahren von den rassistischen Gesetzen über Verfolgung, Krieg und Widerstand bis hin zur Verfassung und Begründung der Republik. Durch die Ausstellung führt ein Audioguide, den es aber nur in Italienisch gibt. Über englische Untertitel ist aber auch so das meiste zu erfahren.


Auf dem oben zu sehenden Multimediatisch gibt es die Geschichte von zwölf Orten Turins in den 1930er und 1940er Jahren zu sehen, von der Brandstiftung und Zerstörung der Synagoge über Krieg und Widerstand bis hin zur Befreiung. Eindrücklich waren die Schilderungen über die Kämpfe gegen faschistische Scharfschützen, die von Häusern und Dächern der Stadt im April 1945 auf die Bevölkerung und die bereits siegreichen Partisanen schossen.


Die Ausstellung besteht fast zur Gänze aus virtuellen Präsentationen. Eines der originalen Stück ist einer der Sessel, die 1943 bis 1945 für Hinrichtungen durch Exekutionskommandos benutzt wurden. Namen der Getöteten werden laufend eingeblendet.


In Videos gibt es mehrere Erzählungen von Zeitzeugen. Hier erzählt links die 1910 geborene Giorgina Arian Levi über das Leben unter rassistischer Verfolgung und rechts der 1927 geborene Mario Giacometti über seine unbeschwerte Kindheit in der faschistischen Jugendorganisation.


Die Verfassung von 1948 wird in einer Installation dargestellt. Zu ihren vier Prinzipien Ja zur Freiheit, ja zur Demokratie, ja zur Gleichheit, nein zur Gewalt gibt es eine virtuelle Präsentation, wenn man am Schemel davor Platz nimmt.


Im Hof steht eine 1989 von Corrado Levi geschaffene Parkbank in Form eines rosa Dreiecks, das in dieser Form ihres KZ-Abzeichens an die homosexuellen KZ-Opfer nach der deutschen Besetzung 1943 erinnert.


Weiters gibt es im Hof Gedenktafeln, die einst in den FIAT-Werken in Erinnerung an getötete Widerstandkämpfer hingen.



2.

Museo Egizio


Im Ägyptischen Museum von Turin gibt es eine der zehn weltgrößen Sammlungen antiker ägyptischer Kunst. Sie wurde 1824 begründet. Damals sammelten die piemontesischen Könige (natürlich mit öffentlichem Geld), dann der italienische Staat und 2004 wurde das Museum von letzterem privatisiert. Seit 2009 wird das Museum umgebaut (geplante Fertigstellung 2015), sodaß nur ein Teil mit einer Art von Best-of besichtigt werden kann.


Die derzeit zu sehende Ausstellung heißt Immortali und handelt vom Glauben an das Leben nach dem Tod im alten Ägypten. Hierzu gibt es beeindruckende Kunstwerke zu sehen.


Ein sitzender Priester aus Memphis, ca. 720-700 v.u.Z., also eine 27 Jahrhunderte alte Statue.


Papyri sind in ganzer Pracht zu bewundern, ganze aufgerollte Bücher (Totenbücher) gibt es zu sehen.


In ägyptologischen Sammlungen stört mich immer die Nonchalance, mit der mumifizierte Leichen von Menschen zwischen Kunstwerken präsentiert werden. Hier liegt hinter Glas neben diversen Stücken ein totes Kind.


In der hellenistisch-römischen Zeit verschmolz die alte ägyptische Tradition und Religion mit dem kulturellen Einfluß der neuen Machthaber. Hier Statuen von Isis-Aphrodite aus der ptolemäischen Zeit (100 v.u.Z. bis 200 u.Z.), einer Verschmelzung der alten ägyptischen Liebes- und Mutterschaftsgöttin Isis mit der ähnlich gelagerten griechischen Göttin Aphrodite. Die Statuen zeigen ägyptische (Frontalperspektive, Perücke) und griechische (Kopfschmuck, kurvige Körperform) Charakteristika.


Immer wieder interessant sind die kunstvoll gestalteten Katzenmumien.


In die Sarkophage wurden in der römischen Zeit Ägyptens in den ersten Jh.u.Z. realistische Portraits der Verstorbenen gemalt, die ihre Gesichter auch nach Jahrtausenden nah erscheinen lassen.


Auf der Tour passiert man auch einen Lagerraum, in den Blicke durch ein Fenster gewährt werden. Wieder einmal gibt es tote Menschen zu sehen. Es ist nicht die letzte Leiche.


