Donnerstag, 28. November 2013

Budapest

27.11.2013

In der ungarischen Hauptstadt Budapest wurden bei mehreren Gelegenheiten (auch hier wieder ein Fußballspiel) im Oktober 2010, im April 2011, im Juli 2011, im September 2011 und im Mai 2012 unterschiedliche Besichtigungstouren unternommen. Diesmal galt der Fokus dem alten jüdischen Viertel der Stadt.

Die 1859 eröffnete Große Synagoge (Nagy zsinagóga) oder Dohány utcai zsinagóga ist die größte Synagoge Europas und war mit 3.000 Plätzen lange Zeit die größte der Welt. Blickfang des in maurisch-byzantinischem Stil errichteten Gebäudes sind die beiden Türme. 1869 spaltete sich eine orthodoxe Minderheit ab und die Große Synagoge wurde zum Haus der neologischen Glaubensrichtung. Eine dritte Gruppe positionierte sich in der Mitte und gründete die Status-quo-ante-Gemeinde. Beide errichteten neue Synagogen, die im späteren Verlauf besucht wurden.




Unmittelbar an die Synagoge schloß die Mauer des Ghettos an, das im November 1944 nach der deutschen Besetzung der Stadt ein halbes Jahr zuvor von der faschistischen ungarischen Pfeilkreuzler-Regierung eingerichtet wurde. Rund 70.000 Menschen wurde in einem bewachten und von Mauern umschlossenen Gebiet weniger Straßenzüge in rund 4.500 Wohnungen zusammengepfercht. Zehntausende starben an den unvorstellbaren Lebensbedingungen und bei Massakern von Pfeilkreuzler-Trupps, die dabei in den letzten Wochen vor der Befreiung zwischen 10.000 und 20.000 Menschen umbrachten. Im Jänner 1945 wurden Budapest und die Menschen im Ghetto von der Sowjetarmee befreit.


Im Garten neben der Großen Synagoge wurden rund 2.000 Tote aus dem Ghetto begraben.



Holocaust-Denkmal. Von den 825.000 Jüdinnen und Juden, die in Ungarn innerhalb der Grenzen von 1941 bis 1945 lebten, wurden im Holocaust etwa 565.000 ermordet. Bedrückend ist das bürokratisch durchgeplante Tempo, mit dem dies geschah: Nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 wurden allein in den zwei Monaten bis Juni über 430.000 Menschen in KZ deportiert.


Neben der Synagoge wurde 1931 der sogenannte Heldentempel (Hősök Temploma) errichtet, der im nationalistisch-pathetischen Stil der Zeit die jüdischen toten Soldaten des Ersten Weltkriegs ehren sollte.


Der Platz hinter Synagoge und Heldentempel ist heute eine Gedenkstätte für Raoul Wallenberg (Raoul Wallenberg Emlékpark). Der schwedische Diplomat Wallenberg half den Menschen im Ghetto mit Lebensmitteln, rettete Menschen vor der Erschießung und konnte gemeinsam mit etwa dem Schweizer Diplomaten Carl Lutz 20.000 Menschen mit Schutzpässen in Schutzhäusern außerhalb des Ghettos unterbringen.


Imposant ist hier das Mahnmal Baum des Lebens des Künstlers Imre Varga, das in Form einer metallenen Trauerweide den ermordeten Menschen gedenkt.


Im zweiten Stock des renovierten Gebäudes des ehemaligen Goldmark-Saals an der Rückseite, das heute jüdische Institutionen beherbergt, gibt es einen kleinen Austellungsraum über die Geschichte des jüdischen Viertels in Pest. Neben wenigen Exponaten erfährt man davon hauptsächlich durch eine Touchscreen-Präsentation.


Im Keller der Synagoge gibt es eine Ausstellung über die Geschichte des Gebäudes.


Die Hauptausstellung bietet das Jüdische Museum. Hier gibt es viele religiöse Gegenstände zu sehen und einen Ausstellungsraum zum Holocaust in Ungarn. Der Raum mit seiner erkennbar alten Ausstellung ist natürlich nicht zu vergleichen mit viel jüngeren und moderneren Holocaust-Gedenkzentrum (Holokauszt Emlékközpont). Er läßt bedrückende Bilder für sich sprechen, die mit kurzen Texthinweisen erklärt werden.



