Sonntag, 21. Oktober 2012

Pápa

20.10.2012

Rund 32.000 Menschen leben in der westungarischen Stadt Pápa. Eines Samstags stieß ich kurzzeitig hinzu, um hier ein ein Fußballspiel zu besuchen.

Bereits im 15.Jh. stand hier eine Burg, die im 16./17.Jh. zu einer umkämpften Grenzfestung zwischen dem habsburgischen und dem osmanischen Herrschaftsbereich wurde. Nach dem Ende dieser steten Kriegsbedrohung im westungarischen Raum am Ende des 17.Jh. ließ sich die Fürstenfamilie Esterhazy die Burg im 18.Jh. zu einem Barockschloß umbauen.

Von 1945 bis 1959 hatte die sowjetische Rote Armee im Schloß Quartier genommen. Die einst prunkvolle Einrichtung kam dabei zu Schaden oder wurde abtransportiert.

Detail eines Brunnen. Das Schloß ist ebenso schönbrunnergelb gestrichen wie die Esterházy-Sitze in Eisenstadt (Kismarton) und Sered' (Szered).

Das Esterhazy-Schloß (Esterházy-kastély) ist U-förmig gebaut, mit freiem Blick auf die große Kirche inmitten des Hauptplatzes.

Die katholische große Kirche (nagytemplom) wurde zwischen 1774 und 1786 anstelle einer mittelalterlichen Kirche errichtet. Der Barockbau dominiert den Hauptplatz (Fő tér).

Die Deckenfreskos stammen vom bekannten Barockmaler Franz Anton Maulbertsch.

Der Fő tér wird derzeit neu gepflastert, dabei wurden auch Fundamente einstiger Häuser freigelegt.

Straßenansicht, Kossuth Lajos utca.

Bereits im 16.Jh. war Pápa ein Zentrum des Protestantismus gewesen. Die in Neorenaissance gehaltene große refomierte Kirche wurde 1941 anstelle eines 1931 abgerissenen Theaters eingeweiht.

Die in klassizistischem Stil gehaltene Synagoge in der Petőfi Sándor utca wurde 1846 eingeweiht. Ein großer Bau von 20 Meter Höhe. 1748 war formal die jüdische Ansiedlung in der Stadt gestattet worden (der Erlaß ist in der Ausstellung in der Synagoge zu sehen).

Der Eingang ist an der Hinterseite.

Eine gleich beeindruckende wie bedrückende Ausstellung namens Elfeledett szomszédaink („Vergessene Nachbarn“) ist derzeit in der Synagoge zu sehen. Mit privaten Familienfotos und dazugehörigen Lebens- und Famliengeschichten wird an das zerstörte und ermordete einst blühende Leben erinnert. Die Texte sind zwar nur auf ungarisch, aber die Bilder sind eindrucksvoll genug, noch dazu an diesem Ort einer verwüsteten und nicht renovierten Synagoge.

Die einstige Pracht ist z.B. an Farbresten zu erahnen. Die deutsche Wehrmacht stellte hier 1944/45 ihre Pferde unter, nach 1945 diente das Gebäude als Möbellager. 2007 wurde die Synagoge mit finanzieller Hilfe einstiger Gemeindemitglieder aus New York wiederhergestellt und wird an jüdischen Feiertagen für religiöse Zeremonien genutzt.

Merke: Wenn man als Mann bei der Synagogenbesichtigung von anderen Anwesenden angestarrt wird, liegt das daran, daß man am Eingang die Kopfbedeckung abgenommen hat anstatt sie aufzulassen oder eine bereitliegende Kippa zu verwenden. So wird man als unbedarfter Atheist schnell zum Elefant im Porzellanladen. Ich wollte keineswegs respektlos sein und habe nach Erkenntnis die Haube schnell aus der Jackentasche gezogen und aufgesetzt.

Rund um die Synagoge wurde nach der deutschen Besetzung Ungarns am 1. Juni 1944 ein Ghetto eingerichtet, in das rund 3.000 Menschen eingesperrt wurden. Zwischen 30. Juni und 3. Juli 1944 wurden sie nach Auschwitz deportiert. Nur wenige hundert überlebten den Holocaust. Am Bahnhof erinnert eine Gedenktafel an die Deportation.

Am Bahnhof von Pápa.


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