Montag, 27. Januar 2014

Monza

26.1.2014

In der lombardischen Stadt Monza nördlich von Mailand wurde ein Fußballspiel besucht. Rund 123.000 Menschen leben hier.

1840 wurde die erste in Norditalien gebaute Eisenbahnstrecke eröffnet. Sie führte von Mailand nach Monza. Das heutige Bahnhofsgebäude wurde 1884 an anderer Stelle errichtet.


Straßenszene


Der Turm Torre Viscontea wurde erst 1808 errichtet, erinnert in seiner Form und mit einzelnen historischen Bauteilen aber an die alte Burg, die hier einst am Fluß Lambro stand. Sie wurde ab 1325 erbaut, im 16.Jh. im Krieg zerstört und die Ruine dann 1807 abgerissen.


Der sich heute in romanisch-gotischem Stil präsentierende Dom geht auf das frühe 7.Jh. zurück. Die aus Bayern stammende lombardische Königin Theodelinde lebte hier und ließ mit dem Bau beginnen. Im 14.Jh. wurde der Dom ausgebaut und dann an der Wende zur Neuzeit seine heutige Fassade gestaltet. Der Turm wurde zwischen 1592 und 1606 errichtet.

Im Domschatz befindet sich die sogenannte Eiserne Krone aus dem 9.Jh. (sie ist aus Gold, aber umschließt einen eisernen Ring, der aus einem Nagel des Kreuzes, an dem Jesus gestorben sein soll, geschmiedet worden sein soll), mit der die langobardischen Könige des frühen Mittelalters gekrönt wurden. 1805 setzte sie sich Napoleon auf, um sich damit zum König von Italien zu erklären.

Am Domplatz.


Das Arengario („Stadthaus“) stammt aus dem 13.Jh. und erhielt im 14.Jh. seinen Turm. Es ist das bauliche Zeichen städtischer Macht des Mittelalters. Im oberen Stock fanden die Ratsversammlungen statt, im freien Gewölbe unterhalb tagten Gerichte und fanden Märkte statt.


Die Villa Reale wurde als klassizistisches Schloß zwischen 1777 und 1780 unter Kaiserin Maria Theresia erbaut und diente als Landsitz für ihren Sohn Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich-Este, der als Gouverneur die Lombardei regierte. Später residierte hier außerhalb der damaligen Hauptstadt Mailand dann der napoleonische Vizekönig von Italien und ab 1861 war es ein Landschloß der italienischen Könige.


Unweit des Schlosses steht die Capella Espiatoria. Sie markiert die Stellen an welcher 1900 der anarchistische Attentäter Gaetano Bresci den italienischen König Umberto I. erschoß. Auf die Vorwürfe der umstehenden Menschen reagierte er mit dem Satz „Ich habe nicht Umberto getötet. Ich habe den König getötet. Ich habe ein Prinzip getötet.“ Im Frühjahr 1898 hatte Umberto die Armee Hungerrevolten und Massendemonstrationen niederschlagen lassen. Am Mailänder Domplatz wurden im Mai 1898 zwischen 118 (offizielle Zahl) und 400 Menschen von Soldaten erschossen. Umberto beglückwünschte den kommandierenden General dafür umgehend per Telegramm und verlieh ihm einen Orden. Bresci nannte dies als sein Motiv.


Gedenktafeln an im deutschen KZs und Lagern Umgekommene aus Monza (darunter Ebensee, Gusen, Hinterbrühl, Melk, Schwechat ...) im Bahnhof und an Widerstandskämpfer am Rathaus.

Mailand: Stazione Centrale, Memoriale della Shoah

26.1.2014

Der Hauptbahnhof von Mailand ist eine Sehenswürdigkeit für sich. 2013 wurde an dem Ort eine Gedenkstätte eingerichtet, von wo im Zweiten Weltkrieg die Deportationszüge mit Jüdinnen und Juden in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager abfuhren. Bevor es nach Monza zu einem Fußballspiel ging, wurde daher hier Station gemacht.
  1. der Bahnhof
  2. Memoriale della Shoah

1.

