Sonntag, 30. November 2014

Groß-Enzersdorf

12.9.2014

In der an Wiens 22. Bezirk angrenzenden niederösterreichischen Stadt Groß-Enzersdorf hätte im September ein Fußballspiel besucht werden sollen, dass dann aber nicht stattfand. Die Stadt war allerdings bereits besichtigt worden. Im November wurde nun das Match nachgeholt. Rund 10.000 Menschen leben hier.

Die Ortschaft wurde im Jahr 870 gegründet, 1396 erhielt Enzersdorf das Stadtrecht und erbaute bis 1399 die in großen Teilen über eine Länge von 1,9km bis heute erhaltene Stadtmauer.


Die ehemalige Stadtburg wurde im 12.Jh. als Freisingische Bischofsburg errichtet und war ursprünglich von einem Graben und einem Mauerring umgeben. Die Burg wurde wie die befestigte Stadt Groß-Enzersdorf aufgrund ihrer militärstrategischen Lage vor Wien in Kriegen oft zerstört. Ab 1500 verfiel sie. Der größte Teil der Ruine wurde 1825 abgerissen. 1838 erwarb die Stadtgemeinde die Ruine, schüttete den Burggraben zu und gestaltete das Areal zum Rathaus mit einer Gastwirtschaft um. Heute sind darin neben dem Gasthaus die Stadtsäle. Wenige Mauern sind im ehemaligen Burghof erhalten.


Die im Kern frühgotische Stadtpfarrkirche mit Wehrturm wurde am Ende des 13. Jahrhunderts erbaut, der Chor und die Turmerhöhung sind Ergänzungen vom ausgehenden 14. Jahrhundert. Arbeiter aus Wien, die zuvor am Wiener Stehphansdom gebaut hatten, arbeiteten hier beim Kirchenbau. In der 2. Hälfte des 17. Jh. wurde eine Barockisierung durchgeführt.


Das heutige Rathaus war 1423 ursprünglich ein Bürgerspital mit Bürgerspitalskirche des bayrischen Stitfts Freising. Groß-Enzersdorf war von 1202 bis 1803 an Freising verpfändet und ging erst nach dessen Auflösung Teil des habsburgischen Niederösterreich. 1794 wurde wurde die Anlage profaniert und im 20.Jh. zum Rathaus umgebaut.


Straßenszene


Bereits im Spätmittelalter hatten hier Jüdinnen und Juden gelebt. Die neuzeitliche jüdische Gemeinde entwickelte sich in den 1860er Jahren und errichtetet 1898 eine Synagoge. Nach der Nazi-Machtübernahme zwang die NSDAP-Ortsgruppe am 29. Oktober 1938 zwang den Kultusvorsteher Dr. Karl Katz die Synagoge dem Deutschen Turnerbund als Turnsaal für zu „schenken“. In der Nacht des Novemberpogroms dangen die Groß-Enzersdorfer Nazis in die jüdischen Wohnungen ein, plünderten sie und raubten sie aus und trieben die 81 hier noch lebenden Jüdinnen und Juden zum Gemeindegasthaus am Hauptplatz zusammen. Dort lud man all die Menschen, Männer, Frauen, Kinder Alte, Gesunde und Kranke, wie Vieh auf die Ladeflächen zweier Lastwagen und fuhr mit ihnen ins Burgenland. In der Nähe der Ortschaft Winden am See wurde auf offener Straße Halt gemacht, alle rausgeworfen und ihnen gesagt, ja nie wieder in ihre Heimatstadt Groß-Enzersdorf zurückzukehren. In Winden fanden die verängstigten und beraubten Menschen bei der Bevölkerung Unterschlupf und wurden versorgt. Die herbeigeeilte Exekutive brachte sie dann mit zwei LKW nach Wien, wo sich die heimatlos Gewordenen zerstreuten.


