Sonntag, 4. Juni 2017

Białystok

4.6.2017

Im nordostpolnischen Białystok (weißrussisch Беласток, jiddisch ביאליסטאק) wurde ein Fußballspiel besucht. 270.000 Menschen leben hier.

Die erst im Spätmittelalter entstandende Stadt wurde im 17.Jh. zu einer herrschaftlichen Residenzstadt des hier die Menschen beherrschenden Adelsgeschlechts der Branicki ausgebaut. Während der Zerteilung des polnischen Königreichs unter den umliegenden Großmächten wurde Białystok und seine Umgebung 1796 erst in Preußen eingegliedert und kam dann ab 1807 bis zur Wiedergründung des polnischen Staats 1918 unter russische Herrschaft. Im Ersten Weltkrieg wurde die Stadt 1915 von der deutschen Luftwaffe angegriffen und blieb dann bis 1919 von der deutschen Armee besetzt. In der Anfangsphase der Industrialisierung entstand durch Wirtschaftsmigration eine bedeutende deutsche Minderheit, die 1885 ca. 12.000 Menschen umfasste, in den folgenden Jahrzehnten jedoch wieder abnahm: 1913 lebten noch 5.000 Deutsche in Białystok, 1935 noch 2.500.


Das alte Rathaus wurde 1745 bis 1761 im Barockstil errichtet. Nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens 1939 wurde der Turm von den sowjetischen Truppen zerstört, aber 1954 bis 1958 wiederaufgebaut. Historisch war Białystok bis zum Zweiten Weltkrieg eine jüdisch geprägte Stadt mit einer bunten Vielfalt verschiedener Kulturen. 1897 gaben von den 66.000 Einwohnerinnen und Einwohnern 62% Jiddisch als Muttersprache an, 17% Polnisch, 10% Russisch, 6% Deutsch und 4% Weißrussisch. 1906 wurden in einem von den russischen Behörden geduldeten bis geförderten Pogrom zwischen 81 und 88 Jüdinnen und Juden v.a. von russischen Zivilisten und teils auch Soldaten umgebracht, Wohnungen und Geschäfte geplündert und viele weitere verletzt. Heute sind hier 97% polnisch. Eine weißrussische Minderheit macht etwa 2,5% der Bevölkerung aus.


Die katholische Marienbasilika wurde 1900 bis 1905 anstelle einer alten Kirche neu erbaut.


In Białystok befinden sich aufgrund der russischen Vergangenheit mehrere orthodoxe Kirchen und eine orthodoxe Minderheit. Die orthodoxe Nikolauskathedrale (Sobór św. Mikołaja) wurde 1843 bis 1846 an der Stelle einer älteren Kirche errichtet.


Der spätbarocke Branicki-Palast (Pałac Branickich) wurde in zwei Phasen von 1691 bis 1697 und 1728 bis 1752 als Residenz der hier herrschenden polnischen Adeligen der Branicki erbaut. In den Kämpfen des Zweiten Weltkriegs wurde die Anlage 1944 von der deutschen Wehrmacht vor ihrem Abzug zerstört und 1946 bis 1960 wiederaufgebaut. Heute ist hier die Medizinische Universität.


Denkmal für Ludwik Lejzer Zamenhof, Entwickler der Kunstsprache Esperanto. Er wurde 1859 in Białystok in einer jüdischen Familie geboren und entwickelte aufgrund der vielsprachigen Umgebung ein großes Interesse für Sprachen. Sein Vater sprach russisch, sein Mutter jiddisch, in der Stadt wurde auch polnisch gesprochen. Früh lernte er Deutsch und Französisch. 1887 veröffentlichte Zamenhof seine „internationale Sprache“, die Elemente aus verschiedenen Sprachen zusammenführte.


Straßenszene. Von 1941 bis 1943 unterhielt die deutsche Wehrmacht in der Nähe der Stadt ein Kriegsgefangenenlager für 10-12.000 gefangene sowjetische Soldaten, die sie dort wie systematisch gehandhabt zu abertausenden verhungern und zugrundegehen ließ.


Das Denkmal für die Helden der Erde Bialystoks (Pomnik Bohaterów Ziemi Białostockiej w Białymstoku) wurde 1975 auf einem Hügel im Park gegenüber dem Universitätsplatz zum Gedenken an die Gefallenen und Ermordetn aus Bialystok errichtet.


Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt im September 1939 von der deutschen Wehrmacht erobert und dann im Rahmen des Hitler-Stalin-Pakts an die Sowjetunion übergeben. 1941 wurde die Stadt kurz nach dem deutsche Überfall auf die Sowjetunion wieder von der deutschen Wehrmacht. Die nachrückende deutsche Polizeieinheiten begann noch am Tag der deutschen Besetzung am 27. Juni 1941 mit dem Morden in der zu zwei Drittel jüdischen Stadt. Rund um die Große Synagoge zwangen die deustchen Polizisten die Menschen aus ihren Häusern auf die Straße und erschossen sie an Ort und Stelle oder trieben sie mit hunderten bis tausenden anderen Jüdinnen und Jüden in die Große Synagoge und steckten diese daraufhin in Brand. Niemand weiß, wieviele Menschen in der brennenden Synagoge starben, die Angaben bewegen sich zwischen 700 und 2.000 Ermordeten. In den ersten zwei Wochen nach der Besetzung brachten die deutschen Besatzungssoldaten durch Übergriffe und Massenerschießungen rund 4.000 Jüdinnen und Juden in den Straßen der Stadt um. Eine Gedenktafel aus dem Jahr 1958.


Ein Denkmal aus dem Jahr 1995 an ungefähr der Stelle, wo die 1913 eröffnete Große Synagoge stand, erinnert in Form des Skeletts einer Kuppel über einem Davidstern in der Grünfläche.


Gedenktafel im Bereich des einstigen Ghettos. Die deutsche Besatzung sperrte die jüdische Bevölkerung in ein abgetrenntes Stadtviertel, das Ghetto Białystok. Die meisten der ca. 43.-60.000 Jüdinnen und Juden wurden von dort bis 1943 nach Treblinka und Majdanek deportiert und ermordet. Ende Juli 1944 wurde die Stadt von der sowjetischen Armee eingenommen. Das Ende der deutschen Besatzung hatten 300 bis 400 Białystoker Jüdinnen und Juden entweder als Partisanen oder in den Zwangsarbeitslagern überlebt.


Erinnerungszeichen in einer Parkanlage, wo 1941 im jüdischen Ghetto ein Friedhof angelegt wurde. Bis 1943 wurden hier die im Ghetto Umgekommenen und Verstorbenen in einfachen Gräbern bestattet. Als in der Nacht von 15./16. August 1943 deutsche SS und ihre ukrainischen Hilfstruppen das Ghetto umstellten und die Auflösung des Ghettos und die Deportation der Menschen ankündigten, begann ein bis 19. August dauernder verzweifelter Aufstand. Mangels Bewaffnung verbarrikadierten sich die jüdischen Aufständigen in Bunkern und Verstecken, die aber von der deutschen militärischen Übermacht nach und nach aufgespürt wurden und dann die versteckten Menschen umgebracht wurden. Die etwa 900 Toten des Aufstands und der Auflösung des Ghettos wurden ebenfalls hier in Massengräbern begraben. 1971 wurden die Leichen von der Stadtverwaltung exhumiert und in den städtischen Friedhof gebracht. Ein Gedenkstein wurde errichtet. 2003 wurde ein Obelsik als weiteres Gedenkzeichen aufgestellt.


Straßenszene

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