Mittwoch, 24. Oktober 2012

Datum 10/12



Datum
10/2012
98 S.








In einer Reportage ergründen Julia Neman und Christoph Zotter die Realität von Arbeitslosigkeit anhand von Erfahrungen in und mit der insitutionellen Ausformung der Arbeitsmarktpolitik, dem AMS. Sie tun dies anhand der Sichtweisen eines Arbeitslosen und des AMS-Betreuers. Gut gemacht, neue Sichtweisen und Blickwinkel erfahren − bitte mehr Sozialreportagen! Das echte Leben ist doch immer noch am interessantesten.

Lesenswert ist ebenso die Reportage aus einem Gefängnis in den USA − dem Land, das den weltweit höchsten Anteil seiner Bevölkerung einsperrt. Dieses war früher für blutige Gefängnisaufstände berüchtig , was sich gelegt hat, seitdem die todkranken Gefangenen dort in einem Hospiz in Würde sterben, von Mitgefangenen gepflegt, und ebenso in Würde am Gefängnisfriedhof bestattet werden.

Sonntag, 21. Oktober 2012

Pápa

20.10.2012

Rund 32.000 Menschen leben in der westungarischen Stadt Pápa. Eines Samstags stieß ich kurzzeitig hinzu, um hier ein ein Fußballspiel zu besuchen.

Bereits im 15.Jh. stand hier eine Burg, die im 16./17.Jh. zu einer umkämpften Grenzfestung zwischen dem habsburgischen und dem osmanischen Herrschaftsbereich wurde. Nach dem Ende dieser steten Kriegsbedrohung im westungarischen Raum am Ende des 17.Jh. ließ sich die Fürstenfamilie Esterhazy die Burg im 18.Jh. zu einem Barockschloß umbauen.

Von 1945 bis 1959 hatte die sowjetische Rote Armee im Schloß Quartier genommen. Die einst prunkvolle Einrichtung kam dabei zu Schaden oder wurde abtransportiert.

Detail eines Brunnen. Das Schloß ist ebenso schönbrunnergelb gestrichen wie die Esterházy-Sitze in Eisenstadt (Kismarton) und Sered' (Szered).

Das Esterhazy-Schloß (Esterházy-kastély) ist U-förmig gebaut, mit freiem Blick auf die große Kirche inmitten des Hauptplatzes.

Die katholische große Kirche (nagytemplom) wurde zwischen 1774 und 1786 anstelle einer mittelalterlichen Kirche errichtet. Der Barockbau dominiert den Hauptplatz (Fő tér).

Die Deckenfreskos stammen vom bekannten Barockmaler Franz Anton Maulbertsch.

Der Fő tér wird derzeit neu gepflastert, dabei wurden auch Fundamente einstiger Häuser freigelegt.

Straßenansicht, Kossuth Lajos utca.

Bereits im 16.Jh. war Pápa ein Zentrum des Protestantismus gewesen. Die in Neorenaissance gehaltene große refomierte Kirche wurde 1941 anstelle eines 1931 abgerissenen Theaters eingeweiht.

Die in klassizistischem Stil gehaltene Synagoge in der Petőfi Sándor utca wurde 1846 eingeweiht. Ein großer Bau von 20 Meter Höhe. 1748 war formal die jüdische Ansiedlung in der Stadt gestattet worden (der Erlaß ist in der Ausstellung in der Synagoge zu sehen).

Der Eingang ist an der Hinterseite.

Eine gleich beeindruckende wie bedrückende Ausstellung namens Elfeledett szomszédaink („Vergessene Nachbarn“) ist derzeit in der Synagoge zu sehen. Mit privaten Familienfotos und dazugehörigen Lebens- und Famliengeschichten wird an das zerstörte und ermordete einst blühende Leben erinnert. Die Texte sind zwar nur auf ungarisch, aber die Bilder sind eindrucksvoll genug, noch dazu an diesem Ort einer verwüsteten und nicht renovierten Synagoge.