Der jüdische Friehof wurde 1889 angelegt und bestand bis 1938. 86 Menschen sind hier bestattet. Nur noch wenige Grabstellen sind aber mit ihren Grabsteinen erhalten. Im Novemberpogrom 1938 wurde der Friedhof von Nazis geschändet, Grabsteine wurden zertrümmert oder weggebracht. Aber auch in der jüngereren Vergangenheit wurde der Friedhof zum Ziel antisemitischer Vandalenakte. In den 1990er Jahren wurde er saniert.


Ein Stück des nie vollendeten Donau-Oder-Kanals. Von dem in der Nazizeit in Österreich geplanten 40 Kilometer langen Verlauf wurden bis zum Jahr 1940 nur wenige Kilometer in der Lobau und bei Groß-Enzersdorf realisiert. Die Groß-Enzersdorfer Teilstücke wurden ab den 1960er Jahren parzelliert und sind nun eine Art Schrebergartensiedlung mit mehr oder minder großen Häusern am Wasser.

Montag, 17. November 2014

Warschau

16.11.2014

In der polnischen Hauptstadt Warschau (Warszawa) wurde ein Fußballspiel besucht. Rund 1,7 Mio. Menschen leben hier.

Das große Denkmal für den Warschauer Ghetto-Aufstand 1943 wurde 1948 enthüllt. Es wurde vom jüdischen, in Warschau geborenen Bildhauer Nathan Rapaport in Zusammenarbeit mit Leon Marek Suzin aus schwedischen Labradoritsteinblöcken, die von NS-Reichsminister Albert Speer zur Errichtung eines Siegesdenkmals bestimmt gewesen waren, gestaltet. Das Denkmal zeigte eine Skulpturengruppe in der Mitte, mit zwei Menorahs davor. Auf der Rückseite stellt ein Relief den Zug von Holocaust-Opfern dar.


Ein erstes Denkmal für den Aufstand im Ghetto wurde bereits 1946 errichtet. Beim deutschen Überfall auf Polen 1939 lebten fast 500.000 Jüdinnen und Juden in Warschau. 1945 hatten davon nur etwa 20.000 überlebt, zumeist von Polinnen und Polen gerettet und versteckt. Mitte 1940 pferchten die deutschen Besatzer die halbe Million Menschen aus der ganzen Stadt in ein abgesperrtes Stadtgebiet. Die Lebensbedingungen waren katastrophal, es fehlte an allem, die Menschen starben massenhaft. Bereits nach zwei Jahren waren Mitte 1942 100.000 Menschen an Mangelerscheinungen ums Leben gekommen. Ab Juli 1941 wurden in nur zwei Monaten 250.000 Menschen aus dem Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet. Im April 1943 lebten im Ghetto noch 56.000 Menschen. Den Tod vor Augen wehrten sie sich im April und Mai 1943 in einem bewaffneten Aufstand gegen Abtransport und Ermordung. Der Aufstand wurde von deutschen SS-Truppen blutig niedergeschlagen, die mit der feierlichen Sprengung der Großen Synagoge als Schlusspunkt ihren bluttriefenden Triumph feierten. Etwa 7.000 Jüdinnen und Juden starben kämpfend. 300 SS-Soldaten konnten sie töten. Die übrigen überlebenden Menschen im Ghetto wurden von den deutschen Soldaten in Massenhinrichtungen vor Ort erschossen oder nach Treblinka deportiert.


Das große Museum der Geschichte der polnischen Juden (Polin) gegenüber wurde erst unlängst im Oktober 2014 eröffnet. Ein Besuch hier war wie auch bei anderen Museen im Zeitbudget nicht drinnen. Man wird wiederkommen.


