Montag, 3. November 2008
Karl-Marx-Hof - Versailles der Arbeiter
Gerald und Genoveva Kriechbaum (Hg.)
Karl-Marx-Hof - Versailles der Arbeiter
Wien und seine Höfe
Fotografiert von Gerald Zugmann
Wien 2007 (Holzhausen)
152 S.
Das Buch ist hauptsächlich ein Architekturbildband über den Döblinger Karl-Marx-Hof, kontextualisiert durch historische Artikel über die Gemeindebauten des Roten Wien, Biographisches zum Architekten, Interviews mit jahrzehntelangen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie, für den Vergleich, kurzen Abrissen über andere typische Gemeindebauten (Teil Wien und seine Höfe).
Die Bildstrecken des Architekturphotographen Zugmann sind tatsächlich ziemlich eindrucksvoll, auch wenn man den Bau kennt. Der Beitrag von Gert Kähler über die Bautätigkeit der Gemeinde Wien in der Zwischenkriegszeit bietet dazu eine gute Zusammenfassung der historischen Hintergründe des kommunalen Wohnbauprogramms. Nicht ganz sattelfest dürfte er nur in ballestrischen Dingen sein, da er schreibt, daß "alle zwei Wochen 50.000 Fußballfans von der Stadtbahn ins Hohe-Warte-Stadion zur 'Wunderelf' der Vienna" durch die großen Torbögen gezogen wären. Das Stadion war und ist bis heute dasjenige der Vienna, Wunderteam war aber die Nationalmannschaft, die dort in den 1920er und 30ern spielte. Sehr interessant ist die von Genoveva Kriechbaum vorgestellte, sehr österreichische Biographie des Architekten des Karl-Marx-Hofs, Karl Ehn, städtischer Beamter unter Monarchie, Rotem Wien, Austrofaschismus, Nazi-Zeit und Zweiter Republik. Leider fehlen bei allen AutorInnen jegliche Anmerkungen, Literaturhinweise oder sonstige Quellenangaben, was den Wert ihrer Texte schmälert und das Buch über den Status des schönen Bildbands hinausgehoben hätte.
In fünf Interviews erfahren wir zum Abschluß des Buches über das vergangene Gemeinschaftsleben, für das der Bau konzipiert war, und die heutigen Probleme des Lebens im Gemeindebau.
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