Stazione di Milano Centrale


Der neue Hauptbahnhof wurde nach fast zwei Jahrzehnten Bauzeit 1931 offiziell eröffnet. Pläne und Umfang waren dabei immer mehr erweitert worden.


Vor allem ab der Mussolini-Machtübernahme wurden die Dimensionen des Bauwerks immer monumentaler, da es nunmehr nicht nur um einen Bahnhof, sondern auch um einen Prestigebau ging, der die neue Macht des Faschismus repräsentieren sollte.


Es wurde kein einfacher Bahnhof sondern ein Palast.


Vor allem die Hallen erstaunen in ihren Dimensionen jedes Mal wieder.



Stilistisch ist das Gebäude ein historistischer Stilmix. Als Vorbild diente die Union Station in Washington, die auf die römische Antike zurückgegriffen hatten. Dazu kamen hier verschiedene Elemente aus Jugendstil und Art Deco (die Lampen).


Duce-Inschriften und andere faschistische Insignien wurden 1945 abgeschlagen und entfernt (nicht immer selbstverständlich). Das ideologische Programm des Faschismus ist an den vielen Reliefs aber deutlich, stets mit einer hervorgehobenen Führergestalt.



Die Bahnsteige überspannt eine imposante Stahlkuppel von 341 Meter Länge.


Am Bahnsteig 1 findet sich neben der Königsloge Gedenktafeln für getötete Eisenbahner im Ersten Weltkrieg, im italienischen Kolonialkrieg in Äthiopien und im Widerstand von 1943 bis 1945. Daneben erinnert seit 1988 eine Gedenktafel mit Worten des Holocaust-Überlebenden Primo Levi daran, daß vom Mailänder Hauptbahnhof aus die Deportationszüge tausende Menschen zu ihrer Ermordung brachten.




2.

Memoriale della Shoah


Die 2013 eröffnete Holocaust-Gedenkstätte ist leider nur selten zugänglich. Am Wochenende vor dem Holocaust-Gedenktag war dies sogar an zwei Tagen hintereinander der Fall. Der Eintritt ist kostenlos, man brauchte aber eine Zählkarte und es herrschte Blockabfertigung im Massenandrang.


Die Gedenkstätte befindet sich in einem Gewölbe unterhalb der Bahnsteige und Gleisanlagen.


Im vorderen Bereich stellt eine Ausstellung die Verfolgung der Jüdinnen und Juden und die Rolle des Bahnhofs in der Deportation dar und beschreibt exemplarische Lebensgeschichten. Alles in italienischer Sprache.


Am Bahnsteig 21 (Binario 21, die Zählung wurden zwischenzeitlich mehrmals verändert) unterhalb der Gleisanlagen wurden von 1943 bis 1944 Menschen in die Deportationszüge gepfercht. Hier stehen nun restaurierte Waggons.


Ohne Lebensmittel und hygienische Vorkehrungen waren diese Waggons voller Menschen tagelang unterwegs. Am 20. Jänner 1944 wurden von hier 600 Mailänder Jüdinnen und Juden, darunter 40 Kinder, die zuvor im Gefängnis San Vittore eingesperrt gewesen waren, in solch einen Zug gesteckt. Nach sieben Tagen kamen sie in Auschwitz-Birkenau an. Nach wenigen Stunden waren 500 im Gas ermordet. Von den übrigens überlebten 20 das KZ.


Die Anlagen unterhalb der Bahnsteige dienten der ebenerdigen Anlieferung von Waren und ihrer Verladung in Waggons, die dann mit einer Hebevorrichtung auf das Gleisniveau gehoben wurden. In der Nazizeit wurden Menschen per LKW gebracht und zur industriellen Ermordung verladen.


Im Boden des Bahnsteigs erinnern Inschriften an die Daten der Deportationszüge, neben den großen Vernichtungslager ging es auch ins Lager Fossoli oder ins KZ Mauthausen.



