Montag, 27. Januar 2014

Mailand: Stazione Centrale, Memoriale della Shoah

26.1.2014

Der Hauptbahnhof von Mailand ist eine Sehenswürdigkeit für sich. 2013 wurde an dem Ort eine Gedenkstätte eingerichtet, von wo im Zweiten Weltkrieg die Deportationszüge mit Jüdinnen und Juden in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager abfuhren. Bevor es nach Monza zu einem Fußballspiel ging, wurde daher hier Station gemacht.
  1. der Bahnhof
  2. Memoriale della Shoah

1.

Stazione di Milano Centrale


Der neue Hauptbahnhof wurde nach fast zwei Jahrzehnten Bauzeit 1931 offiziell eröffnet. Pläne und Umfang waren dabei immer mehr erweitert worden.


Vor allem ab der Mussolini-Machtübernahme wurden die Dimensionen des Bauwerks immer monumentaler, da es nunmehr nicht nur um einen Bahnhof, sondern auch um einen Prestigebau ging, der die neue Macht des Faschismus repräsentieren sollte.


Es wurde kein einfacher Bahnhof sondern ein Palast.


Vor allem die Hallen erstaunen in ihren Dimensionen jedes Mal wieder.



Stilistisch ist das Gebäude ein historistischer Stilmix. Als Vorbild diente die Union Station in Washington, die auf die römische Antike zurückgegriffen hatten. Dazu kamen hier verschiedene Elemente aus Jugendstil und Art Deco (die Lampen).


Duce-Inschriften und andere faschistische Insignien wurden 1945 abgeschlagen und entfernt (nicht immer selbstverständlich). Das ideologische Programm des Faschismus ist an den vielen Reliefs aber deutlich, stets mit einer hervorgehobenen Führergestalt.



Die Bahnsteige überspannt eine imposante Stahlkuppel von 341 Meter Länge.


Am Bahnsteig 1 findet sich neben der Königsloge Gedenktafeln für getötete Eisenbahner im Ersten Weltkrieg, im italienischen Kolonialkrieg in Äthiopien und im Widerstand von 1943 bis 1945. Daneben erinnert seit 1988 eine Gedenktafel mit Worten des Holocaust-Überlebenden Primo Levi daran, daß vom Mailänder Hauptbahnhof aus die Deportationszüge tausende Menschen zu ihrer Ermordung brachten.




2.

Memoriale della Shoah


Die 2013 eröffnete Holocaust-Gedenkstätte ist leider nur selten zugänglich. Am Wochenende vor dem Holocaust-Gedenktag war dies sogar an zwei Tagen hintereinander der Fall. Der Eintritt ist kostenlos, man brauchte aber eine Zählkarte und es herrschte Blockabfertigung im Massenandrang.


Die Gedenkstätte befindet sich in einem Gewölbe unterhalb der Bahnsteige und Gleisanlagen.


Im vorderen Bereich stellt eine Ausstellung die Verfolgung der Jüdinnen und Juden und die Rolle des Bahnhofs in der Deportation dar und beschreibt exemplarische Lebensgeschichten. Alles in italienischer Sprache.


Am Bahnsteig 21 (Binario 21, die Zählung wurden zwischenzeitlich mehrmals verändert) unterhalb der Gleisanlagen wurden von 1943 bis 1944 Menschen in die Deportationszüge gepfercht. Hier stehen nun restaurierte Waggons.


Ohne Lebensmittel und hygienische Vorkehrungen waren diese Waggons voller Menschen tagelang unterwegs. Am 20. Jänner 1944 wurden von hier 600 Mailänder Jüdinnen und Juden, darunter 40 Kinder, die zuvor im Gefängnis San Vittore eingesperrt gewesen waren, in solch einen Zug gesteckt. Nach sieben Tagen kamen sie in Auschwitz-Birkenau an. Nach wenigen Stunden waren 500 im Gas ermordet. Von den übrigens überlebten 20 das KZ.


Die Anlagen unterhalb der Bahnsteige dienten der ebenerdigen Anlieferung von Waren und ihrer Verladung in Waggons, die dann mit einer Hebevorrichtung auf das Gleisniveau gehoben wurden. In der Nazizeit wurden Menschen per LKW gebracht und zur industriellen Ermordung verladen.


Im Boden des Bahnsteigs erinnern Inschriften an die Daten der Deportationszüge, neben den großen Vernichtungslager ging es auch ins Lager Fossoli oder ins KZ Mauthausen.



Zeitzeugen erzählen in Videos (auf italienisch)

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