Montag, 17. November 2014

Łódź

15.11.2014

Im polnischen Łódź (deutsch Lodz) wurde ein Fußballspiel besucht. In der drittgrößten Stadt Polens leben rund 711.000 Menschen.

Hotelzimmerausblick auf eine Stadt im November


Straßenszene


Die Alexander-Newski-Kathedrale (Sobór św. Aleksandra Newskiego) wurde 1880 bis 1884 in neobyzantinischem Stil errichtet. Der russische Zar Alexander II. hatte 1877 im Zuge der Russifizierungspolitik der seit 1815 beherrschten polnischen Gebiete die planmäßige Errichtung russisch-orthodoxer Kirchen angeordnet. Heute gehört die Kirche der polnisch-orthodoxen Gemeinde.


Hochhäuser der Nachkriegszeit. Da Warschau fast vollständig zerstört war, aber die Wirtschaftsstruktur in Łódź im Krieg verhältnismäßig intakt blieb, wurde Łódź eine der wichtigsten Städte im Nachkriegspolen. Bis 1948 amtierte hier vorübergehend auch die Regierung.


Denkmal für die Opfer des Kommunismus. Ein Gedenktafel erinnert an die polnischen Soldaten, die im russischen Bürgerkrieg 1917 bis 1920 im Kampf gegen die Rote Armee getötet wurden (hier als Verteidiger der Ostgebiete genannt), an die Opfer des sowjetischen Gegenangriffs 1919/20, an Polinnen und Polen, die in der Sowjetunion 1921 bis 1939 wegen ihres Glaubens oder ihrer Nationalität verfolgt wurden, sowie an die Verteidiger der polnischen Ostgrenze gegen die sowjetische Invasion im September 1939. Eine zweite Tafel erinnert an die Opfer des Massaker von Katyn durch den NKWD und an die nach dem Anschluss des polnischen Ostens an die Sowjetunion 1940 nach Charkow, Kalinin (Twer) und an andere Orte Verschleppten und dort Gefolterten. Die dritte Gedenktafel gilt den in NKWD-Gefängnissen Eingesperrten und Ermordeten von 1939 bis 1941, den im Februar, April und Juni 1940 in den Osten Verschleppten, den im Mai und Juni 1941 Osten Verschleppten, den in den Jahren 1944 bis 1956 Verschleppten, den Opfern der sowjetischen Zwangsarbeitslager in den Jahren 1939 bis 1956 und den Geistlichen, die zwischen 1939 und 1989 verfolgt und umgebracht wurden. Die vierte Tafel erinnert an die sechzehn Anführer der polnischen Untergrundarmee, die 1945 vom NKWD entführt und in Moskau eingesperrt wurden, an Soldaten des polnischen Untergrunds, die 1944 bis 1955 verschleppt und in sowjetischen NKWD-Lagern inhaftiert wurden, an die Opfer von NKWD-Überfällen in Suwałki und Podlasien 1944/45, an Soldaten, die sich für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit verschworen hatten und 1944 bis 1963 in Gefängnissen gefoltert wurden und in Zwangsarbeitslagern und Haftanstalten ums Leben kamen, an die polnischen Offiziere, die nach konstruierten politischen Prozessen 1944 bis 1947 ermordet wurden sowie an die in Gefängnissen in Łódź Gefolterten. Die letzte Gedenktafel erinnert an jene, die 1945 bis 1956 verfolgt wurden, weil sie sich für freie und demokratische Strukturen einsetzten, an die politisch unterdrückten militarisierten Bergleute, für die im Juni 1956 ermordeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Streiks und Aufstands in Posen, für die Opfer der Niederschlagung von Arbeiterprotesten in den Werften 1970, an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeiterproteste im Juni 1976, an die Unterdrückung der Proteste 1976 bis 1979 und die Unterdrückung der Solidarność in den 1980er Jahren.


Im Zweiten Weltkrieg besetzte die deutsche Wehrmacht am 9. September 1939 die Stadt. Als Litzmannstadt wurde sie ins deutsche Reich eingegliedert. Der Terror begann. Am 9. und 10. November begannen die Besatzungssoldaten die sogenannte Intelligenzaktion Litzmannstadt. 500 Polinnen und Polen, die als Elite bewertet wurden, wurden in Wäldern außerhalb der Stadt erschossen. Bis Dezember wurden dort insgesamt 1.500 Lehrerinnen und Lehrer, Beamtinnen und Beamte, Geistliche, Menschen mit verschiedenen höheren Bildungsgraden ermordet. Insgesamt ermordeten die Deutschen dort im Wald in der Nähe von Lućmierza rund 30.000 Menschen, später vor allem polnische Gefangene sowie Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto.

