Dienstag, 29. April 2008

Third



Portishead
Third
2008




Nach langer Zeit (10 Jahre!) endlich wieder etwas von den großen Portishead. Zwischenzeitlich wurde die Pause ja durch das auch sehr schöne Album der Sängerin Beth Gibbons Out of Season mit Rustin Man überbrückt, aber das ist jetzt schließlich auch schon wieder sechs Jahre her. In der Hochphase von Portishead in den 1990ern war ich musikalisch doch etwas anders unterwegs, als ich aber gegen Ende des Jahrzehnts auf sie gestoßen wurde (Danke nochmals!), hat mich die gebrochene Kraft der Stimme von Beth Gibbons schon schwer beeindruckt.
Beim Hören der neuen CD wieder der gleiche Effekt wie damals: Auch jetzt muß ich mich an den neuen Sound wohl noch etwas gewöhnen, aber nett dieses elektronische Zeugs. Klingt halt logischerweise anders als vor einem Jahrzehnt, was ja auch gut so ist. Zeitweise stellt das Album den musikalisch Gitarrenrockgeprägten aber doch etwas auf die Probe - und die juvenile Prägung läßt einen ja nicht los, je weniger man sich mit Musik beschäftigt.
Aber zum Niederknien die Stimme!

Montag, 28. April 2008

Datum 5/08


Datum
Mai 2008
98 S.






Das Datum ist diesmal schwarz-grün geprägt. Einerseits gibt's einen Artikel über eine mögliche Koalition von ÖVP und Grünen. Gähn. Amüsant hier nur immer wieder die wohl autosuggestiv wiederholte Geschichte von der "Erfolgsgeschichte" der schwarz-grünen Koalition in Oberösterreich - mit dem bezeichnendem Beispiel: ÖVP will Privatisierung des Energieversorgers und die das mitbeschließenden Grünen jubilieren, weil ihnen versprochen wird, daß das durch den Börsegang gewonnene Geld in Wind-, Solar- und Biomassekraftwerke investiert würde. Doch diese schöne Luftburg hat dann die pöse, pöse SPÖ kaputt gemacht. Insofern ist der Titel des Artikels falsch, er sollte nicht heißen "Grün ist das neue Blau", sondern "Die Grünen sind die alten Blauäugigen"
Andererseits gibt's einen interessanten Andreas-Hofer-Schwerpunkt, mit einem Interview mit dem Historiker Laurence Cole und den gegensätzlichen Zusammenfassung der Mythos-(De-)Konstruktionen des ÖVPler Andreas Khol und einer Innsbrucker Grünen.

Bemerkenswert ist weiters das Interview mit dem Autor Ernst Hinterberger, der mit seinen Fernsehserien Ein echter Wiener geht nicht unter, Kaisermühlenblues und Trautmann das österreichische Gedächtnis mitgeprägt hat.

Freitag, 25. April 2008

Drei Amen für Satan


Drei Amen für Satan
(La vendetta è un piatto che si serve freddo / Venegance trail / Venegance is a dish served cold)
Italien 1971
Regie: Pasquale Squitieri
u.a. mit Leonard Mann, Ivan Rassimov, Klaus Kinski



Die Story ist bemerkenswert und auch sehr engagiert: der Großgrundbesitzer Perkins läßt seine Leute als Indianer verkleidet Farmersfamilien massakrieren und so einen Krieg provozieren, um an das Land der geflüchteten Farmer zu kommen. Ein Bub überlebt so eine Aktion und bringt als Erwachsener daraufhin aus vermeintlicher Rache jeden Indianer um, den er kriegen kann. Und dann kommt er hinter die wahre Geschichte und nimmt gemeinsam mit befreiten amerikanischen UreinwohnerInnen Rache. Die Präsenz dieser ist für einen Italowestern höchst ungewöhnlich - und sie werden im Vergleich zu den weißen RassistInnen positiv gezeichnet (wenngleich auch hier sie der weiße Held rettet). Das ist das gute an diesem Film.
Allerdings ist zum einen die deutsche Synchronisation mit ihrem Klamauk furchtbar, aber auch der Aufbau ist in einigen Teilen des Films zu Beginn nicht gerade sehr logisch. Mir war mich leider manches, abseits des erst spät zur Geltung kommenden Klaus Kinski, zu holzschnittartig, v.a. Leonard Mann als rächender Held in seiner eigentlich anspruchvollen Rolle. Ivan Rassimov als zurückgenommener Perkins hat mir da hingegen sehr gut gefallen.