Zeitzeugen erzählen in Videos (auf italienisch)

Carpi

25.1.2014

In Carpi in der mittelitalienischen Emilia-Romagna leben rund 67.000 Menschen. Es wurde hier ein Fußballspiel besucht und ein Stadtrundgang durchgeführt sowie der Geschichte der Stadt im Zweiten Weltkrieg mit Besuch des Deportationsmuseums und des KZs Aufmerksamkeit gewidmet.
  1. Stadtbesichtigung
  2. Museo-monumento al deportato politico e razziale
  3. Lager Fossoli

1.

Altstadt von Carpi


Ich mag drei Dinge an italienischen Altstädten: Pastellfarbene Häuser, Arkaden und hölzerne Fensterläden.


Die Kirche Santa Maria in Castello, genannt La Sagra, steht an der Stelle der 752 errichteten ältesten Kirche der Stadt. Die heutige romanische Kirche wurde 1184 eingeweiht. Die Fassade stammt aus der Renaissance und wurde 1515 deshalb errichtet, da ein Teil des Kirchenschiffs abgerissen wurde, um Platz für den Ausbau des Castello zu schaffen. Blickfang ist der fünfzig Meter hohe Campanile.


Zentrum der Altstadt ist der große Marktplatz, die heutige Piazza dei Martiri. Der Platz ist in dieser Form ein Werk der Renaissance.


Die Häuser an der Längsseite des Platzes wurden Anfang des 16.Jhs. durch 52 Arkaden verbunden.


Der Bau des Doms begann 1514 im Renaissancestil. Die Fassade wurde 1701 barock fertiggestellt, die Kuppel 1774. Aufgrund des Baugerüsts ist hier leider derzeit wenig zu sehen.


Aus dem Rahmen des Renaissance-Ensembles des Platzes fällt das 1861 eröffnete klassizistische Theatergebäude.


Der imposante Palazzo dei Pio bestimmt die Ostseite der Piazza dei Martiri. Das Castello war die wehrhafte Residenz der Familie der Pio, die vom 14. bis ins 16. Jh. über die Stadt herrschten. Den Bau prägen Bauteile aus verschiedenen Epochen. Heute ist hier unter anderem das Rathaus untergebracht.


Die ehemalige Synagoge wurde 1722 nach der Einrichtung des Ghettos im Jahr 1719 errichtet. Nach der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung wurde die Synagoge 1861 ausgebaut und erhielt den Fassadenschmuck nachdem sie zuvor von außen unscheinbar gewesen war. Ende des 19.Jh. schrumpfte die jüdische Gemeinde aufgrund Abwanderung in größere Städte, sodaß die Synagoge 1907 geschlossen und 1922 endgültig aufgelöst wurde. In den folgenden Jahrzehnten verkam das Gebäude und wurden zu verschiedenen Zwecken benutzt. Zwischen 1985 und 2009 wurde renoviert und es zog hier die Fondazione ex Campo di Fossoli ein.


Straßenszene


Man trifft beim Stadtspaziergang auf Gedenkstätten für getötete Widerstandskämpfer der Resistenza gegen Faschismus und deutsche Besetzung von 1943 bis 1945.


2.

Museo-monumento al deportato politico e razziale


Das Museo-monumento al deportato politico e razziale wurde 1973 an prominenter Stelle im Palazzo Pio eröffnet. Im Hof erinnern 16 sechs Meter hohe Betonstelen mit den Namen deutscher Konzentrations- und Vernichtungslager an die Nazi-Verbrechen.


Das Museo-monumento ist eine Mischung aus Museum und künstlerisch gestalteter Gedenkstätte. Vitrinen mit Bildern und Ausstellungsstücken stellen das Leben und Morden in den Konzentrationslagern dar. Die hohen kahlen Wände des Palasts sind mit Aussagen von Überlebenden beschriftet.


Wände wurden von Künstlern mit Szenen aus den KZ gestaltet.


