Mittwoch, 11. November 2009

Datum 11/09



Datum
11/09
98 S.







Auch wenn ich einem kleineren Faible für eine gewisse Sportart fröhne, kann ich mit Sportwetten nichts anfangen. Auch wenn ich einen Fernseher habe und auf diesem nicht nur ARTE und 3Sat schaue, rufe ich bei keinen Quizshows an. Ich habe mittlerweile auch schon mein drittes Handy, etwas anderes als sie unbenützt gelöscht habe ich mit den darauf gespeicherten Spielen noch nie gemacht. Ich finde Computer und Internetz sehr praktisch (z.B. kann man damit bloggen) und vergeude manchmal blödsinnig Zeit damit, es erschließt sich mir aber nicht, warum ich irgendwelche Maxl bewegen, Massenmörderphantasien entwickeln oder mit mir selbst Karten spielen soll.

Wenn ich über den Reiz des Spielens rede, rede ich also wie der Pfarrer von der Ehe, der Blinde von der Farbe oder der Sportreporter vom Fußballspiel. Ich kann es nicht nachvollziehen. Ich habe keine Ahnung davon. Was ich verstehe, ist der Mechanismus der Sucht. Und der Mechanismus des Profits. Mit Pomp versuchen Casinos zu verdecken, daß sie Menschen ruinieren und Familien ins Unglück stürzen. Mit Sportsponsoring versuchen Glückspielanbieter und Wettfirmen im Internetz gesellschaftliche Akzeptanz dafür zu erlangen, daß sie niederschwellig leichtgläubigen Leuten Geld aus der Tasche ziehen können. Mit der Aufstellung von immer mehr Spielautomaten in sozialen Brennpunkten, nutzen private Firmen Tristesse, Perspektivenarmut und Hoffnungslosigkeit von Menschen aus, um sie durch die Vorgaukelung des schönen Scheins einer Gewinnchance und des Zeitvertreibs eines "Spiels" um ihr letztes Hemd zu bringen. Umso weniger diese Menschen haben, desto größer die Chance, daß sie ihr Geld in fehlgeleiteter Erwartung in den Automaten werfen. In Verkennung und Verschleierung des Grundgesetzes des Glücksspiels: die Bank gewinnt immer.

Es ist daher sozial- und gesellschaftspolitisch fahrlässig und falsch, solche Zustände um einiger Millionen Steuereinnahmen und der Schaffung eines "Marktes" willen, zuzulassen. Auch wenn ein schöngeistiger "Mir geht das alles schon so am Keks"-Intellektueller und Minister in statu abeundi, der ein selten wohl geordnetes Haus übergibt, einst sein philosophisches Brot mit dem Spiel und den Tränen finanziell zugrundegerichteter Existenzen verdiente.

Nikolaus Jilch legt mit seiner Reportage Heroin war gestern seinen Finger in eine klaffende Wunde. "Kleines Glücksspiel" nennt sich das Verbrechen, ganze Straßenzüge mit "Automatencafés", "Wettlokalen" und ähnlichem zu überziehen. "Jeder dritte Spielsüchtige hat vor seinem 19.Lebensjahr zu zocken begonnen; jeder zweite deswegen den Partner oder die Partnerin verloren. Die durchschnittlichen Schulden von Spielern, die von der Spielsuchthilfe betreut werden, betragen rund 41.000 Euro. Jeder fünfte Spieler verliert seinen Job, jeder zehnte die Wohnung. Ebenso viele sagen, dass sie schon an Selbstmord gedacht haben. Rund vier Prozent der Spielsüchtigen haben einen Selbstmordversuch hinter sich. Mehr als 16 Prozent sagen, dass sie kriminell gehandelt haben, um die Sucht zu finanzieren." spricht der Text eine klare Sprache.

Noch Fragen?

Danke für den Artikel. Sonst gibt es noch was über das Leben eines 100jährigen ukrainischen Nationalisten. Sowie die leider wenig ergiebige Idee, zwei große Egos aneinanderprallen zu lassen und sie ein Streitgespräch führen zu lassen - Florian Scheuba und Wolfgang Schüssel. Gut, Schüssel mit Fragen zu konfrontieren, denen er sich auf der Wolke, auf der er sonst lebt, nicht stellen muß. Schlecht, daß er durch wenig maieutische Fragekunst sofort auf Verteidigungshaltung schaltet und daher gar nichts herauskommt.

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