Sonntag, 21. Juli 2013

Lagerstadt Wolfsberg

Wolfsberg, 20.7.2013

Lagerstadt Wolfsberg
Flüchtlinge 1914−1917 / Gefangene 1939−1945 / Internierte 1945−1948
Museum im Lavanthaus und Stadtgalerie Wolfsberg
Ausstellung
8. Juni − 27. Oktober 2013


Vor dem Fußballspielbesuch wurde das Museum der Stadt Wolfsberg besucht, um eine interessante Ausstellung zur Geschichte der Kärntner Stadt Wolfsberg im 20.Jh. zu sehen. Eine kleine Stadtbesichtigung von Wolfsberg war bereits im Frühjahr absolviert worden.

Im Lavanttaler Regionalmuseum beginnt die auf zwei Standorte aufgeteilte Ausstellung.


Im Ersten Weltkrieg wurde bald nach Kriegsbeginn 1914 ein Barackenlager für kriegsvertriebene ukrainische (im Sprachgebrach des Habsburgerreichs ruthenisch genannt) Flüchtlinge aus Galizien auf einem ehemaligen Militärexerzierplatz errichtet. Vor allem Frauen und Kinder lebten hier bis 1917, bis zu 7.500 Menschen (1915). Im Sommer arbeiteten sie in der Umgebung in der Landwirtschaft, in den Wintermonaten waren sie dicht gedrängt im Lager. Typhus und Cholera brachen aus, die Lebensmittelversorgung war teilweise sehr schlecht. Von den 900 Menschen, die im Lager starben waren zwei Drittel Kinder.


Der Ausstellungsteil über das Ruthenenlager.


Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde 1939 ein neues Lager in Wolfsberg errichtet, in dem die deutsche Wehrmacht bis zu 25.000 Kriegsgefangene einsperrte. 1942 kam eine Delegation des Naturhistorischen Museums aus Wien und filmte die Gefangenen, um sie Naziideologie entsprechend rassistisch klassifizieren zu können.


Der Lageralltag der Kriegsgefangenen aus westlichen Ländern war von Arbeit und dem Eingesperrtsein geprägt, ermöglichte aber auch Abwechslung. Hier eine Bildpostkarte eines Fußballspiels französischer Kriegsgefangener gegen eine Mannschaft aus St. Stefan im Lavanttal (1:1).


Die sowjetischen Kriegsgefangenen galten den Nazis als minderwertige Menschen, daher wurde für sie ein eigenes minderwertiges Brot aus landwirtschaftlichen Abfällen angefertigt, das sogenannte Russenbrot. Es bestand zu 50% aus Roggenschrot, 20% Zuckerrübenschnitzel, 20% Zellmehl und 10% zermahlenes Stroh oder Laub (!). Die damit Ernährten waren bald nicht mehr arbeitsfähig, sodaß man dies im Herbst 1942 wieder aufgab. Von den sowjetischen Soldaten kamen in deutscher Gefangenschaft zwei Drittel um (von den deutschen in Sibirien ein Drittel). Diejenigen, die nicht direkt nach Gefangennahme als Juden oder politische Offiziere erschossen wurden oder in den KZs ermordet wurden, verhungerten zumeist.


Der Ausstellungsteil über das Kriegsgefangenenlager im Zweiten Weltkrieg ist der größte und materialreichste Teil.


Auch die britischen Kriegsgefangenen hatten es besser als die sowjetischen und konnten sich Freizeitaktivitäten widmen. Hier spielten sie nach wochenlanger Vorbereitung Cäsar und Cleopatra nach.


Der letzte Teil der Ausstellung ist in der Stadtgalerie im ehemalige Minoritenkloster in der Altstadt.


Hier geht es um das unter britischer Verwaltung geführte Internierungslager für Nazis, das von 1945 bis 1948 in Wolfsberg bestand. Bis zu 7.000 NS-Funktionäre und mutmaßliche Kriegsverbrecher wurden interniert. Teilweise kamen sie später dann vor Gericht oder wurden nach ein paar Monaten freigelassen.


Die Haftbedingungen waren kein Vergleich mit der Zeit zuvor, hier zum Zeitvertreib angefertigte Kunstwerke der Gefangenen. Reeducation oder politische Bildung erfolgte im Lager nicht, sodaß die Gefangenen dort eher noch in ihrer Naziideologie gefestigt wurden und sich als Opfer sahen. Die interne Organisation wurde von der britischen Besatzungsmacht den Gefangenen überlassen, sodaß eine NS-ähnliche Struktur unter einem Lagerführer herrschte.


Anschließend an die Ausstellung wurde ein wenig zu den Schauplätzen spaziert. Die Barackenlager bestehen nicht mehr. An das Flüchtlingslager des Ersten Weltkriegs erinnert der kleine Ruthenenweg in einer Einfamilienhaussiedlung. Die dortigen Baracken waren bereits 1917 abgebaut und verlegt worden. Die Baracken der Jahre 1939 bis 1947 dienten bis in die 1960er Jahre als Sozialwohnungen und bestehen heute ebenfalls nicht mehr


Der Friedhof auf einem Bergrücken in St. Johann war bereits der Lagerfriedhof des Ruthenenlagers im Ersten Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg wurde er für das Kriegsgefangenenlager genutzt, vor allem für die zahlreichen sowjetischen Toten.


Im November 1941 kamen 1.749 sowjetische Gefangene in Wolfsberg an, nach einer Typhusepidemie lebten im Jänner 1942 davon nur mehr 493. Täglich mehrmals wurden die Leichen hierher gebracht. Es könnten insgesamt zwischen 1.000 und 2.000 Tote jener wenigen Jahre hier begraben worden sein.


Denkmal für vier polnische Kriegsgefangene

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