Weiter geht es im alten jüdischen Viertel. Hier das Denkmal für den Schweizer Diplomaten Carl Lutz, der sich schon vor Wallenberg für die Budapester Jüdinnen und Juden in ihrer Not eingesetzt hatte und so ebenfalls für die Rettung zehntausender Menschen verantwortlich war.


Die Synagoge in der Rumbach utca (Rumbach utcai zsinagóga) war das Haus der eingangs erwähnten Status-quo-ante-Gemeinde. Sie wurde zwischen 1869 und 1872 nach Plänen von Otto Wagner errichtet und ist das einzige Bauwerk des berühmten Architekten in Ungarn.


Eine Gedenktafel erinnert an 16.-18.000 Jüdinnen und Juden ohne ungarische Staatsbürgerschaft, zumeist vor den Nazis aus Deutschland und Österreich geflohen, die von hier aus im August 1941 ins deutsch besetzte Kamenez-Podolsk in der Ukraine deportiert und dort von deutschen Polizisten und SS-Männern erschossen wurden.


Die Synagoge ist seit dem Zweiten Weltkrieg eine Ruine. In der Nachkriegszeit waren hier noch Wohnungen, schließlich war das Gebäude aber zu baufällig dafür. In den 1990er Jahren wurden Teilrenovierungsarbeiten durchgeführt, sodaß der leerstehende Raum heute besichtigt werden kann.


Im Innenhof eines Hauses, das als Talmud-Schule beschriftet ist, befindet sich die 1887 in einer Neogotik-Neorenaissance-Stilmischung errichtete Synagoge in der Vasvári Pál utca.



In der Kazinczy utca liegt die zwischen 1911 und 193 in sehr schönem Jugendstil errichtete Synagoge der orthodoxen Gemeinde. 1944 wurde sie schwer beschädigt (Dach), aber wiederhergestellt. Seit der Renovierung 2006 glänzt das Innere in neuer alter Farbenpracht.



In den Straßen des alten jüdischen Viertels ist oft nichts mehr vom ehemaligen jüdischen Leben zu sehen. Immer wieder sieht man dann aber doch z.B. koschere Lebensmittelgeschäfte oder einen Hinweis auf die jüdische Vergangenheit eines Hauses in der Gestaltung der Haustür.

Sonntag, 24. November 2013

Eger

23.11.2013

In der nordungarischen Stadt Eger gab es einen Fußballspielbesuch und hernach einen Stadtrundgang. Rund 56.000 Menschen leben heute in einer der ältesten Städte Ungarns.

Denkmal an die niedergeschlagene ungarische Revolution von 1956 und die Opfer der kommunistischen Diktatur. In der stählernen ungarischen Fahne ist das kommunistische Emblem ausgeschnitten, wie sie 1956 und dann wieder 1989 symbolhaft bei Protesten und Demonstrationen gezeigt wurde.



Die klassizistische Kathedrale von Eger (Egri főszékesegyház) wurde 1831–1837 erbaut. Die dreischiffige Kuppel-Basilika ist die zweitgrößte Kirche Ungarns nach derjenigen in Esztergom. 1804 war Eger zum Erzbischofssitz ernannt worden.



Dobo Istvan Ter, der Hauptplatz der Stadt, mit der 1767 fertiggestellten barocken Minoritenkirche (Minorita templom).


Blick vom Dobo Istvan Ter auf die Burg. Im Vordergrund das Denkmal für István (Stephan) Dobó. Er führte eine erfolgreiche Verteidigung der Burg von Eger mit 2.100 Männern und Frauen gegen eine osmanische Übermacht von 35.-40.000 Soldaten in einem mörderischen Gemetzel im Jahre 1552 an. Er wurde dafür zunächst geehrt (er erhielt u.a. die Burg in Levice, war später aber unter dem Vorwurf eines Verrats am König jahrelang in der Preßburger Burg eingekerkert und starb 1572 an den Folgen dieser Haft kurz nach seiner Freilassung.