Literatur:
Ulrich P. Bruckner, Für ein paar Leichen mehr. Der Italo-Western von seinen Anfängen bis heute. Stark erweit.u.aktual.Neuausg., Berlin 2006, S.392-394

Freitag, 18. April 2008

Das schöne Leben



Christiane Rösinger
Das schöne Leben
Frankfurt am Main 2008 (Fischer)
205 S.







Häuft sich das jetzt, daß ich auf Lesungen mit Gesang/Musik bin? Keine Ahnung, wohl nur Zufall. Wobei das diesmal ja ganz was anderes war. Jedenfalls war gestern im WUK Christiane Rösinger, bekannt von den großen, großen Lassie Singers. Die hab' ich ja in einem anderen Jahrtausend durch Grissemann und Stermanns Salon Helga kennenlernen dürfen.

Es war schon sehr schön gestern. Sie hat aus ihrem Buch gelesen, aber auch gesungen, so auch die hochsentimentalen Klassiker Liebe wird oft überbewertet und Es ist so schade.

Rösinger schreibt im autobiographisch angeleiteten Buch über die Kindheit am Land, das Berlin der 1980er Jahre, das Leben in der Band, Alkohol, Drogen, Fortgehen als Lebenselexier (Leben in der Bar) und anderes. Alles sehr nett.

Sehr treffend, "Glaubt man den Amerikanern, so verdienen Bobos vor allem im Internet ihr vieles Geld, wollen aber trotzdem ihre verlotterte Kleidung nicht ablegen. Sie schwärmen für exotische Kaffeesorten, umweltverträgliche Zahnpasta, sauer und bitter schmeckende Salate und fahren im Urlaub nach Italien, um vergilbte Bauerngesichter zu bestaunen und Ziegenmilch in den Kaffee zu tun. Stumpfes Grau ist ihre Lieblingsfarbe.
Doch spätestens hier begann die ganze Bobo-Theorie bereits zu wackeln. Die Sorte gab es doch bei uns schon lange!
Sie hatten zwar weniger mit dem Internet zu tun, hießen dafür aber einfach "Lehrer" oder "Grüne". Ein Kunstwort musste für sie nie geschaffen werden."


Und: "Als älterer Mensch kann ich nur sagen: Liebe Dreißigjährige! Das Leben ist sehr kurz, aber gleichzeitig auch sehr lang. Wer da mit dreißig schon meint, ruhig und häuslich werden zu müssen und sich vom öffentlichen Leben verabschieden will, soll überdenken, was er dann die nächsten Jahrzehnte machen will." Hm, erwischt.

Donnerstag, 17. April 2008

Sing mir das Lied der Rache



Sing mir das Lied der Rache
(Mi chiamavano Requiescat ... ma avevano sbagliato / Fasthand / Fast Hand Is Still My Name / Mano rápida)
Italien/Spanien 1973
Regie: Mario Bianchi
u.a. mit Alan Steel, William Berger





Manches ist schon sehr übertrieben brutal, so medizinisch interessiert bin ich etwa nicht, um Wunden so groß sehen zu müssen. Die Brutalitäten retten aber nicht wirklich die nur halbwegs unterhaltsame Handlung. Ansonsten ein paar gute Bilder, es kommt aber keine rechte Stimmung auf. Das Spiel mit dem Licht fehlt mir und als Landschaft gehört für mich einfach Staub, Dreck und Wüste her und nicht grüne Wiesen. Die Frauenrolle am Schluß ist hochgradig lächerlich, die Indianerin mit blütenweißer Haut im kessen Lederminikleid - da hätte man gleich drauf verzichten können. Ein durchschnittlicher Film aus einer Zeit, als die Zeit des Italowestern schon vorbei war, was man an allen Ecken und Enden merkt.