Denkmal für den in Łódź geborenen Jan Karski. Als polnischer Offizier und Kurier der Widerstand leistenden Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) informierte er zwischen 1942 und 1943 die polnische Exilregierung in London sowie die britische und US-Regierung über den Naziterror in Polen und den Holocaust. Er berichtete als Augenzeuge, da er in einer Uniform der ukrainischen Miliz (NS-Hilfstruppe) in ein KZ (das Vernichtungslager Belzec oder das Sammellager Izbica) und durch einen Tunnel in das Warschauer Ghetto eingeschleust worden war. Er traf von US-Präsident Roosevelt abwärts viele wichtige Entscheidungsträger, doch wurden seine Schilderungen als unglaubwürdige Übertreibungen eingestuft. Typischerweise wird er auf einer Bank auf Einlass wartend dargestellt.


In einer unvergesslichen, berührenden Geste kniete der westdeutsche Bundeskanzler Willy Brandt 1970 beim Besuch des Denkmals an den Aufstand in Ghetto nieder und bat um Vergebung für das viele Morden. Ein eigenes Denkmal am Rand des Parks erinnert an diesen historischen Moment.


Das Denkmal für die Befreiung Warschaus von der deutschen NS-Terrorherrschaft Anfang 1945. Sie ist geschichtspolitisch hier hitzig rezipiert, einerseits da die sowjetische Armee dem Warschauer Aufstand 1944 nicht zu Hilfe kam und erst danach die Stadt besetzte sowie andererseits aufgrund der nachfolgenden jahrzehntelangen kommunistischen Diktatur. So wurde der Park zum Platz der politischen Gefangenen des Stalinismus (Skwer Więźniów Politycznych Stalinizmu) erklärt und 1999 ein Gedenkstein für sie aufgestellt.


Unzählige Denkmäler, Gedenksteine und Tafeln an den Häusern erinnern im Stadtzentrum an Morde in der Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und an den Warschauer Aufstand von 1944. Schon zuvor hatte es im Rahmen der polnischen Untergrundarmee Armia Krajowa Widerstandsaktionen gegeben. Nachdem die sowjetische Armee die deutschen Truppen im Juli 1944 in die Nähe Warschaus zurückgedrängt hatte und am Ostufer des Flusses Weichsel stand, wurde ein Aufstand versucht. Zwei Monate dauerten die Kämpfe. Unter riesigen Verlusten an Menschenleben mangels ausreichender Bewaffnung vertrieben die Aufständischen die deutschen Besatzer zunächst. Die britische Luftwaffe kam zu Hilfe, erlitt so tief im deutsch beherrschten Gebiet aber erhebliche Verluste. Der US-Luftwaffe wurde die Zwischenlandung im sowjetischen Gebiet verwehrt. Die sowjetische Armee hielt den Vormarsch an und wartete die Niederschlagung des Aufstands ab. In den sowjetischen Plänen war keine Rolle für ein sich selbst befreiendes Polen vorgesehen.


Das große Denkmal für den Warschauer Aufstand von 1944 (Pomnik Powstania Warszawskiego) wurde 1989 errichtet. Vor allem SS-Truppen schlugen den Aufstand trotz heftigen Widerstands nieder. Sie versuchten die Widerstandskraft der Aufständischen zu brechen, indem sie im Stadtteil Wola als Terrormaßnahme alle dortigen Einwohnerinnen und Einwohner vom Säugling bis zum Greis, 30.000 Menschen, in wenigen Tagen erschossen. Nach 63 Tagen Kampf waren 200.000 Zivilistinnen und Zivilisten und 20.000 polnische Soldaten getötet worden. Die verbliebenen 300.000 Menschen in Warschau wurden vertrieben oder in KZ deportiert. Danach begann die systematische Zerstörtung der Stadt. Haus für Haus sprengten die deutschen Soldaten in der Altstadt und im umliegenden Stadtzentrum alle Gebäude, von denen nach zwei Monaten Artilleriebeschuss und Bombardements noch etwas übrig war. Es sollte nichts stehenbleiben. 90% der Gebäude im Stadtzentrum westlich der Weichsel waren schließlich zerstört.


Lateinische Weisheiten mit polnischer Übersetzung umgeben die Säulen des Denkmals des Warschauer Aufstands. Da ich der polnischen Sprache leider nicht mächtig bin, ermöglichte die Anbringung in der Originalsprache dennoch deren Lektüre.


Das 1983 errichtete Denkmal des kleinen Aufständischen erinnert an 1944 kämpfende Kinder. Kinder wurden von den deutschen Soldaten genauso wie Frauen, alte Leute oder allgemein Unbeteiligte unterschiedslos umgebracht und beteiligten sich auch am Widerstand.


Nach der Zerstörung 1944 wiederaufgebauten Reste der ab dem 14.Jh. errichteten Stadtmauer. 1413 wurde Warschau masowischer Fürstensitz, später zog der polnische Königshof hierher und 1596 wurde die Hauptstadt schließlich aus Krakau nach Warschau verlegt.


Der Altstädter Marktplatz (Rynek Starego Miasta). Anhand von historischen Gemälden (Canaletto), Fotos und Trümmern wurden die Häuser des Stadtzentrums in einem großen Kraftakt bis 1953 wiedererrichtet. In den Nachkriegsjahren herrschte bittere Not, Wohnraum gab es in der zerstörten Stadt viel zu wenig. Es wurden hauptsächlich die Fassaden der Häuser rekonstruiert, die Gebäude selbst modern errichtet.


Das v.a. auf das 16.Jh. zurückgehende einstige Königsschloss (Zamek Królewski) wurde gleich beim ersten deutschen Luftangriff nach Kriegsbeginn im September 1939 als nationales Symbol bombardiert und ging in Flammen auf. Es blieben nur Ruinen, die schließlich nach Niederschlagung des Warschauer Aufstands 1944 im Rahmen der Bestrafungsaktion von deutschen Soldaten gesprengt wurden. Erst Jahrzehnte nach Wiederherstellung der Altstadt wurde auch das Schloss am Schlossplatz (plac Zamkowy) wiederaufgebaut und zwischen 1971 und 1988 wiedererrichtet.


Der etwas tiefer als das Königsschloss in Richtung Weichselufer gelegene spätbarocke Palast unter dem Blechdach (Pałac pod Blachą) aus dem 18.Jh. wurde nach seiner Zerstörung 1944 von 1945 bis 1949 wiederaufgebaut. Seinen Namen verdankt das einstige königliche Stadtschloss seinem damals ungewöhnlichen Blechdach.


Die auf das 15.Jh. zurückgehende und später barock und klassizistisch umgebaute St.-Anna-Kirche (Kościół św. Anny) mit ihrem freistehenden Glockenturm am dem Schlossplatz gegenüberliegenden Hügel.


Das Geburtshaus der als Marie Skłodowska geborenen Marie Curie. Die große Physikerin wurde hier 1867 geboren. Sie ging 1891 nach Paris, wo sie für ihre Arbeiten Nobelpreise für Physik und Chemie gewann und schließlich 1934 an den Folgen ihrer Verstrahlung starb.


Die barocke Kasimir-Kirche (Kościół św. Kazimierza) aus dem 17.Jh. Im Zweiten Weltkrieg versorgten die Nonnen des Benediktinerordens hier zunächst verwundete Zivilistinnen und Zivilisten, öffneten das Spital dann im Warschauer Aufstand 1944 auch für verletzte Aufständische. Die deutsche Luftwaffe bombardierte das Spital am 31. August 1944 und tötete dabei vier Priester, 35 Nonnen und mehr als tausend Zivilistinnen und Zivilisten. Krankenhäuser und Lazarette wurden von deutscher Seite im Zweiten Weltkrieg als militärische Ziele behandelt und beschossen.


Straßenszene in der Neustadt (Nowe Miasto)


Im 1643 errichteten heutigen Präsidentenpalast wurde 1955 der Warschauer Pakt unterzeichnet. Heute weht davor neben EU-Fahne und polnischer Nationalflagge das NATO-Emblem.


Rund um die Löwenstatuen vor dem Präsidentenpalast ereignete sich 2012 um einen österreichischen Politiker, der den rechten Parteien FPÖ, BZÖ und Stronach anhing, eine Posse als er sie im deutschnationalen Überschwang während der Fußball-EM mit deutschen Farben beschmierte, dafür festgenommen wurde und sich zur Schande der Republik mit österreichischem Nationalratsabgeordneten-Ausweis daraus entwinden konnte.


Inmitten eines belebten Kreisverkehrs steht eine Palme. Der heute künstliche Baum ist die Nachbildung einer Dattelpalme, welche die polnische Künstlerin Joanna Rajkowska hier 2002 aufstellen ließ. Ursprünglich war die Palme 2001 Bestandteil eines umfangreicher gedachten, kurzzeitigen Projekts einer Jerusalem-Allee aus Palmen in Erinnerung an die jüdische Vergangenheit Warschaus. Daraus wurde dann ein Baum. Da er schnell beliebt wurde, wurde er 2003 durch Kunststoff ersetzt und steht seither auf der Verkehrsinsel.


Der riesige Kulturpalast (offiziell Kultur- und Wissenschaftspalast, Pałac Kultury i Nauki) wurde von 1952 bis 1956 von 3.500 hierhergebrachten Bauarbeitern aus der Sowjetunion errichtet. Das weit ausladende, 231 Meter hohe Gebäude im Stil der Prunkbauten des Stalinismus war und ist für die Warschauer Bevölkerung ein Symbol der kommunistischen Diktatur.

Łódź

15.11.2014

Im polnischen Łódź (deutsch Lodz) wurde ein Fußballspiel besucht. In der drittgrößten Stadt Polens leben rund 711.000 Menschen.

Hotelzimmerausblick auf eine Stadt im November


Straßenszene


Die Alexander-Newski-Kathedrale (Sobór św. Aleksandra Newskiego) wurde 1880 bis 1884 in neobyzantinischem Stil errichtet. Der russische Zar Alexander II. hatte 1877 im Zuge der Russifizierungspolitik der seit 1815 beherrschten polnischen Gebiete die planmäßige Errichtung russisch-orthodoxer Kirchen angeordnet. Heute gehört die Kirche der polnisch-orthodoxen Gemeinde.


Hochhäuser der Nachkriegszeit. Da Warschau fast vollständig zerstört war, aber die Wirtschaftsstruktur in Łódź im Krieg verhältnismäßig intakt blieb, wurde Łódź eine der wichtigsten Städte im Nachkriegspolen. Bis 1948 amtierte hier vorübergehend auch die Regierung.


Denkmal für die Opfer des Kommunismus. Ein Gedenktafel erinnert an die polnischen Soldaten, die im russischen Bürgerkrieg 1917 bis 1920 im Kampf gegen die Rote Armee getötet wurden (hier als Verteidiger der Ostgebiete genannt), an die Opfer des sowjetischen Gegenangriffs 1919/20, an Polinnen und Polen, die in der Sowjetunion 1921 bis 1939 wegen ihres Glaubens oder ihrer Nationalität verfolgt wurden, sowie an die Verteidiger der polnischen Ostgrenze gegen die sowjetische Invasion im September 1939. Eine zweite Tafel erinnert an die Opfer des Massaker von Katyn durch den NKWD und an die nach dem Anschluss des polnischen Ostens an die Sowjetunion 1940 nach Charkow, Kalinin (Twer) und an andere Orte Verschleppten und dort Gefolterten. Die dritte Gedenktafel gilt den in NKWD-Gefängnissen Eingesperrten und Ermordeten von 1939 bis 1941, den im Februar, April und Juni 1940 in den Osten Verschleppten, den im Mai und Juni 1941 Osten Verschleppten, den in den Jahren 1944 bis 1956 Verschleppten, den Opfern der sowjetischen Zwangsarbeitslager in den Jahren 1939 bis 1956 und den Geistlichen, die zwischen 1939 und 1989 verfolgt und umgebracht wurden. Die vierte Tafel erinnert an die sechzehn Anführer der polnischen Untergrundarmee, die 1945 vom NKWD entführt und in Moskau eingesperrt wurden, an Soldaten des polnischen Untergrunds, die 1944 bis 1955 verschleppt und in sowjetischen NKWD-Lagern inhaftiert wurden, an die Opfer von NKWD-Überfällen in Suwałki und Podlasien 1944/45, an Soldaten, die sich für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit verschworen hatten und 1944 bis 1963 in Gefängnissen gefoltert wurden und in Zwangsarbeitslagern und Haftanstalten ums Leben kamen, an die polnischen Offiziere, die nach konstruierten politischen Prozessen 1944 bis 1947 ermordet wurden sowie an die in Gefängnissen in Łódź Gefolterten. Die letzte Gedenktafel erinnert an jene, die 1945 bis 1956 verfolgt wurden, weil sie sich für freie und demokratische Strukturen einsetzten, an die politisch unterdrückten militarisierten Bergleute, für die im Juni 1956 ermordeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Streiks und Aufstands in Posen, für die Opfer der Niederschlagung von Arbeiterprotesten in den Werften 1970, an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeiterproteste im Juni 1976, an die Unterdrückung der Proteste 1976 bis 1979 und die Unterdrückung der Solidarność in den 1980er Jahren.