Die einstige Pracht ist z.B. an Farbresten zu erahnen. Die deutsche Wehrmacht stellte hier 1944/45 ihre Pferde unter, nach 1945 diente das Gebäude als Möbellager. 2007 wurde die Synagoge mit finanzieller Hilfe einstiger Gemeindemitglieder aus New York wiederhergestellt und wird an jüdischen Feiertagen für religiöse Zeremonien genutzt.

Merke: Wenn man als Mann bei der Synagogenbesichtigung von anderen Anwesenden angestarrt wird, liegt das daran, daß man am Eingang die Kopfbedeckung abgenommen hat anstatt sie aufzulassen oder eine bereitliegende Kippa zu verwenden. So wird man als unbedarfter Atheist schnell zum Elefant im Porzellanladen. Ich wollte keineswegs respektlos sein und habe nach Erkenntnis die Haube schnell aus der Jackentasche gezogen und aufgesetzt.

Rund um die Synagoge wurde nach der deutschen Besetzung Ungarns am 1. Juni 1944 ein Ghetto eingerichtet, in das rund 3.000 Menschen eingesperrt wurden. Zwischen 30. Juni und 3. Juli 1944 wurden sie nach Auschwitz deportiert. Nur wenige hundert überlebten den Holocaust. Am Bahnhof erinnert eine Gedenktafel an die Deportation.

Am Bahnhof von Pápa.


Donnerstag, 11. Oktober 2012

Datum 9/12



Datum
9/2012
98 S.








Sehr interessant ist Harald Lenzers Artikel über Gardner Q. Colton, der die Betäubung mit Lachgas in die Zahnmedizin einführte. Er kam aus der Unterhaltungsbranche und war in den 1840er Jahren mit einer Lachgas-Show durch die Lande getingelt, bei der er auf der Bühne Freiwillige zum Gaudium des Publikums benebelte. Nebenbei erfand er auch die elektrische Spielzeugeisenbahn, da er als erster Strom in die Gleise leitete anstatt eine Batterie in die Lokomotive zu bauen.

Daneben gibt es u.a. eine Reportage von den Schrecken des Krieges in Syrien.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Perchtoldsdorf

6.10.2012

Perchtoldsdorf ist eine klassische Wiener Speckgürtel-Gemeinde im Südwesten der Stadt. Ein Fußballspiel war Anlaß eines kleinen Rundgangs. Aufgrund des historischen Kerns gibt es mehr kleinstädtisches Ambiente als in Nachbarorten. 14.600 Menschen leben hier.

Hauptsehenswürdigkeit Perchtoldsdorfs sind die Burgruine und ehemalige Wehranlage rund um die Kirche am Hauptplatz.


Der zwischen 1450 und 1521 erbaute, 60 Meter hohe spätgotische Wehrturm ist der größte erhaltene Turm seiner Art in Österreich. Er wurde dient zugleich als Kirchturm der nebenanliegenden Pfarrkirche. Seit 1791 steht er frei.


Die Pfarrkirche aus dem 14./15.Jh.


Links Teil der Burgruine, vorne die Martinskapelle aus dem Jahr 1520.


Im Vordergrund ein Rest der Burgmauer. Die Ursprünge der Burg dürften auf die Grenzbestigungen der Babenberger um das Jahr 1000 zurückgehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Holzbefestigungen durch Steinmauern ersetzt und diente verschiedenen Adeligen. In Kriegen wurde sie zerstört und wiederaufgebaut. Die zuletzt 1490 zerstörte Anlage wurde dann Anfang des 16.Jh. von der Gemeinde und den umliegenden Orten als Fluchtburg und Wehranlage für die Einwohnerinnen und Einwohner wiederhergestellt und erfüllte diesen Zweck schon bei der ersten Türkenbelagerung Wien 1529, bei welcher der Ort zerstört wurde, aber die Burg Schutz bot. Bei der Neuauflage 1683 hielt die Anlage den osmanischen Truppen allerdings nicht stand, der Ort und die Burg wurden erobert und niedergebrannt und viele Menschen dabei und danach umgebracht. Seither steht hier nur mehr eine Ruine, 1794 wurde die innere Burgmauer abgerissen.