Mittwoch, 16. April 2008

Die Rechnung wird mit Blei bezahlt


Die Rechnung wird mit Blei bezahlt
(Da uomo a uomo / Von Mann zu Mann)
Italien 1967
Regie: Giulio Petroni
u.a. mit: Lee Van Cleef, John Phillip Law






Ein großartiger Film! In allerbestem Italowestern-Stil tragen die Gesichter, die Stimmungen, die Musik (Morricone!) den Film. Ein Rachewestern, Kind überlebt Massaker an seiner Familie und rächt sich als Erwachsener, als intelligente und spannende Geschichte, mit psychologisch interessantem Schluß, der ohne viel Worte auskommt und doch großes Kino ist. Das ist es, wie ich einen Italowestern mag. Lee van Cleef einer Glanzrolle! Und die die Inszenierung muß keinen Vergleich mit den Größten (die drei Sergios Leone, Corbucci, Sollima) scheuen. Wunderschöne Bilder!
Ulrich Bruckner hat recht, daß dieser Film "zu den besten Filmen dieses Genres" gehört.

Literatur:
Ulrich P. Bruckner, Für ein paar Leichen mehr. Der Italo-Western von seinen Anfängen bis heute. Stark erweit.u.aktual.Neuausg., Berlin 2006, S.171-175

Dienstag, 15. April 2008

Blätter, April 2008



Blätter für deutsche und internationale Politik
53.Jg., Heft 4/2008
128 S.






Interessant ist diesmal ein kurzer Überblick über die jüngere politische Geschichte des Tschad, den man ja seit kurzem auf der Landkarte findet. Helga Dickow erzählt hier u.a. die v.a. für die Weltbank bezeichnende Episode, wie mit deren Geld die Ölförderanlagen ausgebaut wurden. Die Weltbank hat sich 2000 vertraglich versichern lassen hat, daß die Öleinnahmen für Soziales und Infrastruktur eingesetzt werden würden - und sich dafür feiern lassen. Der Diktator Déby hat sich aber drum Militärhubschrauber zur Aufstandsbekämpfung gekauft und den Vertrag 2005 schließlich gekündigt ohne behelligt zu werden - "Er drohte, den Ölhahn abzustellen, und hatte damit Erfolg: Er kann nunmehr frei über die Einnahmen verfügen, sprich: Waffen kaufen. Der Fonds für zukünftige Generationen wurde aufgelöst." Wenn das so einfach geht, rennt viel falsch.

Freitag, 11. April 2008

Transit 34



Transit 34
Europäische Revue
Winter 2007/2008
172 S.







Der eine Schwerpunkt des Hefts gilt dem polnischen exkommunistischen katholischen Philosophen Leszek Kołakowski, vom kommunistischen Regime als Dissident aus dem Land vertrieben. Von ihm ist auch ein Artikel aus dem Jahr 1957, Was ist Sozialismus?, abgedruckt, eine beindruckende, prägnante, kraftvolle Anklage des kommunistischen Systems. Die Artikel von Tony Judt und John Gray widmen sich dem Werk, mit dem auch ich den Namen Kołakowski automatisch verbinde, seine in den 70er Jahren erschienenen, in ihrer Breite und Tiefe imposanten Hauptstömungen des Marxismus. Es ist eine Ideengeschichte, wie sie nur von einem Philosophen/einer Philosophin geschrieben werden kann. Ich hab' nur ganz wenig daraus gelesen, und das auch schon vor Jahren. Abgesehen davon, daß mir die harten Bewertungen und Thesen damals nicht gefallen haben, etwas was das Werk aber eigentlich positiv auszeichnet, war mir das zu entkontextualisiert. Da hab' ich wohl einen anderen Zugang, mich interessieren die historischen und sozialen Bedingungen des Gedachten und Geschriebenen und nicht nur dessen reine Substanz. Krzysztof Michalski macht in seinem Beitrag über die Philosophie Kołakowskis deutlich, daß dessen Hauptbeschäftigung seither religiösem Zeugs galt und gilt, die Beschäftigung mit dem Sozialismus hat er nach den drei dicken Bänden de facto abgeschlossen.

