Donnerstag, 28. Januar 2010

Kampf um die Stadt




Kampf um die Stadt
Politik, Kunst und Alltag um 1930

Wien Museum im Künstlerhaus
19.11.2009 bis 28.3.2010





Eine wahrhaft große Ausstellung.

Im ersten Stock spannend der Kontrast der sich entwickelnden modernen Großstadt Wien um 1930, in der erste Hochhäuser gebaut werden, der Autoverkehr zunimmt (ein Highlight gleich zu Beginn: der Verkehrserziehungsfilm!) und etwa das epochale Wohnbauprogramm des Roten Wien angegangen wird, mit der lagerübergreifenden Naturromantik, der mir unbegreiflichen Sehnsucht nach Bergen und der damit verwobenen konservativen Heimatideologie, die in der Stadt und ihrer Entwicklung zur Moderne nahezu den Ursprung alles Bösen sieht.

Im Erdgeschoß darauffolgend eine prägnante Darstellung der bewegten Politik jener Jahre, die immer wieder unglaubliche Wucht des Ringens von Demokratie und Diktatur, von ArbeiterInnenbewegung und christlichem Konservatismus und schließlich Faschismus, von politischer Gewalt und schließlich offenem Bürgerkrieg. Diese Brüche werden dann in Kontext gebracht mit der gleichzeitigen Veränderung des Alltags der Menschen in Freizeit, Konsum, Kunst und Kultur. So fügt sich ein umfassendes Bild der Zeit .

Ich erwarte mit Freude das Erscheinen des Katalogs.

Sonntag, 24. Januar 2010

Dresden

23.1.2010

Nach Dresden, in die Hauptstadt des deutschen Bundeslandes Sachsen, führte mich diesmal ein Spiel von Rapid.
Das (neo-)barocke Ensemble der Stadt ist tatsächlich sehr schön. Da die sächsischen Fürsten im 18.Jh. Großmachtambitionen hegten (August "der Starke" war zugleich König von Polen), wurde dies auch durch große Bautätigkeit zum Ausdruck gebracht. Nachdem im Zweiten Weltkrieg große Teile der Stadt zerstört worden waren, findet man heute in der Altstadt freie Flächen und viel Neubau nach 1945. Während Wohnbauten meist nicht wiederaufgebaut wurden, wurden öffentliche Gebäude seither teilweise oder ganz rekonstruiert.

Kulturpalast, unerverkennbar ein typischer Bau der DDR-Zeit (1962-1969)


Frauenkirche. Der 1723-1743 errichtete barocke Bau wurde im Februar 1945 vollständig zerstört. In der Zeit der DDR blieb die Ruine als Mahnmal gegen den Krieg stehen, 1995-2005 wurde die Kirche neu gebaut.


2001 eröffnete neue Synagoge - gefällt mit ihren Steinquadern. Nebenan stand die 1938 zerstörte alte Synagoge, ein 1838-1840 errichteter Bau von Gottfried Semper


Blick vom Elbfer der Neustadt auf das Panorama der Altstadt


Links das Residenzschloß der sächsischen Kurfürsten bzw. Könige (Wiederaufbau seit 1986, Ziel 2013), rechts davon die katholische Hofkirche (1939-1751, Wiederaufbau bis 1965). Damit August der Starke 1697 König von Polen werden konnte, traten er und der Hof zum Katholizismus über. Der Rest Sachsens blieb protestantisch.


Semperoper. Bekannter klassizistischer Bau des Architekten Gottfried Semper aus dem Jahr 1878. 1977-1985 wiederaufgebaut.


Zwinger. Barocke Hof- und Gartenanlage der sächsischen Fürsten, als Ort für Feste und Heimat der Kunstsammlungen 1711-1722 errichtet (bis 1963 teilrekonstruiert)


Kronentor des Zwinger


Yenidze. 1908/09 im Stil einer Moschee errichtete Tabakfabrik, heute Bürohaus. Faszinierende Gestaltung.


Der goldene Reiter. 1736 enthülltes Denkmal des sächsischen Kurfürsten August des Starken, der als König von Polen Richtung Warschau reitet.


Ziemlich großartig ist der Blick von der Kuppel der Frauenkirche aus über die Stadt. Hier Blick über die Elbe, links die Neustadt


Blick über die Altstadt von der Kuppel der Frauenkirche aus, rechts die Hofkirche und daneben das Schloß mit Turm.


Blick von oben in die Frauenkirche hinein, bemerkenswert die in Galerien übereinander gestaffelten Bänke. Der Bau ist ja mehr hoch als lang oder breit wie Kirchen sonst.