Das Ghetto von Łódź wurde am 8. Februar 1940 errichtet. Es war das zweitgrößte und am längsten existierende. Der heruntergekommendste Stadtteil aus drei Bezirken, wo 90% der Häuser an keine Kanalisation angeschlossen waren, wurde zum Ghetto erklärt, das alle nicht-jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner zu verlassen hatten und wohin zu den 60.000 dort bereits Wohnenden alle weiteren 100.000 Jüdinnen und Juden der Stadt zwangsumgesiedelt wurden. Zwischen 1940 und 1944 deportierte die SS vor allem Menschen aus Westeuropa hierher. Der Bahnhof Radegast war die wichtigste Transportverbindung.


Allein im Zeitraum eines Jahres wurden 1941/42 38.000 Jüdinnen und Juden aus Mitteleuropa und 5.000 Sinti und Roma in das Ghetto gebracht. Vom 16. Jänner bis 29. August 1944 wurden mehr als 150.000 Jüdinnen und Juden von hier in v.a. die KZ Kulmhof und Auschwitz transportiert. Ein originaler Zug der Deutschen Reichsbahn mit drei Transportwaggons steht neben dem Bahnhofsgebäude.


2005 wurde der in den 1970er Jahren geschlossene Bahnhof zur Gedenkstätte umgestaltet. Ein Denkmal von Czesław Bielecki in Form eines an ein Krematorium erinnernden Turms mit der Inschrift „Du sollst nicht töten“ ist durch einen 140 Meter langen „Tunnel der Deportierten“ mit dem Bahnhofsgebäude verbunden, wodurch der Weg in die Vernichtungslager symbolisiert wird.


Sechs große Grabsteine mit den Namen der Vernichtungslager erinnern an die über 150.000 Menschen, die von Radegast aus in den Tod geschickt wurden.


Eine mit gut geschriebenem Text versehene Gedenktafel der Stadt Wien erinnert an die 4.999 Wienerinnen und Wiener, die von Oktober bis November 1941 als Jüdinnen und Juden hierher deportiert wurden. Als die SS das Ghetto 1944 auflöste und die letzten Menschen zur Ermordung nach Auschwitz brachte, hatten von ihnen nur 113 bis dahin überlebt. Von Anfang an waren die Lebensbedingungen im Ghetto unmenschlich: Die Menschen litten unter Unterernährung, starben massenhaft an Krankheiten oder erfroren im Winter. Teilweise starben sie auf offener Straße. 43.441 Menschen starben innerhalb des Ghettos. In Zwangsarbeit wurden Soldatenuniformen, Stiefel, Waffenteile und Munition hergestellt. Zu den Großkunden gehörten die Unternehmen des Josef Neckermann, der sie sich durch räuberische „Arisierungen“ zusammengerafft hatte. In der Nachkriegszeit wurde das NSDAP-Mitglied als Versandhändler zu einer Galionsfigur des westdeutschen Wirtschaftswunders.


Zwischen dem 5. und 9. November 1941 wurden 5.007 Sinti und Roma aus Österreich ins Ghetto deportiert und in einen separierten Bereich, das sogenannte „Zigeunerlager", gesperrt. Unter diesen Gefangenen waren 2.689 Kinder. Rund 2000 burgenländische „Zigeunerinnen“ und „Zigeuner“ wurden aus den im Lager Lackenbach (damals Gau Niederdonau) Internierten ausgewählt, die übrigen 3015 stammten aus dem Gau Steiermark: 2011 davon aus dem Bezirk Oberwart (deren Abtransport erfolgte aus dem Sammellager Pinkafeld), 1004 aus den restlichen Gaubezirken (Deportation aus dem Sammellager Fürstenfeld). Für die Selektion waren Verwaltungsbeamte vor Ort (Landräte) verantwortlich. Es weder sanitäre Einrichtungen noch Kochgelegenheiten. Die 5.000 Menschen wurden in fünf (!) Häuser gepfercht, teilweise dreißig Menschen in einen Raum. Innerhalb weniger Wochen starben mehrere hundert Menschen an Hunger und Typhus. Von hier aus erfolgten Deportationen zwischen dem 5. und 12. Januar 1942 zur massenhaften Ermordung ins Vernichtungslager Kulmhof.


Der Jüdische Friedhof ist mit etwa 0,4 km² der größte jüdische Friedhof Europas. Er wurde 1882 eröffnet. Heute befinden sich dort 160.000 bis 180.000 erhaltene Grabmale. Auf einem Teil des Friedhofs sind etwa 43.000 Opfer des Ghettos beerdigt.


Der Park der Überlebenden (polnisch Park Ocalałych) wurde 2004 als Ort des Gedenkens an das Ghetto in der unter NS-Herrschaft in Litzmannstadt umbenannten Stadt Łódź eröffnet. 418 Überlebende des Holocaust und des Ghettos haben hier jeweils einen Baum gepflanzt. Die Bäume jeweils mit Nummern den Namen der Betreffenden zugeordnet.