Aber zu Judt und Gray: Sie orientieren sich in ihren Artikeln eng an Kołakowskis Position, daß Marx' Philosophie "einige praktische Konsequenzen nach sich zog, die unbeschreibliches Leid und Elend über die Menschheit bringen sollten: Privateigentum und Markt sollten abgeschafft und durch universale, alles umfassende Planung ersetzt werden - ein völlig unmögliches Projekt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bemerkten namentlich Anarchisten, dass die solchermaßen verstandene marxistische Doktrin eine gute Blaupause für die Umformung der menschlichen Gesellschaft in ein gigantisches Konzentrationslager war. Natürlich lag dies nicht in Marxens Absicht, aber es war die unausweichliche Auswirkung der wohlwollenden gloriosen und endgültigen Utopie, die er ersann." (Kołakowski im neuen Vorwort der englischen Neuausgabe der Hauptströmungen, zit. nach Gray, S.47).
Tony Judt hat recht, die zynische Anwendung der Dialektik zwecks Verdrehung der Geister und Tortur der Leiber entging den westlichen Marxismusexegeten für gewöhnlich, die sich lieber in die Kontemplation vergangener Ideale oder künftiger Aussichten versenkten und von unbequemen Nachrichten aus der sowjetischen Gegenwart, besonders wenn sie von Opfern oder Zeugen stammten, unbewegt blieben." Und auch wenn er konzediert, daß man "Karl Marx, einen deutschen Autor, der im viktorianischen London lebte, wohl kaum in irgendeiner gedanklich nachvollziehbaren Weise für die russische oder chinesische Geschichte des 20. Jahrhunderts verantwortlich machen" (Judt), klebt er an dem Schluß, es wäre "die leninistische Version des Marxismus ... wenngleich nicht die einzig mögliche, ziemlich plausibel" (Kołakowski) gewesen.

Kołakowski rezipiert Marx als Philosoph, nicht als Ökonom, Historiker, Soziologe, gerade letztere beiden Eigenschaften sind aber seine größten Stärken. Also ich bin von Marx' Bürgerkrieg in Frankreich und dem 18. Brumaire des Louis Bonaparte jedesmal wieder ganz schwer beeindruckt. V.a. Judt solidarisiert sich cum ira et studio mit Kołakowski so überschäumend, daß er in seiner berechtigten Verurteilung der kommunistischen Gewaltregimes und Gewaltideologie, nicht zur Kenntnis nimmt, wie anregend es sein kann, Marx als produktive intellektuelle Fundgrube und nicht als Prophet und Überbauer eines Gewaltregimes zu sehen. Als Steinbruch, nicht als Religion ist Marx ergiebig - und ist historisch-kritisch zu lesen, wie alles und jeder, denn natürlich steht auch viel Blödsinn drinnen und natürlich ist Marx nicht als Πολιτεία oder Νόμοι zu sehen (und ich mag Platon! - historisch-kritisch gelesen). Aber das kommt davon, wenn man Marx als idealistischen deutschen Philosophen in christlich-mystischer Tradition nimmt. Ein seltsamer Artikel Judts, der wirkt als wäre er in der Hochphase des Kalten Kriegs von einem Propagandisten und nicht heute von einem eigentlich gescheiten Historiker geschrieben worden.