1596 wurde Eger dennoch von einem osmanischen Heer eingenommen. Für 91 Jahre war Eger eine osmanisch-orientalische geprägte Stadt mit Moscheen und Bädern. Das Minarett von Eger ist das nördlichste osmanische Bauwerk in Europa. Es gehörte zur Kethuda-Moschee, die nach der türkischen Eroberung der Stadt 1624 errichtet wurde. Nach der Rückeroberung der Stadt 1687 wurde sie zunächst als Kirche genutzt, schließlich im 19. Jahrhundert abgerissen. Das 40 Meter hohe Minarett wurde stehengelassen und ist eines von heute nur drei erhaltenen Minaretten in Ungarn.


Die Burg von Eger ist vor allem durch ihre osmanische Belagerung 1552 und die erfolgreiche ungarische Verteidigung bekannt, die sie v.a. im 19.Jh. zum nationalistisch verbrämten Symbol heroischen Widerstands machte. Gemälde, Romane (heute noch ungarische Schulliteratur) und Filme behandeln das Ereignis. In einer weiteren Belagerung eroberte ein osmanisches Heer aber 1596 dann doch die Burg und die Stadt.


1701 wurde etwa die Hälfte der Burg gesprengt. 1925 begann man mit archäologischen Ausgrabungen und Renovierungen. Bis 1957 wurde das Gelände von der Armee benutzt, die hier Baracken errichtet hatte.


1470 wurde der gotische Bischofspalast gebaut. Die Bischöfe beherrschten jahrhundertelang die Stadt und ihre Menschen.


Im 10. Jh. erfolgte die ungarische Besiedlung des Ortes und Anfang des 11.Jh. wurde Eger zum Bischofssitz ernannt. Rund um die romanische Bischofskirche am heutigen Burgberg wuchs die Stadt bis sie 1241 von einem mongolischen Heer erobert und zerstört wurde. Die Ruinen der Kirche wurden ausgegraben und sind hier zu sehen.


Ausblicke von der Burg auf die Stadt Eger



Die jüdische Synagoge in der Kossuth-Straße wurde zwischen 1911 und 1913 errichtet. Sie war die Gebetsstätte der orthodoxen Gemeinde, die Synagoge der Status-Quo-Ante-Gemeinde wurde 1967 gesprengt und an ihrer Stelle 1969 ein Hotel errichtet.
1941 lebten 1.787 Jüdinnen und Juden in der Stadt, etwa 6% der Bevölkerung. Damals lebten sie bereits zwei Jahrzehnte unter sich verschärfenden antisemitischen Gesetzen und Einschränkungen. 1942 wurde die jüdischen Männer zwischen 18 und 42 Jahren zu Zwangsarbeitsbridgaden einberufen, wo die meisten umkamen. Am 8. Juni 1944 wurden die in Eger verbliebenen Frauen, Kinder und älteren Männer nach Auschwitz deportiert und fast alle ermordet.
Im November 1945 lebten wieder 150 Jüdinnen und Juden in Eger, in den 50er Jahren bis zu 400. Nach 1956 verließen sie angesichts neu aufkommenden Antisemitismus bis auf wenige die Stadt und das Land.

Sonntag, 17. November 2013

Vösendorf

16.11.2013

Die niederösterreichische Gemeinde Vösendorf liegt direkt an der südlichen Stadtgrenze Wiens. 6.500 Menschen leben hier. Bekannt ist der Ort eher für ein Einkaufszentrum als für den Fußball, dennoch wurde hier nicht eingekauft sondern ein Fußballspiel besucht.

Die durch den Ort führende Straße heißt Ortsstraße. Ein funktionaler Name.


Die katholische Pfarrkirche. Wie der im Einfallstor nach Wien gelegene Ort Vösendorf wurde auch der Kirchenbau mehrmals in Kriegen zerstört und nachher wiederaufgebaut. Der heutige Bau ist im wesentlichen die nach der letzten Kriegszerstörung 1683 im Jahr 1686 wiederaufgebaute Kirche. Die Fassadengestaltung stammt aus dem Jahr 1746, der Turm aus dem Jahr 1754. Nach Plünderungen und Bränden in den Kriegen 1805 und 1809 wurde die Kirche 1823 umfassend renoviert. In der Reformationszeit war Vösendorf ein Zentrum des protestantischen Glaubens, was erst mit der staatlich unterstützten Gegenreformation beendet wurde. 1673 wurde Vösendorf wieder eine katholische Pfarre.