Zur Grabausstattung einer hochgestellten Persönlichkeit gehörten allerlei Alltagsgegenstände, an denen ihr im Jenseits nicht mangeln sollte. Die Figuren hatten religiöse Bedeutung: Das beigegebene Modell eines Schiffs dient dazu, damit der Tote über den Fluß zwischen Diesseits und Jenseits überfahren könne. Die Statue dient dazu, um ihm einen Körper zu geben, falls sein Körper nicht erhalten bliebe. Eine Bäckerei samt Personal dient dazu, ihn zu verköstigen.



3.

Museo Nazionale del Risorgimento Italiano


Das nationale Museum des italienischen Risorgimento ist das größte von vielen Museen im Land, die sich dem Kampf um den italienischen Nationalstaat im 19.Jh. widmen. Das Museum wurde 1878 gegründet und ist seit 1938 im Palazzo Carignano untergebracht. Der Palazzo wurde im 17.Jh. als Residenz eines Zweigs der piemontesischen Königsfamilie gebaut. Hier die barocke Frontansicht.


Zwischen 1848 und 1865 diente der Palast als Parlamentssitz. Er wurde dafür umgebaut und erweitert. Die einstige Gartenfassade erhielt damals eine neue Fassade, sodaß das Gebäude heute an zwei Seiten unterschiedliche Fassaden hat.


Eine Chronologie aus faschistischer Zeit zu Beginn der Tour durch das Museum beginnt 1706 als Prinz Eugen von Savoyen (er schaut links hervor) mit den kaiserlichen österreichischen Truppen im spanischen Erfolgekrieg die monatelange Belagerung Turins beendete und sein Verwandter, der savoyische König von Piemont, wieder in die Stadt einziehen konnte. Über diverse historische Daten wie die Machtergreifung Mussolinis führt die Zeitreihe bis zur Ernennung des italienischen Königs zum König von Albanien nach dessen Besetzung durch Italien 1938.


Es ist das erste Gemälde einer Schlacht und es sollte nicht das letzte sein.


Breiten Raum nimmt zurecht die Französische Revolution und die napoleonische Zeit ein, als Italien wenngleich unter französischer Vorherrschaft kurz erstmals als staatliche Einheit existierte. Das kleine Büchlein unten ist die Verfassung des französischen italienischen Staats und das dicke Buch oben sein Gesetzbuch.


Gemälde zeigen Männer, die Geschichte machen. Dies entspricht weder einer modernen Präsentation noch einem zeitgemäßen Geschichtsverständnis. Es gibt auch Videos, die einen besseren Eindruck vermittelten, allerdings aus Zeitgründen nicht vollständig angeschaut werden konnten.


Ein Gutteil der Ausstellung besteht aus militärischen Versatzstücken. Waffen, Uniformstücke, Soldaten sowie Gemälde und historische Zeichnungen von Kriegen.


Ein Blick in den historischen Parlamentssitzungssaal des subalpinen Parlaments des Königreichs Sardinien-Piemont. Nachdem sich die piemontesischen Könige erfolgreich an die Spitze des italienischen Nationalismus gestellt hatten und sich zu Königen Italiens aufschwingen konnten, verlor ihre historische Hauptstadt Turin ihren Status, denn König, Regierung und Parlament zogen erst 1865 nach Florenz und dann 1871 nach Rom.


Eine Garibaldi-Puppe hoch zu Roß. Im Hintergrund Gemälde, Gemälde und Gemälde. Sozialgeschichtliche Zusammenhänge kommen hier nicht vor.


Die Eroberungen von Kolonien am Beginn des 20.Jh. wie hier das libyische Bengasi werden ebenfalls mit zeitgenössischen Darstellungen gezeigt. Eine kritische Thematisierung und Kontextualisierung der kriegerischen Heldengeschichten über erfolgreiches Töten und Erobern vermißt man leider hier wie sonst auch im Museum.


Der Erste Weltkrieg wird ebenfalls mittels einer heeresgeschichtlichen Sammlung dargestellt. Einzig hier findet man neben Uniformen, Waffen und dem Modell eines Schützengrabens auch Antikriegsbilder jener Zeit, die das Leiden und Töten thematisieren. Vier Stück. Bald schreitet man im Zuge der Museumsbesichtigung aber weiter in einen Prunksaal des Palazzo, der mit großformatigen Schlachtengemälden gefüllt ist.

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