Samstag, 12. November 2016

Ústí nad Labem

12.11.2016

Im tschechischen Ústí nad Labem (deutsch Aussig) wurde ein Fußballspiel besucht. 93.000 Menschen leben hier.

Im Zuge eines wirtschaftlichen Aufstiegs als Handelsplatz in der zweiten Hälfte des 16.Jh. ließen sich hier viele Deutsche nieder, die bald mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachten. 1930 waren 75% der hier Lebenden deutsch und 20% tschechisch. Im 19.Jh. wandelte sich die Stadt durch das Industriewachstum und die Flussschiffahrt auf der Elbe zu einer Industriestadt. Hier gab es einen wichtige Umladehafen der bis hier am Fluss transportierten und dann weiter mit der Eisenbahn transportierte Güter. In der Umgebung wurden knapp sechzig Bergwerke eröffnet nachdem 1827 Kohlevorkommen entdeckt worden war. Dazu wurde Aussig zum Standort chemischer Industrie. Von 1840 auf 1860 vervierfachte sich die Bevölkerung auf 8.000, Anfang des 20.Jh. waren es schon 40.000.

Die gotische Marienkirche.


Das Dominikanerkloster mit St.-Adalbert-Kirche (Dominikánský klášter s kostelem svatého Vojtěcha) wurde zwischen 1715 und 1730 im Barock anstelle einer Kirche aus dem 11.Jh. errichtet.

Das Nordböhmische Theater (Severočeské divadlo) wurde 1908/09 nach Plänen Wiener Architekten in neobarockem Stil errichtet.


Straßenszenen


Das formschöne Rathaus.


Von 1899 bis 1970 verkehrte hier eine Straßenbahn. Ein letztes Schienenstück im Pflaster erinnert an sie.


Ausblick auf das per Seilbahn zu erreichende Schlößchen hoch über Stadt und Elbe.


Der Fluss Elbe.


Seit 2005 erinnert eine Gedenktafel an den sozialdemokratischen Langzeitbürgermeister Aussigs Leopold Pölzl. Die Industriestadt Aussig war sozialdemokratisch geprägt und wurde, als es nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreichs in der Tschechoslowakei freie Wahlen geben konnte, von 1920 bis 1938 von Leopold Pölzl als Bürgermeister regiert. Leopold Pölzl wurde 1879 im niederösterreichischen St. Aegyd am Neuenwalde, südlich von St. Pölten, geboren und kam 1911 als erfahrener Parteiorganisator hierher. Auch nach der Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg kehrte er hierher zurück und wurde Bürger der Tschechoslowakei. Als Bürgermeister der grenznahen Stadt war Pölzl ein aktiver Nazigegner und benannte öffentlich den Terror, die Verbrechen und die Unmenschlichkeit, die im von Hitler regierten Deutschland herrschten. Nach der Annexion des Sudetenlandes durch das Deutsche Reich 1938 wurde Pölzl verhaftet. Er wurde gedemütigt, gefoltert und überlebte einen Selbstmordversuch im Gefängnis. Er kam aber noch wieder frei und gründete eine der wenigen Widerstandsgruppen im Sudetenland gegen die deutschen wie die sudetendeutschen Nazis. Pölzl starb 1944 unter Umständen, die nie geklärt wurden, im Krankenhaus von Aussig. Angeblich war es ein Herzstillstand. Als er beerdigt wurde, verboten die NS-Behörden jegliche Traueransprachen. Dennoch kamen mehrere tausend Menschen aus Aussig und Umgebung.

Auch in der sozialdemokratisch geprägten Arbeiterstadt Aussig gewannen die Nazis in den 1930er Jahren an Auftrieb und erhielten hier bei den letzten Parlamentswahlen der Tschechoslowakei 1935 über 50% der Stimmen. Im Oktober 1938 wurde die Stadt nach dem Münchner Abkommen an Nazi-Deutschland angeschlossen. Nazigegnerinnen und Nazigegner wurden terrorisiert und gefangengenommen und bereits im November wurde die Aussiger Synagoge im Novemberpogrom niedergebrannt sowie Wohnungen und Geschäfte von Jüdinnen und Juden überfallen und ausgeraubt. Von den 1.200 hier lebenden Jüdinnen und Juden wurde 80% im Holocaust ermordet. Das 2005 errichtete Holocaust-Mahnmal erinnert an sie.


Die Brücke über die Elbe steht für ein Nachkriegsmassaker im Zuge der Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945. Am 31. Juli 1945 gab es eine Explosion in einem Munitionsdepot, die öffentlich als Anschlag von Nazi-Terroristen („Werwölfe“) bezeichnet wurde. Tatsächlich stand der Geheimdienst des tschechoslowakischen Innenministeriums dahinter. Ziel der Aktion war, einen für das Ausland erkennbaren Grund zu schaffen, warum die deutsche Minderheit aus dem Sudetenland vertrieben wird. Die erste Welle fer offenen Gewalt und wilden Verteibungen hatte von der Regierung auf britischen Druck hin zuvor gestoppt werden müssen. Auf die Explosion folgte ein Pogrom gegen die deutsche Zivilbevölkerung in Aussig, bei dem Menschen erschlagen, ertränkt und zahlreich von dieser Brücke in den Fluss geworfen wurden. Die Zahl der Toten bei diesem Massaker wurde von sudetendeutscher Seiten mit etwa 2.000 Toten angegeben, was viel zu hoch gegriffen ist. Tschechische Historiker nannten eine Zahl von 43–100 Toten, deutsche Historiker eine Maximalzahl von 220 Opfern. Schlimm genug. Bis Dezember 1946 verließen 53.000 Deutsche die Stadt durch Flucht oder gewaltsame Vertreibung. Die jahrhundertealte deutsche Kultur wurde durch die Folgen der Nazi-Verbrechensherrschaft über Tschechien beendet.
2005 wurde auf der Brücke von der Stadt Ústí nad Labem eine Gedenktafel angebracht. Der zweisprachige deutsche und tschechische Text lautet „Zum Gedenken an die Opfer der Gewalt vom 31. Juli 1945“.


Industrieruinen


Die Burg Střekov (deutsch Schreckenstein) thront auf einem Flesen über dem Fluss Elbe. Die Burg wurde im 14.Jh errichtet, ab dem 17.Jh. war sie nicht mehr ständig bewohnt und begann zu verfallen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Burg viermal geplündert. Im 19.Jh. wurde die malerische Burganlage über dem Fluss zum Motiv von Malern romantiver Motive wie Caspar David Friedrich. 1842 besuchte der Komponist Richard Wagner den Schreckenstein und ließ sich für seine Oper Tannhäuser inspirieren. Im Rahmen der Elbe-Moldau-Regulierung wurde in den Jahren 1923–1936 direkt unter dem Burgfelsen eine Stauanlage mit einem Schiffshebewerk und einem Kraftwerk errichtet, welche die Romantik des Blick seither etwas trübt.


Am Hauptbahnhof

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