In den 1960er Jahren wurde ein Trakt renoviert und zu einem Kulturzentrum ausgebaut.


Blick auf den Marktplatz


Das Rathaus, ein spätgotisches Bürgerhaus, das seit 1554 als Rathaus dient. Die spätgotische Fassadenmalerei von 1526 wurde rekonstruiert.


Der Knappenhof, im Mittelalter landesfürstlicher Lehenhof, der Mitte des 18.Jh. im Barockstil zu einem kleinen Schloß umgebaut und mit einer barocken Parkanlage versehen wurde.



Freitag, 5. Oktober 2012

Charkiw

3./4.10.2012

Zwei Tage wurden aus fußballerischem Anlaß in der Stadt im Osten der Ukraine verbracht, die ukrainisch Charkiw (Харків) und russisch Charkow (Харьков) heißt. Rund 1,4 Mio. Menschen leben hier, die überwiegende Mehrheit spricht russisch.

Am zentralen Platz der Stadt steht an markanter Stelle immer noch wie zu Sowjetzeiten das 1963 aufgestellte große Lenin-Denkmal. Die Zeit scheint stehengeblieben, erst 2009 wurde die Statue wieder renoviert. Geschichtspolitisch ist dies insofern interessant, als der in den 1920ern angelegte Platz nach der ukrainischen Unabhängigkeit Freiheitsplatz (ukrainisch Площа Свободи, Plóshcha Svobodý, russisch Площадь Свободы, Plóshchad' Svobódy) benannt wurde.


Blick vom Lenin-Denkmal über die eine Hälfte des Platzes, der etwas weniger als 12 Hektar umfaßt, zwischen 690-750 x 96-125 Meter) und damit der sechstgrößte Platz Europas ist.


Die andere Seite des Freiheitsplatzes schließt ein Hauptwerk der Architektur des Konstruktivismus ab, das zwischen 1925 und 1928 errichtete Haus der Staatsindustrie, ukrainisch Derschprom (Держпром), russisch Gosprom (Госпром). Es war ein Prestigebau der jungen Sowjetunion und Sitz der Landesregierung als Charkiw bis 1935 die Hauptstadt der ukrainischen Sowjetrepublik war. In Kiew war 1917 eine westorientierte ukrainische Regierung gebildet worden, während in Charkiw 1919 die Bolschewiki eine Regierung bildeten und im Bürgerkrieg bis 1920 schließlich die Oberhand gewannen. Der Komplex wurde in massiver Betonbauweise errichtet (und überstand daher den Zweiten Weltkrieg) und in nüchtern-sachlicher konstruktivistischer Architektur gestaltet, die wenig später in Ungnade fiel und in stalinistischer Zeit durch reichlich ausgeschmückte Stile ersetzt wurde.



Ein Beispiel späterer Architektur ist das nebenan stehende große Hauptgebäude der Universität aus den Jahren 1929 bis 1934 mit einem säulengeschmückten Eingang.


Neben der Universität steht ein 1999 aufgestelltes Denkmal für im Zweiten Weltkrieg kämpfende Studentinnen und Studenten. Um die bedeutende Industriestadt Charkiw/Charkow fanden zwischen 1941 und 1943 mehrere große Schlachten statt, zweimal wurde die Stadt von den Deutschen erobert und zweimal von der Roten Armee zurückerobert. 1943 war die Stadt großteils zerstört, von den einst 1,4 Mio. Einwohnerinnen waren nur mehr 170.000 in der Stadt. Insgesamt kamen in der Zeit der deutschen Besetzung rund 270.000 Menschen in der Oblast Charkow um. Kurz nach der deutschen Eroberung im Herbst 1941 hatte ihr Terror gegen die Zivilbevölkerung begonnen, rund 30.000 Menschen erschossen sie außerhalb der Stadt in Drobyzkyj Jar, darunter etwa 16.000 Jüdinnen und Juden. Frauen und Kinder brachten sie in zusätzlich eingesetzten Gaswägen um.


