Mittwoch, 24. Februar 2010

Datum 2/10



Datum
2/10
98 S.







Robert Misik schreibt über Hoffnungskeime in der österreichischen Sozialdemokratie. Basierend auf dem Befund "Wenn aber der Leidensdruck groß genug ist, dann gibt es auch Möglichkeiten der Veränderung. Das ist schwer zu beschreiben und mehr so ein Eindruck." Seine Hoffnung auf einen Politikwechsel liegt im Internetz, in der Schaffung von Öffentlichkeit und Strukturen für Diskurse in sozialen Netzwerken.

Spannend ist die Geschichte von Gerald Drissner über einen sozialkonservativen ägyptischen Studenten, der sich mit ebendiesen Mitteln des Internetzs gegen den Bau eines "westlichen" Fastfood-Komplexes durch die neue Bibliothek von Alexandria zu wehren suchte. Interessant dabei das Detail des Bedeutungswandels des 2002 eröffneten Gebäudes: "Ursprünglich sollte es die größte Büchersammlung Afrikas und der arabischen Welt werden. Die Architekten schufen Platz für acht Millionen Bücher - heute, nach acht Jahren, zählt die Bibliothek weniger als 500.000 Stück. Die aber dürfen nicht mal ausgeliehen werden, so wie es verboten ist, Bücher mit in die Bibliothek zu nehmen. Nur Handy, Geldbörse und Fotoapparat sind erlaubt. Studenten und Besucher müssen Eintritt bezahlen. Stündlich finden Führungen für Touristen, die mit Bussen ankommen statt. Mehr als eine Million Gäste jährlich, die sich Relikte aus der antiken Zeit versprechen und nicht viel mehr zu sehen bekommen als ein modernes europäisches Gebäude, in dem junge Studenten an Tischen sitzen, lernen − oder flirten."

Freitag, 19. Februar 2010

Prokla 157



PROKLA 157
Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
39.Jg., Nr.4, Dezember 2009
183 S.







Um theoretische Erfassung der Wirtschafts- und Finanzkrise bemüht sich das Heft. Ingo Schmidt versucht eine historische Einordnung in seinem Artikel über "Große Krisen seit den 1930er Jahren". Spannend der Hinweis von Joachim Becker und Johannes Jäger, daß zur Krisenbekämpfung zwar "in Westeuropa milde Formen anti-zyklischer Politik vorherrschen", hingegen "in großen Teilen Osteuropas markant pro-zyklische Politikmuster verfolgt" werden.

Alex Demirović kritisiert an Strategien zur Krisenbekämpfung eine zu kurzsichtige Betrachtung: "Die unmittelbare Ursache wird fürs Ganze genommen. Demnach erscheint die Krise als das Ergbnis der risikofreudigen Geschäftspolitik der Banken, zu geringer Regulierung und Überwachung oder falscher Leistungsanreize für die bei den Banken Beschäftigten, die mit hohen Gehältern und Boni für gewinnbringende, aber auch hochriskante Transaktionen viel zu hoch belohnt wurden." Alles richtig, aber für Demirović gilt es, umfassender an einer Kritik des ideologischen Modells des Neoliberalismus anzusetzen, um die zugrundeliegenden Ursachen anzupacken.

Montag, 15. Februar 2010

Science Busters


Science Busters
"Mars macht mobil"
von und mit Martin Puntigam, Heinz Oberhummer, Werner Gruber
Rabenhof Theater
Wien, 14.2.2010




Die "Science Busters" um den Kabarettisten Martin Puntigam und zwei Physiker bieten humoristischen Physikunterricht.
Eigentlich hatte ich erwartet, daß ich mangels Kenntnissen und jeglichen Interesses für Physik wenig bis nichts verstehen werde. So war es dann nicht. Die Pointe des angeblich hervorragenden Cosinus-Witzes ist mir zwar verborgen geblieben, aber über einige Schmähs und Geschichten war das Lachen dann doch schwer zurückzuhalten.

Thema dieses Abends war das Weltall. Der Funke ist nicht ganz übergesprungen, ich kann die Faszination der Suche nach Wasser und Methan auf irgendwelchen Planeten nicht teilen. Da gab's schon auch Längen.
Allerdings war die Schilderung der Realität der Raumfahrt dann doch sehr interessant. Der Teil über Sex im All war eher blöd. Der Witz dabei, daß in der Schwerelosigkeit die Frau festzubinden wäre, ist nicht ganz so groß wie von den Protagonisten vielleicht gedacht. Sehr nett war aber die Dekonstruktion des heroischen Bilds der Astronauten, wenn man hört, daß sie unter ihren Raumanzügen Windeln tragen und diese mit dickem Klebeband abpicken, um sich nicht in einem Anzug voller Ausscheidungen zu bewegen.
Highlight des Abends war die Zündung einer "Teebeutelrakete" - großartig so eine Knoff-Hoff-Show in live :-)

Donnerstag, 11. Februar 2010

Arbeit und Wirtschaft, 1/2010



Arbeit & Wirtschaft
Herausgegeben von AK und ÖGB
Nr. 1/2010
46 S.