Der zweite Schwerpunkt der Ausgabe gilt Anna Politkowskaja, einer bewundernswerten, heldinnenhaften russischen Journalistin, die die Verbrechen des Tschetschenienkriegs aufdeckte und anprangerte und dafür ermordet wurde.

Dienstag, 8. April 2008

Europäische Revolutionen



Eric Hobsbawm
Europäische Revolutionen
(Kindlers Kulturgeschichte des Abendlandes: Bd.XV)
München 1978 (Kindler)
572 S.






Eric Hobsbawms im Original 1962 als The Age of Revolution in Weidenfelds History of Civilisation-Reihe erschienenes Werk ist eine für ein breites Publikum geschriebene Geschichte der Jahre 1780 bis 1848. So ist das Buch auch sehr schön und leicht zu lesen, wobei ja aber Hobsbawm in bester angelsächsischer Tradition ohnehin immer verständlich schreibt.

Im Zentrum steht die These der "Doppelrevolution" (Dual Revolution) von industrieller (britischer) und politischer (französischer) Revolution. Für die damalige Zeit recht ungewöhnlich - jetzt im Vergleich zur deutschsprachigen Historiographie - hat Hobsbawm einen breiten Blickwinkel. Klar ist, daß bei ihm der wirtschaftlichen Entwicklung nicht nur aufgrund des Themas, sondern auch als Erklärungsmuster viel Raum gegeben wird, mehr als der zu recht auf's Wesentliche beschränkten Kriegs- und Diplomatiegeschichte (obwohl die ja gerade in dieser Epoche viel hergibt, etwa in der von Hobsbawm angerissenen Wechselwirkung von Armee und Revolution). Da gibt's was über Ideologiegeschichte, das bürgerliche Individuum, die Künste und Wissenschafen. Am besten ist er aber in den "Standards", die Industrielle Revolution und die beginnende Durchsetzung des Kapitalismus, das Agrarproblem (inkl. die Nachteile der Bauernbefreiung für die Betroffenen) oder die Jahre von den 1820ern bis zum Vorabend von 1848, die er nicht als Zeit der Aufstände, sondern als Zeit der "revolutionären Wellen" beschreibt.

Nennen wir es mal "nicht kohärent" hab' ich gefunden, daß Hobsbawm in der Aufzählung von Beispielen der rasanten wirtschaftlichen und industriellen Dynamik meint "Vom heutigen Standpunkt gesehen, war das alles gewiß noch recht bescheiden, aber mit den früheren Zeiten verglichen - und schließlich verglichen ja die Zeitgenossen ihr Leben mit der Vergangenheit -, überstieg diese Wandlung die wildesten Träume." (S.299f.), zu den Opferzahlen des jakobinischen Terreur (S.123f.) oder der Revolutions- und napoleonischen Kriege aber genau die entgegengesetzte Argumentation verwendet und sie gegenüber z.B. der grausamen Beendigung der Pariser Kommune oder dem 20. Jahrhundert relativiert (S.164f.). Eine Linie, die man vertreten kann, wenn man will, es hätte aber ein bisserl deutlicher argumentiert gehört.

Die Französische Revolution ist ja ein klassisches Beispiel parteiischer Geschichtsschreibung. Hobsbawm macht hier in marxistischer Tradition aus seiner Sympathie für den Jakobinismus, mitsamt Betonung seiner sozialorientierten Wirtschaftspolitik, wenig Hehl, "Für alle war dies eine Zeit, die nicht nach den Maßstäben des menschlichen Alltags zu beurteilen ist, sondern aus der Perspektive eines grauenvollen Terrors. Und das ist wahr. Für den soliden Franzosen aus dem Mittelstand, der hinter diesem Terror stand, war dieser jedoch weder pathologisch noch apokalyptisch, sondern in erster Linie die einzige Methode, sein Land (i.e. die Revolution, gegen den Aufstand fast des ganzen Landes gegen das jakobinische Paris und gegen die militärische Intervention der europäischen Mächte) zu retten. Dies gelang der Jakobinischen Republik in der Tat, und ihre Leistung war übermenschlich." (S.124) Hobsbawm positioniert sich, versucht aber stets, differenziert zu bleiben.

