Sonntag, 17. Juni 2012

Klosterneuburg

16.6.2012

Erst vor drei Monaten hatte ich Stadt und Stift Klosterneuburg besichtigt. Da ich nunmehr zu einem weiteren Fußballspiel hierherkam, bot dies die willkommene Gelegenheit, das Stift eingehender in Augenschein zu nehmen.

Im Jahr 1114 wurde das Stift von Markgraf Leopold III. gegründet, der hier auch seine Residenz hatte. Der barocke Ausbau wurde unter Kaiser Karl VI. begonnen, der hier nach spanischem Vorbild (Escorial) einen Herrschaftssitz mit angeschlossenem Kloster errichten lassen wollte. Der Bau wurde nach seinem Tod 1740 gestoppt.


Wie beim letzten Besuch beeindruckt der Eingang durch die Sala terrena, die zum Zeitpunkt des Baustopps halbfertig war und auch unfertig blieb. Nach Jahrhunderten als unzugänglicher Lagerraum wurde der Saal mit herrlichen Atlanten-Figuren an den Gewölben im ursprünglichen Rohzustand erst 2006 zugänglich gemacht und dient nun als Eingangsbereich.


Die bereits 1136 eingeweihte Stiftskirche ist älter als der Wiener Stephansdom und war zu ihrer Zeit die weitaus größte Kirche Österreichs. Die heutige Außenansicht stammt aus der neoromanischen Gestaltung Ende des 19.Jh., dabei wurde u.a. der hier rechts zu sehende Turm (17.Jh.) auf die Höhe des älteren Turms (um 1400) links gestutzt und beiden eine gotische Turmspitze aufgesetzt. Historisch gewachsene Unterschiedlichkeiten wurden zur en voguen Ebenmäßigkeit nivelliert.


Im Inneren der Kirche ist alles barock (17./18.Jh.). Von den einstigen mittelalterlichen Gestaltungen ist nichts übrig, zumindest wurde aber das barocke Gepräge im 19.Jh. auch nicht wieder rückgebaut.


Dieser Gebäudeteil im Leopoldihof des Stifts stammt aus der Markgrafenburg der Babenberger. Die Residenz befand sich hier bis 1145, dann wurde sie nach Wien verlegt (zuvor war der Sitz in Melk gewesen).


Ein Modell veranschaulicht das mögliche Aussehen der mittelalterlichen Anlage zum Zeitpunkt der Kirchweihe im Jahr 1136. Die markgräfliche Burg befindet sich im hier rechts unten zu sehenden Teil.


Der Kreuzgang stammt aus dem 13. und 14. Jh., wobei sein heutiges Aussehen von der historistischen Neugestaltung Ende des 19.Jh. geprägt ist, aus der z.B. die Glasfenster stammen.


Im ehemaligen Refektorium der mittelalterlichen Klosteranlage sind heute sakrale Kunstwerke aus der mittelalterlichen Kircheneinrichtung ausgestellt. Hier die Rückseite des berühmten Verduner Altar (dazu später), die nach der Umgestaltung des Kunstwerks als frei stehender Flügelaltar nach 1330 angefertigt worden war. Die Temperamalerei war nach der Aufstellung des Altars am Grab Leopolds 1833, mit der Rückseite zur Wand, nicht mehr zu sehen und wurde erst in unseren Zeit vom Altar getrennt und eigens ausgestellt.


Bevor man zum Höhepunkt, dem Verduner Altar, gelangt, wird ein lehrreicher Film über die Entstehung der Gold- und Email-Arbeit gezeigt, der auch die historischen Hintergründe der religiösen Botschaften erklärt. Der Film läßt auch einen Blick auf die Details zu.


Der Verduner Altar, eines der bedeutensten religiösen Kunstwerke des westeuropäischen Mittelalters. Der mittlere Teil ist das eigentliche Kunstwerk des Nikolaus von Verdun, das er 1181 vollendete und das bis zu einem verheerenden Brand im Jahr 1330 die Kanzel der Stiftskirche schmückte. Im Zuge der Kirche nach dem Brand wurden die beiden Seitenteile ergänzt, eine Rückenpartie angefertigt (siehe oben) und das Ensemble als Flügelaltar in der Kirche aufgestellt. Seit 1833 steht der nunmerige Altar hier in der Leopoldskapelle über dem Grab Leopolds III. und seiner Gattin, der Kaisertochter Agnes. Das überaus kunstvolle Bildprogramm zeigt religiöse Szenen aus der Bibel.


Die heutige Leopoldskapelle war ursprünglich der Kapitelsaal des Klosters und ist mit bemerkenswerter Stuckdekoration an der Decke aus dem 17.Jh. geschmückt. Nach der Heiligsprechung Leopolds (und nicht seiner ursprünglich mehr verehrten Frau Agnes) 1485 wurde aus dem Saal eine Kapelle mit der Gruft für Leopold, Agnes und ihre Kinder.


Der barocke Kaisertrakt wurde zwischen 1730 und 1740 errichtet und blieb dann ein Jahrhundert als unvollendete Baustelle, bis 1834 bis 1842 ein Hof abgeschlossen wurde (der graue Teil). Das Modell veranschaulicht die riesige Dimension der ursprünglich geplanten Anlage.


Im Marmorsaal des Kaisertrakts. Der Repräsentationsraum wurde als letzter Raum im ursprünglichen Konzept vor dem Baustopp 1740 errichtet.


Es schließen sich typische Zimmerfluchten (Enfilade) eines barocken Schlosses des 18.Jh. an, mit Salons, Speisezimmern und kaiserlichen Privatgemächern. Karl VI. schlief genau eine Nacht hier, mit Ausnahme dieses einen Tages diente Klosterneuburg nie als kaiserliche Residenz.


Blick aus den Kaiserzimmern über die Gartenanlage Richtung Wien (rechts der Leopoldsberg, links hinter dem Grüngürtel die Donau). Die weithin sichtbare prominente Stelle läßt die Machtsymbolik, die das Bauprojekt vermitteln sollte, deutlich werden.


Im kaiserlichen Wohnraum (Innerste Retirade).


In den angeschlossenen Museumsräumlichkeiten gibt es sehr interessante Kunstwerke v.a. des 15.Jh. zu sehen.


Prunkstück ist der riesige, acht Meter breite (!) Stammbaum der Babenberger, der zwischen 1489 und 1492 als Zeichen ihres Machtanspruchs als Herrschergeschlecht entstand.

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