"Ich rate Jüngeren, die den Beruf erlernen wollen: Lernt noch einen anständigen zweiten Beruf, damit ihr nicht nachher darauf angewiesen seid und euch verbiegen müsst." rät die lebende Legende Günter Wallraff am journalistischen Beruf Interessierten im Interview. Um Wesen und Veränderung der Medien geht es in diesem Heft, etwa um die ja heiß umfehdete Frage des Verhältnisses und der Entwicklung von Print und Internetz. Im Fokus stehen die Arbeitsbedingungen von JournalistInnen, die immer stärker unter Druck stehen, worauf Wallraff anspielt.
Dankenswerterweise wird an den, die Realität zur Kenntlichkeit entzerrenden, Dokumentarfilm Kronen Zeitung - Tag für Tag ein Boulevardstück aus dem Jahr 2002 erinnert, über dessen Entstehung Filmemacherin Nathalie Borgers erzählt.
Eine ausgezeichnete Ausgabe.

Montag, 8. Februar 2010

Prokla 156



PROKLA 156
Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
39.Jg., Nr.3, September 2009
156 S.







Eine weitere Zeitschrift, die sich in einem Schwerpunktheft mit Klima, Umwelt und so Zeug beschäftigt. Am interessantesten dabei noch ein Einblick in ökomarxistische Ansätze von Kristina Dietz und Markus Wissen sowie ein informativer Artikel von Lutz Mez und Mycle Schneider über die manchmal ausgerufene "Renaissance der Atomkraft" und deren Unwahrscheinlichkeit aufgrund fehlender wirtschaftlicher und personeller Voraussetzungen.

Dazu gibt es einen Vergleich der Gewerkschaften in den USA und China von Ellen David Friedman. Ergebnis: Es gibt Gemeinsamkeiten aufgrund der globalen Entwicklung des Kapitalismus, wodurch in beiden Ländern die Löhne sinken, während Produktivität und Gewinne steigen. Aber aufgrund der politischen Struktur Chinas wesentliche Unterschiede, wobei Friedman widersprüchliche Momente der jüngeren Vergangenheit beleuchtet.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Arbeit und Wirtschaft, 12/2009



Arbeit & Wirtschaft
Herausgegeben von AK und ÖGB
Nr. 12/2009
46 S.






Im Dezember-Heft erinnert Brigitte Pellar an einen Artikel, in dem Käthe Leichter im Juli 1933 in dieser Zeitschrift die damals brandneue soziologische Studie Die Arbeitslosen von Marienthal erstmals einem breiteren Publikum vorstellte:

"Von jedem Schilling mehr oder weniger an Unterstützung hängen aber nicht nur Ernährung und Kleidung, hängt auch die ganze Einstellung des Arbeitslosen zum Leben ab. Ein Versuch, die (oben gezeigten) Haltungsgruppen mit dem persönlichen Monatseinkommen zu vergleichen, ergibt im Durchschnitt:

In der Gruppe . Betrag in Schilling
Ungebrochen ..... 34
Resigniert ...... 30
Verzweifelt ..... 23
Apathisch ....... 19

Versteht man jetzt, was der Kampf um die Arbeitslosenunterstützung bedeutet? ... 5 Schilling auf oder ab, das bedeutet die Zugehörigkeit zu einer anderen Lebensform."


Gerade in der aktuellen Zeit der höchsten Arbeitslosigkeit seit den 1950er Jahren, ist es wichtig, sich bewußt zu machen, welch einschneidendes Erlebnis die Arbeitslosigkeit für die einzelnen Menschen bedeutet. Sozialstaatliche Unterstützung ist auch ein gesellschaftlicher Beitrag zur Erhaltung der Würde der betroffenen Menschen. Das sollte uns etwas Wert sein.

Montag, 1. Februar 2010

Blätter, Jänner 2010



Blätter für deutsche und internationale Politik
Heft 1/2010
128 S.








Charlotte Wiedemann beschäftigt sich mit der Frage, wie "westlich" die gegenwärtige iranische Oppositionsbewegung ist und ordnet sie historisch als "vierten Versuch der Emanzipation" ein. Nach der Entstehung des ersten Parlaments des Nahen Ostens 1906, der Verstaatlichung des Erdöls 1951 und der Abschaffung der Monarchie in einer Volksbewegung 1979. Als Versuche, Freiheit zu erlangen, ähnelten sie der heutigen Situation. Alle scheiterten in diesem Versuch, wenn auch auf unterschiedliche Art. Wiedemann versucht einen zu holzschnittartigen Blick auf das Land zu differenzieren.

Interessant weiters Samir Amins Plädyoer für einen "schöpferischen Marxismus" zur Überwindung des Kapitalismus sowie Dieter Senghaas' persönliche Laudatio auf den Entwicklungstheoretiker.