Der Hügel der Erinnerung ist etwa zehn Meter hoch. Oben am Hügel steht ein Denkmal für den in Łódź geborenen Jan Karski. Als polnischer Offizier und Kurier der Widerstand leistenden Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) informierte er zwischen 1942 und 1943 die polnische Exilregierung in London sowie die britische und US-Regierung über den Naziterror in Polen und den Holocaust. Er berichtete als Augenzeuge, da er in einer Uniform der ukrainischen Miliz (NS-Hilfstruppe) in ein KZ (das Vernichtungslager Belzec oder das Sammellager Izbica) und durch einen Tunnel in das Warschauer Ghetto eingeschleust worden war. Er traf von US-Präsident Roosevelt abwärts viele wichtige Entscheidungsträger, doch wurden seine Schilderungen als unglaubwürdige Übertreibungen eingestuft.


Blick vom Hügel auf den Park


Ein besonderes Denkmal gilt den Polinnen und Polen, die ihren verfolgten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geholfen haben. Die Wände mit ihren Namen ergeben die Bruchstücke eines jüdischen Davidsterns.


Ein weiteres Denkmal, das an die Helferinnen und Helfer in der Not erinnert. Auf menschliche Hilfe hatten die deutschen Besatzer die Todesstrafe ausgesetzt.


Viele jüdische Einrichtungen und Synagogen, die bis 1939 die Stadt mitprägten, wurden in der deutschen Besatzung zerstört. Eine Altstadtansicht auf einer Hauswand zeigt hier die einstige (refomrierte) Große Synagoge. 1848 wurde Jüdinnen und Juden erstmals erlaubt, sich in der neu errichteten Fabrikstadt niederzulassen.


Die heute noch bestehende Reicher-Synagoge (Synagoga Reicherów) wurde von 1895 bis 1902 erbaut. Sie überstand die Nazi-Zeit, da sie zu Beginn der Besatzung an ein fiktives deutsches Handelsunternehmen verkauft wurde und bis zum Kriegsende als Salzlager diente. In der Nachkriegszeit wurde die Synagoge für religiöse Zwecke wieder hergerichtet und bis 1968 genutzt. Nach dem Krieg im Nahen Osten 1967 und den damit einhergehenden antisemitischen März-Unruhen 1968 und der folgenden jüdischen Auswanderungswelle stand sie dann leer und verfiel. Ab 1988 wurde sie vollständig restauriert und wird seitdem wieder genutzt.


Blick in die Prachtstraße Piotrkowska


Die Piotrkowska wurde 1823 als Straße des planmäßig errichteten Textilindustriestadtteils anlegt. Im Lauf der Jahrzehnte entstanden hier Fabriken und Wohnhäuser und schießlich auch die Paläste der Fabrikbesitzer und Oberschicht, wodurch sich die Straße zum Boulevard entwickelte. Denkmal für die drei bekanntesten Industriellen der Stadt: Grohman, Scheibler und Poznański.


Der 1898 fertiggestellte neobarocke Palast des Izrael Poznański, Fabrikherr und Mäzen. Heute befindet sich darin das Historische Museum der Stadt. Als einer der Paläste der Fabrikanten verdeutlicht er ihren Reichtum.


Gleich daneben steht die Fabrik, in der tausende Menschen diesen Reichtum für wenige produzierten. Das sehr große Gelände beeindruckt mit seinen vielen schön renovierten Backsteingebäuden, in denen sich heute Einkaufszentren und Restaurants befinden.


1823 wurde hier im russisch beherrschten Teil Polens deutsche Tuchmacher angeworben und angesiedelt. Die Deutschen waren bald die Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner der Kleinstadt. In der Industrialisierung wurde Łódź zum Zentrum der Textilindustrie und die Bevölkerung explodierte im Lauf des 19.Jh. von unter 1.000 auf 314.000.


Die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter waren elend. Die Infrastruktur hielt mit dem Wachstum der Stadt nicht Schritt. Es gab keine Kanalisation. Die Kinder- und Säuglingssterblichkeit lag zeitweise bei 70%! 1900 konnten 80% der Bevölkerung nicht lesen und schreiben. 1892 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit dem russischen Militär, wobei am 23. Juni 164 Menschen ums Leben kamen.


Die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken blieben auch unter dem Kommunismus miserabel. Oftmals kam es zu schweren Arbeitsunfällen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhoben sich dagegen mehrmals mit Streiks. Ein Streik im Februar 1971 zwang die damals neue Regimeführung unter Gierek zu Zugeständnissen und war damit der erste erfolgreiche Streik im kommunistischen Polen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen