Donnerstag, 24. November 2011

Blätter, November 2011




Blätter für deutsche und internationale Politik
Heft 11/2011
128 S.







Neben interessanten Berichten zur politischen Lage in Spanien oder zum Umgang der deutschen Politik mit dem Völkermord des wilhelminischen Kaiserreichs in seiner einstigen Kolonie Namibia stechen vor allem zwei spannende Artikel heraus:

Das lange Leben des Neoliberalismus ist ein Beitrag von Colin Crouch betitelt, der auf seinem aktuellen Buch Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus fußt. Er befaßt sich mit der Frage, warum die katastrophale Finanzkrise an der herrschenden Ideologie nichts geändert hat und diese weiterhin fröhliche Urstände feiert. Zentral ist dabei seiner Ansicht nach, daß die politische Debatte, „die allein um das Verhältnis von Markt und Staat kreist“, einen entscheidenden Punkt verfehlt. Nämlich den Umstand, daß „der real existierende Neoliberalismus bei weitem nicht so sehr auf die freie Marktwirtschaft setzt, wie es seine Theorie behauptet. Stattdessen beruht er auf dem politischen Einfluß von Großkonzernen und Banken.“ Es geht also um eine klassische politische Machtfrage.
„Da die Politiker“, schreibt Crouch in eigentlich unzulänglicher Verkürzung mit Zielrichtung auf die herrschende Politik, die mehr ist als die Summe politisch agierender Individuen, „die neoliberalen Vorurteile gegen staatliche Interventionen teilen, die wachstumshemmende Wirkung von Regulierungen fürchten und glauben, dass ihnen die Manager des privaten Sektors in beinahe jeder Hinsicht überlegen sind, vertrauen sie immer mehr darauf, dass sich allgemeine gesellschaftliche Ziele (nur) durch die Selbstregulierung von Großkonzernen erreichen lassen.“ Nicht um die klassische Alternative Markt oder Staat geht es nach Crouch, sondern um (Rückkehr zum?) Primat politischen Handels gegenüber politischer Selbstaufgabe in der Krise angesichts der Macht von Banken und Großkonzernen.

Von Meredith Haaf gibt es in der Blätter-Ausgabe Auszüge aus ihrem Buch Heult doch. Sie schreibt darüber, warum ihre Generation (sie ist Jahrgang 1983) „endlich erwachsen werden muss“. Es sei die Generation der „TINA-Kinder“, geprägt von der von einem Ausspruch von Margaret Thatcher geprägten Konstante „There Is No Alternative“, die ihr Leben begleitet: „Im Namen der Zukunft wird an der Gegenwart gespart, um die Vergangenheit zu bezahlen. Am meisten leiden darunter, grob gesagt, zwei soziale Gruppen: diejenigen, die ohnehin arm sind. Und diejenigen, die erst im Begriff sind, an wirtschaftlichen Zusammenhängen teilzunehmen.“ Viele befänden sich in der paradoxen Lage, in einer finanziellen Sicherheit aufgewachsen zu sein, „die uns zu materiell extrem anspruchsvollen Menschen gemacht hat“, gleichzeitig aber schlechtere Chancen als die Elterngeneration zu haben, diesen Wohlstand zu halten.
„Ich lebe über meine Verhältnisse. Dafür bin ich verdammt gut angezogen“, schreibt Haaf, „twitterte eine Bekannte, und ich mußte lachen, weil ich so viele Menschen in meinem Alter kenne, auf die das zutrifft, aber so wenige, denen wirklich klar ist, dass ihr Anspruch, verdammt gut angezogen zu sein und dafür viel Geld ausgeben zu können, keine materielle Grundlage hat.“
Dies müsse aber nicht so sein. „Bevor wie die Kritik aufgeben, sollten wie erst einmal wieder zu ihr finden. ... Wir müssen nicht als plappernde, erschöpfte Hüllen durchs Leben gehen, immer konzentriert darauf, die Vorgaben zu erfüllen und nicht durchs Raster zu fallen.“ Sie bemerkt und kritisiert dies auch an ihrer eigenen Biographie. „Wir müssen nicht immer nur zuschauen. Es gibt eine Alternative. Man muss sie nur suchen.“

Sonntag, 20. November 2011

Uherské Hradiště

19.11.2011

Uherské Hradiště (deutsch Ungarisch Hradisch) liegt im äußersten Südosten Tschechiens, ist der Hauptort der Mährischen Slowakei (Slovácko oder Moravské Slovensko). 26.000 Menschen leben hier.
Die Stadt wurde 1257 unter dem böhmischen König Ottokar II. Přemysl als Königsstadt unter dem Namen Nový Veligrad gegründet und mit den Marktrechten des am nordwestlichen Ufer des Flusses March gelegenen Veligrad, des heutigen Staré Město u Uherského Hradiště ausgestattet. Zur besseren Unterscheidung wurde die Stadt Anfang des 14.Jh. in Hradiště (Hradisch) umbenannt, im 17. Jh. wurde dies um den Zusatz Uherské (Ungarisch) erweitert (aufgrund der Nähe zur damals ungarischen, heute slowakischen, Grenze).
Nach einem Rundgang wurde ein Spiel im Fußballstadion besucht.

Am Mariánske nám. (Marienplatz). Hinter der 1721 fertiggestellten Mariensäule ist der Turm des alten Rathauses zu sehen.


Das Alte Rathaus (Stará radnice). Im Kern stammt das Gebäude aus dem 14.Jh, wurde um 1600 umgebaut und im 18. und 19. Jh weiter verändert, bevor es Ende des 19.Jh. seine Funktion verlor.


Die ehemalige Synagoge wurde 1875 in historistisch-eklektischem Stil errichtet und 1904 im heute zu sehenden Jugendstil umgebaut und durch die Kuppel ergänzt. Eine jüdische Gemeinde lebte in der Stadt bereits seit dem 14.Jh., wurde 1514 aber vertrieben. Erst ab 1848 war Jüdinnen und Juden eine Ansiedlung in der Stadt wieder erlaubt. Um 1930 lebten etwa 350 hier, sie wurden nach Machtübernahme der Nazis vertrieben, die Synagoge wurde devastiert. Nach Kriegsende wurde hier 1967 die Bezirksbibliothek untergebracht.


Am Masaryk-Platz (Masarykovo nam.), Blick auf das 1893 eröffnete Neue Rathaus links und die Front der Barockkirche des Franziskus Xaverius (František Xaverský), die in den Jahren 1670 bis 1685 erbaut wurde.

Staré Město u Uherského Hradiště

19.11.2011

Die tschechische Stadt Staré Město u Uherského Hradiště (deutsch Altstadt bei Ungarisch Hradisch) liegt am nordwestlichen Ufer des Flusses March (Morava) gegenüber der heute größeren, aber historisch jüngeren Stadt Uherské Hradiště, die anschließend besucht wurde. 6.800 Menschen leben heute hier. Ausgangspunkt war ein Fußballspiel, an das ein kleiner Rundgang angeschlossen.

Zur Zeit des frühmittelalterlichen Großmährischen Reiches stand hier bereits im 9.Jh. eine bedeutende Burg. Damals hieß der Ort Veligrad, die erste urkundliche Erwähnung des Namens stammt aus dem 12. Jahrhundert. Seit 1960 gibt es hier eine Gedenkstätte an die großmährische Zeit.



Direkt neben der Gedenkstätte befindet sich die Großbaustelle der neuen (katholischen) Kirche. Da wird geklotzt und nicht gekleckert.


Das 1909 fertiggestellte Rathaus. Im Jahr 1257 wurde südöstlich der Siedlung auf einer Insel in der March unter dem böhmischen König Ottokar II. Přemysl Nový Veligrad als Königsstadt gegründet. 1323 wurde Veligrad in Staré Město und die neue Stadt Hradiště umbenannt. Staré Město war damit lange nicht viel mehr als eine Vorstadt, nach zeitweiser Eingemeindung zwischen 1943 und 1991 ist Staré Město seither wieder eigenständig und bekam 1997 das Stadtrecht.

Freitag, 18. November 2011

Die Ente bleibt draußen!


Die Ente bleibt draußen!
Stermann und Grissemann lesen Loriot

Lesung: Dirk Stermann und Christoph Grissemann
Klavier: Phillipine Duchateau

Theater Akzent
Wien, 17.11.2011




Bereits vor Victor von Bülows Tod in hohem Alter im August dieses Jahres begannen Christoph Grissemann und Dirk Stermann mit Lesungen aus seinen Texten als Hommage an den großen deutschen Humoristen. Nach seinem Tod umso aktueller. Loriots Werk ist einzigartig in seinem präzisen Aufzeigen der Brüche bürgerlicher Betulichkeit.

Der Abend beginnt gleich mit zwei Highlights, wahren Kleinodien des Fernsehens, dem Sketch über den Lottogewinner und dem namensgebenden Stück Herren im Bad. Stermann und Grissemann präsentieren eine Auswahl an Texten von Loriot in szenischer Lesung. Klavierstücke unterteilen das ganze, nehmen Tempo heraus und lassen eine etwas elegische Stimmung aufkommen.

Es ist eine gelungene Auswahl von meist aus Loriots Fernseharbeit bekannten Texten, die durch interessante zumindest mir unbekannte Stücke ergänzt werden. Der Vortrag der Klassiker Loriots läßt die Fernsehbilder vor dem geistigen Auge auftauchen. Das macht Freude.

Grissemann und Stermann lassen im ersten Teil vor allem die großartigen Texte für sich sprechen. Nach der Pause legen sie sich bei den Szenen einer Ehe mit verstellten Stimmen mehr ins Zeug. Angesichts des in die 60er/70er Jahren gerichteten, heute antiquierten Altherrenhumors über Mann/Frau-Rollenbilder ist dieser Abschnitt ein Schwachpunkt. Dirk Stermann nannte den folgenden outrierenden Vortrag zu recht im Vorfeld „albern“. Die gelungene Journalistenparodie Der Astronaut zum Schluß versöhnt wieder ein wenig.

In Summe bleiben zwei Stunden große Unterhaltung.

Montag, 14. November 2011

Dorog

12.11.2011

Nach dem Fußballspiel im Stadion mit seiner historischen Holztribüne wurde die Stadt Dorog (deutsch Drostdorf) im Norden Ungarns besichtigt. 12.000 Menschen leben hier.
Dorog wird im Jahr 1181 erstmals erwähnt. Damals residierten im nahen Esztergom die ungarischen Könige. Aufgrund der Kriege zwischen Habsburgern und Osmanischem Reich war Dorog zwischen 1542 und 1649 unbewohnt. Allmählich entwickelte schließlich wieder eine Siedlung, hauptsächlich von ins Land geholten deutschen Siedlern.

Der Aufschwung Dorogs begann, als man 1781 mit dem Abbau von Kohle begann. 1900 war die Stadt Zentrum des Kohlebeckens geworden und wurde nach dem Ersten Weltkrieg noch wichtiger, v.a. für die Versorgung der Hauptstadt Budapest im kleiner gewordenen Ungarn. Durch starken Zuzug von Menschen, die hier Arbeit suchten und fanden, verringerte sich der Anteil der deutschen Bevölkerung, 1900 noch bei 70%. 1920 gab es bereits eine ungarische Mehrheit. In den 1970ern schwand die Bedeutung der Kohle. 2004 wurde die letzte Mine stillgelegt. Die Tradition als Bergbaustadt sieht man auch heute noch daran, was hier im Park auf einen Sockel gestellt wird...


Vom historischen Zentrum um die 1767 bis 1775 im Barockstil erbaute katholische Pfarrkirche ist heute wenig übrig. Vor der Kirche steht ein 1993 errichtetes Denkmal für eine Gruppe deutscher Doroger, die 1944 der Einberufung in die deutsche Wehrmacht entgehen wollten, indem sie sich als Ungarn deklarierten und für die (mit Hitler verbündete) ungarische Armee kämpfen wollten, was abgewiesen wurde.


Das 1923 bis 1928 errichtete ehemalige Arbeiterheim des Bergwerks und heutige Kulturzentrum József Attila Művelődési Ház. 1935 wurde es um einen Theatersaal ergänzt, ein Kinosaal kam später dazu. Nach der Privatisierung der Kohlenmine 1994 zog sich diese aus der Finanzierung zurück, das Haus wurde 1997 von der Stadt übernommen.

Das 1927 errichtete Rathaus.

Esztergom

12.11.2011

Esztergom (deutsch Gran) ist eine der ältesten Städte Ungarns. 31.000 Menschen leben heute hier. Anlaß des Besuchs war ein Fußballspiel im nahen Dorog, das hernach ebenfalls kurz erkundet wurde.

Der Burgberg hoch über der Donau war immer schon strategisch wichtig, hier errichteten Kelten (um 350 v.u.Z.), Römer und um 500 u.Z. Slawen Befestigungen und siedelten sich an. Ende des 10.Jh. wurde die Burg zum Sitz der ungarischen Herrscher. 1000 wurde hier Stephan I. zum ersten König gekrönt und von ihm das Erzbistum gegründet. Reste der mittelalterlichen Königsburg sind restauriert zu sehen. Die Könige verlegten Ende des 12.Jh. ihre Residenz nach Buda (Ofen), der Bischof blieb und herrschte bis zur türkischen Eroberung 1543 über die Stadt.

Hoch über der Donau und der Stadt thront weithin sichtbar die von 1820 bis 1869 errichtete Basilika, die größte Kirche Ungarns.

Nach der Eroberung durch die Habsburger 1683 war die Stadt verwüstet. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte (1704 bis 1711 tobte der Rákóczi-Aufstand gegen die unduldsame neue Habsburgerherrschaft), kehrten die Erzbischöfe aus ihrem zwischenzeitlichen Exil im heute slowakischen Trnava zurück und begannen nach Wiederübernahme des Burgbergs 1761 mit dem großen Bauprojekt der Basilika, das die Stadt für Jahrzehnte in Beschlag nehmen sollte.

Die Donau bildet hier die Grenze zwischen Ungarn und der Slowakei. Die 1895 errichtete Brücke zwischen Esztergom am Südufer und dem slowakischen Štúrovo (bis 1948 slowakisch Parkan, ungarisch Párkány), mit mehrheitlich ungarischer Bevölkerung, war 1944 von der deutschen Wehrmacht gesprengt worden. Aufgrund des notorisch schlechten Verhältnisses zwischen den kommunistischen Regimes der Tschechoslowakei und Ungarns blieb die Brücke auch nach dem Krieg in Trümmern. Erst im Jahr 2000 (!) wurde mit EU-Geldern mit dem Wiederaufbau begonnen und 2001 die neue Maria-Valeria-Brücke (ungarisch Mária Valéria híd, slowakisch Most Márie Valérie) eröffnet.

Der Aufstieg zum Burgberg erfolgt über die alten Befestigungsanlagen. Esztergom war als Symbol der Herrschaft über Ungarn und/oder als Grenzfestung wiederholt Schauplatz von Kriegen und Eroberungen. Die Stadt wurde oft schwer zerstört, zuletzt im Zweiten Weltkrieg bei schweren Kämpfen von Dezember 1944 bis März 1945.

Frontansicht der Basilika. Klassizistischer Stil.

Davor stehend ist die Höhe des Baus (71,5 Meter) beeindruckend.

Aussicht von der Terrasse vor der Basilika über die Donau. Gegenüber liegt das slowakische Ufer, links Stadt und Donaubrücke.

Im Inneren beeindruckt die Basilika nicht sonderlich. Der äußere Eindruck ist imposanter.

Die Altstadt am Donauufer zu Füßen des Burgbergs, die sogenannte Wasserstadt (Víziváros) ist vom Barockstil der Zeit des Wiederaufbaus der Stadt Ende des 18.Jh. geprägt. Hier Blick auf das Erzbischöfliche Palais (1880/82) samt einer der vielen Kirchen der Stadt.

Die 1888 eingeweihte ehemalige Synagoge, in typisch maurisch-orientalischem Baustil. In Esztergom lebte eine der ältesten jüdischen Gemeinden Ungarns. Bereits im 11.Jh. lebten in der damaligen Königsstadt Jüdinnen und Juden. Infolge der ungarischen Niederlage gegen ein osmanisches Heer 1526 in der Schlacht bei Móhacs wurden als Sündenböcke sie aus der Stadt vertrieben. Im 18.Jh. bildete sich wieder eine Gemeinde. 1930 waren es 1.300 Menschen.

Das Denkmal vor der ehemaligen Synagoge erinnert an die Ermordeten des Holocausts. Im Mai 1944 wurden die Jüdinnen und Juden in Esztergom in ein Ghetto gesperrt, dessen Insassen im Juni nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden. Zwei Gruppen von Zwangsarbeitern, die hauptsächlich aus jüdischen Esztergomern bestanden, wurden im Jänner 1945 in Ágfalva (deutsch Agendorf, kroatisch Ogendorf) nahe der burgenländischen Grenze ermordet.

Schönes Altstadtensemble am Széchenyi tér. Links das 1772/73 errichtete Gebäudes des heutigen Rathauses.

Donnerstag, 10. November 2011

spw 185




spw
Heft 185 (4/2011)
August 2011
71 S.






Die verschiedenen und unterschiedlichen linken Projekte in Lateinamerika sind Thema des Heftschwerpunkts. Am schwierigsten zu bewerten ist hier sicher Venezuela, wo es neben unbestreitbaren Fortschritten auch viel Schatten gibt. Benedikt Behrens bemüht sich um einen sympathisierend erklärenden Artikel. Stephan Reichert geht mit Bolivien und Ecuador stärker ins Gericht. Gemeinsam ist den drei Ländern eine kritisch zu sehende Personenzentrierung der Regierungsführung. Demgegenüber steht die demokratische Staffelübergabe in Brasilien, das ja ebenfalls ein präsidiales Regierungssystem hat. Yesko Quiroga und Simone Reperger schreiben über Brasiliens wirtschaftlichen und politischen Höhenflug. Tatsächlich ist Brasilien noch weit von einer sozialen Gesellschaft entfernt, die Fortschritte sind allerdings jedenfalls beeindruckend.
Sehr interessant ist weiters der Artikel von Ridvan Ciftci über die − nicht rosigen − Perspektiven linker Politik in der Türkei.

Dienstag, 8. November 2011

Blätter, Oktober 2011




Blätter für deutsche und internationale Politik
Heft 10/2011
128 S.







Eine lesenswerte Ausgabe mit einigen spannenden Beiträgen. Interessant ist etwa Rolf Verlegers sehnsüchtiger Artikel über einen humanistischen Zionismus eines Chaim Weizmann anstelle der historische Wirklichkeit gewordenen kriegerischen Variante. Von Bernd Greiner stammt eine Anklage des endlosen Kriegs in Afghanistan und vom Mainzer Stadtschreiber Ingo Schulze eine ungewöhnliche tour d'horizon dazu, „das Selbstverständliche in Frage zu stellen“. Letzterer wandert in seiner Rede von der Jugend in Ostdeutschland über Südamerika zur Pensionspolitik und der Entsorgung von Fäkalien.

Sonntag, 6. November 2011

Schärding

5.11.2011

In Schärding, am Inn und der Grenze zwischen Oberösterreich und Bayern gelegen, wurde ein Fußballspiel besucht und zuvor ein kleiner Rundgang durch die Altstadt unternommen. Knapp unter 5.000 Menschen leben in der Bezirkshauptstadt.

Der Obere Stadtplatz glänzt mit der farbenprächtigen Pracht der historischen Fassaden seiner Bürgerhäuser. Die Farben waren einst den jeweiligen Zünften zugeordnet und zeigten an, welchem Erwerb im Haus nachgegangen wird (z.B. Bäcker blau, Fleischhauer rot, Gastwirte gelb oder grün). Die Häuserzeile heißt nach den reichen Kaufleuten, die hier einst ihren Sitz hatten, Silberzeile. Mit der Blütezeit Schärdings als Handelsstadt am Inn war es allerdings vorüber, als das Innviertel 1779 nach 530 Jahren von Bayern zu den Habsburgern kam. Der lukrative Salzhandel war jäh zu Ende, da in Österreich ein staatliches Salzmonopol herrschte und das Salz aus dem Salzkammergut bezogen wurde.


Am Unteren Stadtplatz. Im Hintergrund der Turm der barocken Pfarrkirche. Sie wurde um 1725 errichtet, nachdem die vorige gotische Kirche im Zuge der Belagerung der damals bayerischen Stadt durch österreichische und dänische Truppen zerstört worden war.


Das Wassertor, früher auch Inntor oder Zollturm genannt, durch das man von der Stadt ans Ufer des Inn gelangt.


Am Innufer. In der Mitte des Flusses verläuft die Grenze zwischen Österreich und Deutschland. An der gegenüberliegenden bayerischen Seite ist das 1752 barock erbaute Kloster Neuhaus zu sehen. Es steht an der Stelle eines 1724 abgebrannten gotischen Wasserschlosses.


Die 1498 vollendete gotische Bürgerspitalkirche brannte 1809 aus, als im Zuge der napoleonischen Kriege französische Truppen die Stadt einnahmen, plünderten und niederbrannten. Übrig gebliegen ist u.a. ein schönes gotisches Portal. Die Stadt hatte kein Geld für eine Wiederherstellung, so wurde das Gebäude 1819 weltlichen Zwecken zugeführt. Zuletzt war hier die Stadtbücherei, heute ein Hotel. Sehr gelungen ist die Andeutung der einstigen Funktion durch den stilisierten Turmaufbau.