Der Ausstellung selbst erkennt man ihr Alter von vier Jahrzehnten an. Sie besteht hauptsächlich aus Fotos und einzelnen Stücken wie hier Stacheldraht aus dem KZ Mauthausen.


Im letzten Raum des Wegs durch das Museum sind die Wände mit den Namen von 15.000 Italienerinnen und Italienern beschriftet, die in KZ deportiert wurden, ausgewählt aus den insgesamt viermal so vielen Deportierten.


3.

Lager Fossoli


Das Lager in Fossoli nördlich von Carpi wurde 1942 zunächst als Kriegsgefangenenlager der italienischen Armee errichtet und war bis 1944 ein Gefangenenlager für politische Gefangene der italienischen Faschisten. Von diesem Campo Vecchio ist heute nichts mehr zu sehen. Das aus hölzernen Baracken und Zelten bestehende Lager wurde 1946 abgerissen.


Heute sind die Ziegelbauten des Campo Nuovo von 1943 zu sehen, das nach Kriegsende noch bis 1970 zu verschiedenen Zwecken genutzt wurde.


Ende 1943 erweiterte die im deutschen Besatzungsgebiet amtierende Mussolini-Regierung Norditaliens das Lager. Jüdische Italienerinnen und Italiener waren bisher diskriminiert und registriert worden, nach dieser Vorstufe wurden sie nun auch in Italien verfolgt und ermordet. Anfang März 1944 übernahm die deutsche SS das Lager und machte daraus das DuLag Fossoli.


Durchgangslager wie Fossoli waren ein Baustein in der bürokratisch geplanten Logistik der Morde. Jüdinnen und Juden wurden allerorten verhaftet und hier interniert bis das Fassungsvermögen des Lagers erreicht war. Dann wurden sie in Bahntransporten in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager zur Ermordung deportiert. Die Bewachung war Aufgabe der italienischen Polizei. Carabinieri eskortierten die von einem italienischen Busunternehmen durchgeführten Transporte aus dem Lager zum einige Kilometer entfernten Bahnhof in Carpi, von wo die Deportationszüge abfuhren. Zwischen November 1943 und Ende 1944 durchliefen etwa 5.000 Gefangene das Lager Fossoli, davon etwa 3.000 Jüdinnen und Juden. Auch wenn Fossoli kein Tötungsort in der Nazi-Logistik war, fanden hier dennoch Massaker an Gefangenen statt, wurden Menschen umgebracht oder starben an den elendigen Lebensbedingungen.


Nach Kriegsende wurde das Lager bis 1947 als Sammellager für Flüchtlinge verwendet. Die italienischen Behörden brachten hier sowohl jüdische Holocaust-Überlebende als auch Faschisten unter. Nach dem Zwischenspiel eines religiösen Kinderheims lebten hier von 1953 bis in die späten 1960er Jahre italienische Flüchtlinge und Vertriebene aus den Istrien und Dalmatien. 1984 wurde das Lagergelände von der Stadt Carpi angekauft und seit 1996 kümmert sich die Stiftung Fondazione ex Campo di Fossoli um das Lager.


Die Züge aus dem Lager Fossoli fuhren von Carpi mit Jüdinnen und Juden zur Ermordung nach Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen. Die politischen Gefangenen kamen in verschiedene Konzentrationslager, v.a. ins KZ Mauthausen. Die Überlebenschancen der jüdischen Deportierten waren gering. Von 1.000 Jüdinnen und Juden, die am 30. Juni Auschwitz erreichten, entgingen nur 180 Menschen der Selektion. Alle anderen wurden sofort umgebracht. Vom letzten Transport nach Auschwitz, der mit 523 Menschen Fossoli am 26. Juni 1944 verließ, überlebten 40. Der Schriftsteller Primo Levi durchlief das Lager Fossoli und überlebte den Holocaust. Im Bahnhofswarteraum in Carpi erinnert eine Gedenktafel mit Worten von Primo Levi an die Deportierten.