Das Schloß Vösendorf. Es ist ein ehemaliges Wasserschloß und stammt ursprünglich aus dem 11.Jh., wurde im 16.Jh. umgebaut und erhielt 1808 seine heutige Gestalt. Zeitweise diente das Schloß aus Wien vertriebenen Protestantinnen und Protestanten als Zufluchtsstätte. 1794 ging das Schloß in den Familienbesitz der Habsburger über, was es bis 1918 blieb. Die Erste Republik gliederte den Besitz in den Invalidenfonds ein, der die Kriegsinvaliden des Ersten Weltkriegs unterstützte. Das austrofaschistische Regime schenkte der Familie Habsburg von 1934 bis 1938 ihre alten Besitzungen wieder, darunter auch das Schloß Vösendorf. 1938 wurde das von den Nazis wieder rückgängig gemacht. Das Schloß kam 1940 an die Stadt Wien, in deren Besitz es bis 1991 blieb und die hier eine Landwirtschaft führte. 1991 wurde das verfallene Gebäude von der Gemeinde Vösendorf gekauft, aufwändig renoviert und beherbergt heute das Gemeindeamt und ein Museum.


Eine Ausbuchtung der Ortsstraße ergibt den Schloßplatz, den aber baulich nicht das Schloß sondern das Feuerwehrhaus dominiert.


Von Juni 1944 bis April 1945 befand sich in Vösendorf ein Frauen-Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen, die beim Benzin-Benzol-Verband in der von 1921 bis 1958 bestehende Raffinerie Vösendorf arbeiten mußten.

Sonntag, 10. November 2013

Kirchberg am Wagram

9.11.2013

In Kirchberg am Wagram am Rand des niederösterreichischen Tullnerfeldes, eben am namensgebenden Wagram, leben rund 3.500 Menschen. Hier wurde ein Fußballspiel besucht.

Weithin sichtbar am sogenannten Kirchberg am Höhenzug des Wagram liegt die namensgebende Kirche. Die katholische Pfarrkirche wurde in der zweiten Hälfte des 14.Jh. in gotischem Stil errichtet um im 18.Jh. barock umgebaut.


Zentrum des Ortes ist der hoch gelegene Marktplatz. Seit dem Mittelalter führten hier am Wagram Handelswege entlang, 1872 kam die Eisenbahnverbindung hinzu. So wurde Kirchberg nicht nur durch den Weinhandel ein Handelsknotenpunkt. In der Mitte des Platzes steht eine 1780 errichtete Pestsäule.


Das Alte Rathaus, ein im 18.Jh. aufgestockter Bau aus dem 17.Jh. Heute ist hier ein Museum untergebracht.


Ein dominanter Bau am Marktplatz ist das 1912/13 in neoklassizistischem Stil errichtete ehemalige Gefängnis.


Im historischen Ortszentrum gibt es beachtliche Hügellagen, die mit schönen Brücken überbrückt werden.


Am Ortsrand des Ortsteils Oberstockstall liegt der 1887 vom Minjan-Verein der jüdischen Gemeinde von Kirchberg errichtete jüdische Friedhof. Er diente bis 1938 den den jüdischen Familien zwischen Etsdorf, Kirchberg und Absdorf als Begräbnisstätte. Die letzte Beerdigung fand 1934 statt. Informationen über das jüdische Leben in Kirchberg unds sein Ende habe ich leider nicht gefunden. Nach der Nazi-Machtergreifung wurde der Friedhof geschändet und Grabsteine zerstört und gestohlen, heute gibt es noch 43 Gräber. Nach einer Renovierung 1995 wurde der Friedhof antisemitisch geschändet, Täter schmissen 16 Grabsteine um und zerstörten diese teilweise. Zwischen 1994 und 1996 geschah gleiches auch in den jüdischen Friedhöfen von Stockerau und Hollabrunn, und zwar jeweils zum Jahrestag des Novemberpogroms des 9. November 1938.