Das Schloßtor zur einstigen Burg Schärding, zurückgehend auf die Befestigungsanlagen, die unter dem bayerischen Herzog Ludwig dem Gebarteten 1428 bis 1436 errichtet wurden. Der bis 1809 vorhandene Burggraben ist durch die zum Tor führende Rampe angedeutet.


Ansicht der ehemaligen Burg. Im 14. und 15. Jh. wurde die Burg zur wehrhaften bayerischen Landesfestung an der Grenze zum gefährlichen österreichischen Nachbarn ausgebaut und bot schließlich um 1700 einen hier zu sehenden imposanten Eindruck. Durch Großbrände in den Jahren 1724 (die ganze Stadt brannte damals nach einem bei einer Fronleichnamsprozession entstandenen Feuer) und 1775 wurde die Burg stark zerstört und nicht wieder aufgebaut.


Der einstige Burghof ist seit 1895 zu einem Schloßpark gestaltet. In seiner Mitte ist ein 2003 entdeckter und rekonstruierter mittelalterlicher Burgbrunnen zu sehen.
Von hier aus hat man eine schöne Sicht über den Inn.


Blick von der Alten Innbrücke auf die Mauern der ehemaligen Burg am Inn, oben der Aussichtspavillion des Schloßparks.


Blick auf Schärding.

Donnerstag, 3. November 2011

Stermann


Stermann

von und mit
Christoph Grissemann
und Dirk Stermann

Rabenhof Theater
Wien, 2.11.2011






Ein Witzfeuerwerk in hohem Tempo, in typischer Manier mit mal mehr und mal auch weniger gelungenem Schmäh, prägt zunächst das neue Programm von Dirk Stermann und Christoph Grissemann. Ihr bekanntes und beliebtes überhöhtes tiefes Niveau. Das altersweise relaxte Schmunzeln weitete sich das eine oder andere Mal zum kleineren Lachanfall aus, auch wenn man die Pointe noch so sehr kannte. Man entkommt ihnen nicht.

Die dramaturgische Klammer als Lebensgeschichte des Entertainers Stermann von Kindesbeinen an („ich war sehr jung als Kind“) bis zur höhnischen Grabrede durch Grissemann („sagen wir so, es trifft nie Unschuldige“) bot das Gerüst des Stücks, engte die beiden Humoristen in ihrem Tun aber nicht zu sehr ein. Wie früher Radiobeiträge wurde auch diesmal wie zuletzt ein Best of vergangener TV-Beiträge eingespielt und bereits in Funk und Fernsehen erprobte Witze ins Stück eingebaut. War im letzten Programm der körperliche Einsatz Dirk Stermanns als Ausdruckstänzer bemerkenswert, glänzt diesmal Christoph Grissemann mit einer Tanz- und Gesangsperformance.

Nach der Pause gibt es wieder vorgetragene „Tagebücher“, die literarischen Glanzstücken von Stermann/Grissemann. Der beste Teil des Abends.
Nunmehr sind es mehr als fünfzehn Jahre nachdem ich die beiden erstmals auf der Bühne gesehen und bald zwanzig Jahre, nachdem ich sie zum ersten Mal im Radio gehört habe.

Als Gimmick bekommt man einen Ohrwurm mit.

Mittwoch, 2. November 2011

Datum 11/11




Datum
11/2011
98 S.







Der Schwerpunkt über Cyberwar, stille Kriegführung über Netzwerke und Sicherheit im Internetz von Christoph Zotter war spannend zu lesen. Der Laie ist immer wieder erstaunt.

Die bekannten Panoramaphotographien von Fußballstadien von Reinaldo Coddou H. sind jedesmal wieder beeindruckend. Im Heft sind aus der Neuauflage seines diesbezüglichen Buchs die Panoramen von Wiener Stadien abgedruckt, von der Hohen Warte, dem Hanappi-Stadion, dem Horr-Platz und dem Sportclub-Platz. Schön.

Die Recherche von Natalie Campbell und Elisabeth Gamperl über die offenbar allseits übliche und unhinterfragte Vorgangsweise an österreichischen öffentlichen Volksschulen (Wien ist anscheinend eine Ausnahme), die Kinder den Tag mit dem lauten Rezitieren eines christlichen Gebets beginnen zu lassen, läßt den Mund offen stehen und einen perplex zurück. Religiöse Indoktrination von Unmündigen einfach so, ohne Verständigung, Einverständnis etc., weil es ja Tradition sei? Das kann doch nicht wahr sein?!