Das 1935 aufgestellte Denkmal des 1861 gestorbenen ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko ist weniger durch die Statue seiner Person interessant als durch die Figurengruppe am Sockel. Sie erzählt in meisterhafter Darstellung die Geschichte der unterdrückten Menschen, die schließlich in der kommunistischen Revolution ihre Erlösung fanden.
Beim sowjetischen Bildprogramm ist zu berücksichtigen, das hier in den 1930ern neben dem landesweiten stalinistischen Staatsterrors in der Ukraine eine politisch herbeigeführte Hungersnot herrschte. Im Frühjahr 1933 verhungerten in der Stadt innerhalb weniger Monate 45.000 Menschen.



Am Rande des großen Taras-Schewtschenko-Parks befindet sich ein 2001 vom Fußballverein Metalist aufgestellter großer bronzener Fußball.


Blick über den Fluß Lopan, im Hintergrund das Universitätsgebäude.


Die zwischen 1898 und 1901 erbaute Mariä-Verkündigungs-Kathedrale. Die in typischem neobyzantinischem Stil gehaltene Kirche ersetzte die an gleicher Stelle stehende Verkündigungskirche aus dem 17.Jh.


Die Mariä-Himmelfahrt-Kirche aus den Jahren 1771 bis 1777 (Hintergrund rechts) ist vor allem durch den zwischen 1821 und 1845 davorgestellten, weithin sichtbaren Glockenturm (Vordergrund links) im Stadtbild präsent.


Ein interessantes Ensemble bilden die 1689 gestiftete, barocke Mariä-Schutz-Kathedrale − das älteste erhaltene Bauwerk der Stadt! − und links daneben die einer gleichnamigen Marienikone geweihte Ozerjankaer Kirche aus dem Jahr 1896. Die Ikone verschwand 1926 während einer Prozession.


Klassizistische Häuserfront am Verfassungsplatz (pl. Konstytuciji), rechts im Bild die Jugendstilfassade der Passage Dytjačyj svit („Kinderwelt“) aus dem Jahr 1925.


Wer glaubte, in der Ukraine muß es Anfang Oktober bereits kalt und unwirtlich sein, wurde eines besseren belehrt.


Das in den 1840er Jahren errichtete Gebäude der Kulturakademie.


Die Choralsynagoge aus dem Jahr 1913 ist eine der größten Synagogen der Ukraine. 1923 wurde sie wie viele andere religiöse Stätten in den frühen Jahren der Sowjetunion geschlossen und zunächst als Klubhaus, dann als Kino und für einen Sportverein genutzt. Seit 1990 dient das Gebäude wieder dem ursprünglichen Zweck.



Das privat betriebene Holocaust-Museum hatte leider nicht geöffnet. Ich hätte es gerne besucht.

Montag, 1. Oktober 2012

Unterhaching

30.9.2012

Ein Vorort von München, der einzig und allein durch seinen Fußballverein überregionale Bekanntheit erlangt hat, ist die Gemeinde Unterhaching.
Rund 23.000 Menschen leben heute in Unterhaching. Doch noch im Jahr 1900 lebten hier in einem beschaulichen Dorf lediglich 600 Menschen. Seit 1898 Unterhaching per Eisenbahn mit München verbunden wurde, wurde der Ort von einem Bauerndorf zu einer Vorstadtgemeinde, deren Bevölkerung sich im 20.Jh. vervielfachte.

Der Rathausplatz ist ein bauliches Zeichen der nüchtern-sachlichen Architektur der Stadt. Links das 1982/83 errichtete Rathaus.


Gegenüber dem Rathaus steht die ebenfalls 1982/83 erbaute Gemeindebücherei.


„Die Lesenden“ heißt diese 1990 aufgestellte Skultur vor der Bücherei. Doch eigentlich liest nur der ältere Mann, während die junge Frau und der junge Mann zwar Bücher in der Hand halten, aber doch eher miteinander zu schäkern scheinen.



Die Pfarrkirche ist eines der wenigen historischen Bauten Unterhachings, die von der Vergangenheit des Dorfes künden. Ursprünglich wurde die Kirche um 1310 errichtet, 1520 wurde sie vergrößtert und der charakteristisch wuchtige Kirchturm erhöht.