Im Zweiten Weltkrieg besetzte die deutsche Wehrmacht am 9. September 1939 die Stadt. Als Litzmannstadt wurde sie ins deutsche Reich eingegliedert. Der Terror begann. Am 9. und 10. November begannen die Besatzungssoldaten die sogenannte Intelligenzaktion Litzmannstadt. 500 Polinnen und Polen, die als Elite bewertet wurden, wurden in Wäldern außerhalb der Stadt erschossen. Bis Dezember wurden dort insgesamt 1.500 Lehrerinnen und Lehrer, Beamtinnen und Beamte, Geistliche, Menschen mit verschiedenen höheren Bildungsgraden ermordet. Insgesamt ermordeten die Deutschen dort im Wald in der Nähe von Lućmierza rund 30.000 Menschen, später vor allem polnische Gefangene sowie Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto.

Das Ghetto von Łódź wurde am 8. Februar 1940 errichtet. Es war das zweitgrößte und am längsten existierende. Der heruntergekommendste Stadtteil aus drei Bezirken, wo 90% der Häuser an keine Kanalisation angeschlossen waren, wurde zum Ghetto erklärt, das alle nicht-jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner zu verlassen hatten und wohin zu den 60.000 dort bereits Wohnenden alle weiteren 100.000 Jüdinnen und Juden der Stadt zwangsumgesiedelt wurden. Zwischen 1940 und 1944 deportierte die SS vor allem Menschen aus Westeuropa hierher. Der Bahnhof Radegast war die wichtigste Transportverbindung.


Allein im Zeitraum eines Jahres wurden 1941/42 38.000 Jüdinnen und Juden aus Mitteleuropa und 5.000 Sinti und Roma in das Ghetto gebracht. Vom 16. Jänner bis 29. August 1944 wurden mehr als 150.000 Jüdinnen und Juden von hier in v.a. die KZ Kulmhof und Auschwitz transportiert. Ein originaler Zug der Deutschen Reichsbahn mit drei Transportwaggons steht neben dem Bahnhofsgebäude.


2005 wurde der in den 1970er Jahren geschlossene Bahnhof zur Gedenkstätte umgestaltet. Ein Denkmal von Czesław Bielecki in Form eines an ein Krematorium erinnernden Turms mit der Inschrift „Du sollst nicht töten“ ist durch einen 140 Meter langen „Tunnel der Deportierten“ mit dem Bahnhofsgebäude verbunden, wodurch der Weg in die Vernichtungslager symbolisiert wird.


Sechs große Grabsteine mit den Namen der Vernichtungslager erinnern an die über 150.000 Menschen, die von Radegast aus in den Tod geschickt wurden.


