Donnerstag, 1. September 2011

Transit 38



Transit 38
Europäische Revue
Winter 2009
191 S.







Timothy Snyder beschäftigt sich in seinem Artikel Der Holocaust: die ausgeblendete Realität mit einer Neubewertung der Geographie der Verbrechen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Eine Vorstudie zu seinem nunmehr bereits erschienenen und allerorts hymnisch gelobten Buch Bloodlands.
Wie Auschwitz, das unseren Blick auf die westeuropäischen Opfer des NS-Regimes konzentriert, und damit die osteuropäischen Opfer, die oft in Massenerschießungen ermordet wurden, übersehen läßt, wie Synder schreibt, lenkt uns auch der Gulag mit seinen berüchtigten sibirischen Lagern vom geographischen Zentrum der sowjetischen Mordpolitik ab. Auf Auschwitz und den Gulag fixiert, übersehen wir, dass in einem Zeitraum von zwölf Jahren, zwischen 1933 und 1944, rund zwölf Millionen Menschen der nationalsozialistischen und der sowjetischen Politik des Massenmords zum Opfer fielen, und zwar in einer Region Europas, die mehr oder weniger deckungsgleich mit den heutigen Territorien Weißrußlands, der Ukraine, Polens, Litauens und Lettlands ist. Snyder denkt die Verbrechen unter Hitler und Stalin in ihrer Eigenschaft als Verbrechen zusammen und ist darin fern von ideologischer Gleichsetzung. Ihm geht es um eine fehlgeleitete Begrifflichkeit, mit einer solchen Zentrierung auf Berlin und Moskau laufen wir Gefahr, die Tatsache zu übersehen, dass sich die Massenmorde vorwiegend in den zwischen Deutschland und Rußland gelegenen Gebieten, nicht in Deutschland und Rußland selbst ereigneten. Zu diesem Zweck differenziert er auch zwischen russischen und weißrussischen sowie ukrainischen Opfern, die zumeist als als russisch wahrgenommen werden.

Weiters gibt es in dieser Ausgabe noch interessante Beiträge von Lynne Viola über die Selbstkolonisierung der Sowjetunion durch den Gulag der 1930er Jahre, die mörderische deutsche Wirtschaftsplanung für die 1941 besetzte Sowjetunion (Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern heißt es hierbei nüchtern) und die militärische Aufrüstung der Ostblockländer gegen Tito-Jugoslawien Anfang der fünfziger Jahre.

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