Vieles würde und könnte man heute nicht mehr so schreiben und formulieren wie 1962. Gar nicht würde mehr gehen, daß der Gender-Aspekt einfach praktisch nicht vorkommt, Frauen gibt es nur in Nebensätzen und Randbemerkungen. Notgedrungen zu kurz kommt bei einem Überblickswerk natürlich leider nationale bzw. im europäischen Maßstab regionale Aspekte. Dafür wird trotz des Fokus auf Europa immer wieder auch auf Außereuropäisches verwiesen; aus dem britischen Entstehungszusammenhang verständlich immer mal wieder auf Indien, aber z.B. auch auf Lateinamerika. Und zur Darstellung der Verbreitung der klassischen britischen Ökonomie von Smith und Ricardo auf die frühe Gründung von Ökonomie-Lehrstühlen in Lateinamerika zu verweisen, war schon ein sehr netter Aspekt.

Über diese Epoche gibt's Berge an Literatur. Abseits von Details und Fakten, für den Gesamtzusammenhang, ist Hobsbawms Buch Standardliteratur. Ein wirklich sehr gutes, zeitloses sozialgeschichtliches Werk.

Freitag, 4. April 2008

spw 162


spw
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft
Heft 162 (2/2008)
März 2008
59 S.




Nach der Jugend in der letzten Ausgabe geht's diesmal im Schwerpunkt um's Alter, nämlich um das Thema Pflege, das ja die österreichische Innenpolitik auch schon seit gut zwei Jahren verfolgt. Beleuchtet wird dabei nicht nur die Frage, wie das Verhältnis von Individuum und Staat bzw. Markt in einer Gesellschaft organisiert wird, sondern auch die Frage, die in der Debatte bei uns zu kurz gekommen ist, nämlich die Gender-Perspektive, wie die gesellschaftlich notwendige Arbeit aufgeteilt wird. Nicht uninteressant ist auch der Artikel über die Organisation des Gesundheitssystems in Finnland.
Darüber hinaus gibt's eine sehr nette Spielerei, ein "fiktives Gespräch" mit Paul Levi, dem Gründer der ersten SPW.

Mittwoch, 2. April 2008

Datum 4/08


Datum
April 2008
98 S.





Nett ist im April-Datum der Artikel über die Tiroler Exklave Jungholz, früher Zollausschlußgebiet, wo man mit D-Mark bezahlt hat, weil der Ort nur von Deutschland aus zu erreichen ist. Heute gibt's hier vor allem drei Banken, die große Vermögen verwalten und das Bankgeheimnis als Raison d'être des Ortes. Und das liebevolle Porträt der italienischen Stadt Livorno, dessen Fußballverein ich ja 2006 bei seinem ersten Europacup-Auswärtsspiel in Pasching sehen durfte (unvergeßlich, wie sie dort in der Pause über den Stadionlautsprecher Bella Ciao - in der Modena City Ramblers Version - gespielt haben, wohl mehr als ängstlicher Präventivdeeskalation als aus Solidarität mit der linken Fans, da waren ja zu zwei Drittel ItalienerInnen im Stadion). Auch nett Philipp Kösters Kinder-Kolumne, in der er sein Werden zum typischen Fußballvater beschreibt, mitsamt den netten Anekdoten über die Mutter, die dem kickenden Sohn aufs Spielfeld zuruft, daß er seine langen Unterhosen vergessen hat, oder derjenigen Mutter, die ihren Teenager auf der Punkrockparty ausrufen läßt, daß sie jetzt da ist, um ihn abzuholen. Zum selben Thema hat er ja vor kurzem auch erst in 11 Freunde geschrieben.