Eine mit gut geschriebenem Text versehene Gedenktafel der Stadt Wien erinnert an die 4.999 Wienerinnen und Wiener, die von Oktober bis November 1941 als Jüdinnen und Juden hierher deportiert wurden. Als die SS das Ghetto 1944 auflöste und die letzten Menschen zur Ermordung nach Auschwitz brachte, hatten von ihnen nur 113 bis dahin überlebt. Von Anfang an waren die Lebensbedingungen im Ghetto unmenschlich: Die Menschen litten unter Unterernährung, starben massenhaft an Krankheiten oder erfroren im Winter. Teilweise starben sie auf offener Straße. 43.441 Menschen starben innerhalb des Ghettos. In Zwangsarbeit wurden Soldatenuniformen, Stiefel, Waffenteile und Munition hergestellt. Zu den Großkunden gehörten die Unternehmen des Josef Neckermann, der sie sich durch räuberische „Arisierungen“ zusammengerafft hatte. In der Nachkriegszeit wurde das NSDAP-Mitglied als Versandhändler zu einer Galionsfigur des westdeutschen Wirtschaftswunders.


Zwischen dem 5. und 9. November 1941 wurden 5.007 Sinti und Roma aus Österreich ins Ghetto deportiert und in einen separierten Bereich, das sogenannte „Zigeunerlager", gesperrt. Unter diesen Gefangenen waren 2.689 Kinder. Rund 2000 burgenländische „Zigeunerinnen“ und „Zigeuner“ wurden aus den im Lager Lackenbach (damals Gau Niederdonau) Internierten ausgewählt, die übrigen 3015 stammten aus dem Gau Steiermark: 2011 davon aus dem Bezirk Oberwart (deren Abtransport erfolgte aus dem Sammellager Pinkafeld), 1004 aus den restlichen Gaubezirken (Deportation aus dem Sammellager Fürstenfeld). Für die Selektion waren Verwaltungsbeamte vor Ort (Landräte) verantwortlich. Es weder sanitäre Einrichtungen noch Kochgelegenheiten. Die 5.000 Menschen wurden in fünf (!) Häuser gepfercht, teilweise dreißig Menschen in einen Raum. Innerhalb weniger Wochen starben mehrere hundert Menschen an Hunger und Typhus. Von hier aus erfolgten Deportationen zwischen dem 5. und 12. Januar 1942 zur massenhaften Ermordung ins Vernichtungslager Kulmhof.


Der Jüdische Friedhof ist mit etwa 0,4 km² der größte jüdische Friedhof Europas. Er wurde 1882 eröffnet. Heute befinden sich dort 160.000 bis 180.000 erhaltene Grabmale. Auf einem Teil des Friedhofs sind etwa 43.000 Opfer des Ghettos beerdigt.


Der Park der Überlebenden (polnisch Park Ocalałych) wurde 2004 als Ort des Gedenkens an das Ghetto in der unter NS-Herrschaft in Litzmannstadt umbenannten Stadt Łódź eröffnet. 418 Überlebende des Holocaust und des Ghettos haben hier jeweils einen Baum gepflanzt. Die Bäume jeweils mit Nummern den Namen der Betreffenden zugeordnet.


Der Hügel der Erinnerung ist etwa zehn Meter hoch. Oben am Hügel steht ein Denkmal für den in Łódź geborenen Jan Karski. Als polnischer Offizier und Kurier der Widerstand leistenden Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) informierte er zwischen 1942 und 1943 die polnische Exilregierung in London sowie die britische und US-Regierung über den Naziterror in Polen und den Holocaust. Er berichtete als Augenzeuge, da er in einer Uniform der ukrainischen Miliz (NS-Hilfstruppe) in ein KZ (das Vernichtungslager Belzec oder das Sammellager Izbica) und durch einen Tunnel in das Warschauer Ghetto eingeschleust worden war. Er traf von US-Präsident Roosevelt abwärts viele wichtige Entscheidungsträger, doch wurden seine Schilderungen als unglaubwürdige Übertreibungen eingestuft.