Links das Ampelfrauchen und rechts das Ampelmännchen. Die nur in Ostdeutschland anzutreffende grafische Gestaltung ist einfach nur großartig.


Neben einem weiteren Fußballstadion rundete der Besuch des Dresdner Fußballmuseums einen eiskalten, aber trotzdem herrlichen Stadtbesichtigungstag ab.

Montag, 11. Januar 2010

spw 175



spw
Heft 175 (7/2009)
Dezember 2009
63 S.







Über einen Aufwind und eine "sozialdemokratische Neuorientierung der Demokratischen Partei" in Italien schreibt Christina Ujma. Spannend die Brüche zwischen traditioneller Arbeiterbewegungslinker und zivilgesellschaftlicher Linker, die beide getrennt und unterschiedlich Massenproteste gegen die Berlusconi-Regierung veranstalten. Das politische Heft haltet trotzdem die Rechte in der Hand. Hart gesagt: Hunderttausende auf die Straße gebracht hat die italienische Linke im letzten Jahrzehnt oft genug − trotzdem verliert sie bei Wahlen.

Sonst gibt es im Heft viel zu Umwelt, Klima und so Zeugs. Informativ dabei ein Artikel über Hintergründe der Klimapolitik Brasiliens.

Donnerstag, 7. Januar 2010

Datum 1/10



Datum
1/10
98 S.







Wirklich erschüttert hat mich der Artikel im Juli-Datum über ein österreichisches Gerichtsmedizin-Team, das in Thailand nach der Tsunami-Katastrophe 2004 Toten zwecks Identifizierung Hände und Kiefer abgeschnitten hat - ohne diese den Körpern nachher wieder beizugeben. Die Vorstellung des Anblicks der beschriebenen Säcke voller Hände und Kiefer läßt erschaudern. Sehr gut, daß hier weiterrecherchiert wurde! Florian Skrabal und Christoph Zotter bringen neue Details. Weiter so.

Ein wirklicher Coup ist dem Datum mit dem Engagement von Franz Schuh als Kolumnisten gelungen. Macht wirklich Freude, seine Texte wie hier über den Verfall der Bürgerlichkeit am Beispiel eines Presse-Kritikers einer Kritikerin zu lesen. Hebt sich wohltuend von anderen Kolumnen des Hefts ab, deren Schreiber sich oft jedes Monat wiederholen.

Die Rubrik Alte Texte habe ich erst beim letzten Eintrag gelobt. Auch der Abdruck eines deutschen Höchstgerichtsurteils aus dem Jahr 1995 in Sachen aufgehängtem Kreuzsymbol in Schulklassen ist thematisch gut getroffen. Aber warum hat man den juristischen Text derart unbearbeitet abgedruckt? Die Lektüre der tatsächlich interessanten Ausführungen wird durch fachlich notwendige, aber für den allgemeinen Gebaruch verzichtbare Nachweise fast vergällt ("Die angegriffenen Entscheidungen verletzten ferner die Bf. zu 1 und 2 in ihren Grundrechten aus Art. 4 1 i. V. mit Art. 6 11 1 GG und die Bf. zu 3 bis 5 in ihren Grundrechten aus Art 41 GG. Sie beruhen auf § 13 13 BayVSO, der seinerseits mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist.")

Montag, 4. Januar 2010

Die Trampler



Die Trampler / Die um Gnade winseln
(Gli uomini del passo pesante)
Italien/Frankreich 1965
Regie: Alfredo Antonini, Mario Sequi
u.a. mit: Gordon Scott, Joseph Cotten, Muriel Franklin, James Mitchum, Ilaria Occhini, Franco Nero






Ein großartig erzähltes Familienmelodram im Westerngewand um eine alten Patriarchen, der sich mit den neuen Zeiten (Südstaat Texas nach dem US-amerikanischen Bürgerkrieg) nicht anfreunden kann und darum Söhne und Töchter verliert. Wäre da nicht die harte Brutalität des Italowesterns, man könnte aufgrund der epischen Breite (müssen Südstaatendramen anscheinend haben), der Vielfalt und Tiefe der Charaktere, des politischen Settings und der Moral fast von einer griechischen Tragödie sprechen. Ein unerwartetes, herausragendes Kleinod in der Fülle dieses Genres! Das sind die Filme, für die ich mir dutzende durchschnittliche Italowestern ansehe, um solche wahren Prachtstücke zu entdecken.
Mit Franco Nero in einer Nebenrolle dieses sehr frühen Italowesterns und einem glänzenden Joseph Cotten als Patriarch Cordeen.