Blick vom Hügel auf den Park


Ein besonderes Denkmal gilt den Polinnen und Polen, die ihren verfolgten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geholfen haben. Die Wände mit ihren Namen ergeben die Bruchstücke eines jüdischen Davidsterns.


Ein weiteres Denkmal, das an die Helferinnen und Helfer in der Not erinnert. Auf menschliche Hilfe hatten die deutschen Besatzer die Todesstrafe ausgesetzt.


Viele jüdische Einrichtungen und Synagogen, die bis 1939 die Stadt mitprägten, wurden in der deutschen Besatzung zerstört. Eine Altstadtansicht auf einer Hauswand zeigt hier die einstige (refomrierte) Große Synagoge. 1848 wurde Jüdinnen und Juden erstmals erlaubt, sich in der neu errichteten Fabrikstadt niederzulassen.


Die heute noch bestehende Reicher-Synagoge (Synagoga Reicherów) wurde von 1895 bis 1902 erbaut. Sie überstand die Nazi-Zeit, da sie zu Beginn der Besatzung an ein fiktives deutsches Handelsunternehmen verkauft wurde und bis zum Kriegsende als Salzlager diente. In der Nachkriegszeit wurde die Synagoge für religiöse Zwecke wieder hergerichtet und bis 1968 genutzt. Nach dem Krieg im Nahen Osten 1967 und den damit einhergehenden antisemitischen März-Unruhen 1968 und der folgenden jüdischen Auswanderungswelle stand sie dann leer und verfiel. Ab 1988 wurde sie vollständig restauriert und wird seitdem wieder genutzt.


Blick in die Prachtstraße Piotrkowska


Die Piotrkowska wurde 1823 als Straße des planmäßig errichteten Textilindustriestadtteils anlegt. Im Lauf der Jahrzehnte entstanden hier Fabriken und Wohnhäuser und schießlich auch die Paläste der Fabrikbesitzer und Oberschicht, wodurch sich die Straße zum Boulevard entwickelte. Denkmal für die drei bekanntesten Industriellen der Stadt: Grohman, Scheibler und Poznański.


Der 1898 fertiggestellte neobarocke Palast des Izrael Poznański, Fabrikherr und Mäzen. Heute befindet sich darin das Historische Museum der Stadt. Als einer der Paläste der Fabrikanten verdeutlicht er ihren Reichtum.


Gleich daneben steht die Fabrik, in der tausende Menschen diesen Reichtum für wenige produzierten. Das sehr große Gelände beeindruckt mit seinen vielen schön renovierten Backsteingebäuden, in denen sich heute Einkaufszentren und Restaurants befinden.


1823 wurde hier im russisch beherrschten Teil Polens deutsche Tuchmacher angeworben und angesiedelt. Die Deutschen waren bald die Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner der Kleinstadt. In der Industrialisierung wurde Łódź zum Zentrum der Textilindustrie und die Bevölkerung explodierte im Lauf des 19.Jh. von unter 1.000 auf 314.000.


Die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter waren elend. Die Infrastruktur hielt mit dem Wachstum der Stadt nicht Schritt. Es gab keine Kanalisation. Die Kinder- und Säuglingssterblichkeit lag zeitweise bei 70%! 1900 konnten 80% der Bevölkerung nicht lesen und schreiben. 1892 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit dem russischen Militär, wobei am 23. Juni 164 Menschen ums Leben kamen.


Die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken blieben auch unter dem Kommunismus miserabel. Oftmals kam es zu schweren Arbeitsunfällen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhoben sich dagegen mehrmals mit Streiks. Ein Streik im Februar 1971 zwang die damals neue Regimeführung unter Gierek zu Zugeständnissen und war damit der erste erfolgreiche Streik im kommunistischen Polen.